„Dezentralisierung wird die Demokratie stärken.“
Herr Zubko, Herr Milbradt, weshalb ist die Dezentralisierung so wichtig für die Ukraine?
Hennadii Zubko: Wir wollen die zentralistische Verwaltung sowjetischen Systems zu einem westlichen System umbauen. Das Denken der Beamten wird sich dadurch ändern. Wichtig ist auch, dass die Bürger künftig mehr Einfluss auf die Lokalpolitik nehmen können.
Georg Milbradt: Die Dezentralisierung wird erstens eine Stärkung der Demokratie bewirken, die auf lokaler Ebene leichter zu erreichen ist. Zweitens wird sich der Service der Gemeinden verbessern, denn die Bürger werden genau hinschauen, wofür ihre Steuergelder ausgegeben werden.
Wo liegen die Hauptprobleme bei der Dezentralisierung?
Zubko: Damit sehr kleine Gemeinden Aufgaben wie den Bau und die Instandhaltung von Schulen, Krankenstationen und Feuerwachen überhaupt stemmen können, müssen sie sich mit anderen Orten zusammenschließen. Das geschieht freiwillig. Dennoch gibt es dabei immer auch Unzufriedene, wie bei jeder Transformation. Deshalb geht es nicht ganz so schnell voran.
Milbradt: Der Mensch ist eben ein Gewohnheitstier. Hinzu kommt, dass die Ukrainer ihren Regierenden generell misstrauen. Viele nehmen immer das Schlechteste an.
Inwiefern trägt die Dezentralisierung auch zum Kampf gegen Korruption bei?
Zubko: Die Finanzströme auf der lokalen Ebene werden durch die Reformen wesentlich transparenter als beim alten zentralen Gießkannensystem. Die Einwohner werden in die Entscheidungsprozesse eingebunden und fühlen sich stärker für ihre Gemeinde verantwortlich.
Milbradt: Dezentralisierung bedeutet immer auch eine Dezentralisierung der Korruption. Natürlich verschwindet diese nicht von alleine. Doch der empfindlichste Körperteil des Menschen ist sein Portemonnaie. Wenn es direkt schmerzt, werden künftig rationalere Entscheidungen getroffen. —
Das Interview führte Paul Flückiger.
Hennadii Zubko
(Foto, rechts) ist Vizeministerpräsident der Ukraine und Regionalentwicklungsminister.
Georg Milbradt
Ist Sondergesandter der deutschen Bundesregierung für die ukrainische Reformagenda in den Bereichen gute Regierungsführung, Dezentralisierung und öffentliche Verwaltung. Von 2002 bis 2008 war Milbradt sächsischer Ministerpräsident.
aus akzente 3/18