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Reportage
09/2021
Reiche Ernte

Warum neben Hühnern und Bienen auch Drohnen für mehr Biodiversität sorgen: ein Besuch auf der Finca der Familie Núñez in der Dominikanischen Republik.

Text und Fotos
: Sandra Weiss

Es ist Mittag, und die schwüle, tropische Hitze wird sogar den Bananenstauden zu viel. Sie schließen ihre Blätter, um allzu viel Verdunstung zu vermeiden. Aber auf der Finca der Familie Núñez im Norden der Dominikanischen Republik lässt es sich aushalten. Aloe Vera, Kokospalmen und Kakao lockern die Bananenplantage auf und geben Schatten. Mittendrin entspringt eine Quelle mit glasklarem Wasser. Schmetterlinge flattern durch die Plantage, die Vögel zwitschern. „In Harmonie mit der Natur zu produzieren, lässt mir das Herz aufgehen“, schwärmt Dayanara Sánchez. Ihr Mann Richard Núñez sammelt derweil ein paar Mangos und köpft eine Kokosnuss – hier gibt es immer etwas Gesundes zu naschen oder zu trinken.

Der Familienbetrieb gehört zur dominikanischen Bananenkooperative Banelino, die schon seit vielen Jahren Biobananen nach Europa exportiert. Mehr als 360 Kleinbäuerinnen und -bauern gehören in diesem Zusammenschluss. Banelino sorgt für rund zehn Prozent der Bananenproduktion des Karibikstaats. 

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Núñez ist überzeugter Ökobauer, doch als er zum ersten Mal von einem „Biodiversitätscheck“ hörte, war er zunächst skeptisch. Ist das noch ein neues Ökosiegel, das Geld kostet und neue Auflagen bedeutet?, fragte sich der 49-Jährige. Die Sorgen konnte Raúl Araujo von der GIZ schnell ausräumen. Bei einem Treffen mit Nuñez und ein paar Dutzend anderer Kleinbäuerinnen und -bauern der Kooperative stellte der Agrarfachmann Araujo den Ansatz vor. Er ist Teil eines Biodiversitätsprojekts mit dem die GIZ im Auftrag des Bundesumweltministeriums die nachhaltige Produktion von Bananen und Ananas unterstützt.

Im Falle der Bananenfarmer*innen geht es um eine individuelle Analyse jeder einzelnen Finca. Ziel ist es, herauszufinden, wie sie mehr im Einklang mit der Natur wirtschaften und ihre Produktion diversifizieren können. „Denn organisch ist nicht gleich biodivers“, betont Araujo. Biologisch-organische Produzent*innen benutzen zwar keine Chemikalien, bewirtschaften aber oft Monokulturen und haben mit Problemen wie Erosion, Schädlingen und sinkender Bodenfruchtbarkeit zu kämpfen.

Mir geht es darum, den Planeten zu bewahren und den künftigen Generationen in gutem Zustand zu überlassen.

Richard Núñez,
Bio-Bauer in der Dominikanischen Republik

Probleme, die auch der Familienbetrieb von Richard Núñez kannte. Die Stauden trugen nur wenige und kleine Früchte, Stürme knickten sie um, Überschwemmungen verursachten Ernteausfälle.  Der Bauer war deshalb schnell von dem neuen Ansatz überzeugt. „Ich will nicht nur von der Landwirtschaft leben können. Mir geht es auch darum, den Planeten zu bewahren und den künftigen Generationen in gutem Zustand zu überlassen“, sagt er. Núñez war unter den ersten, die sich 2019 in das Programm einschrieben und mit der Arbeit starteten.

Der ganze Stolz des Bauern

Mit finanzieller Unterstützung und Beratung der GIZ legte er Bienenstöcke an und pflanzte rund um seine 3,8 Hektar Bananen eine Barriere aus schnell wachsenden Ceylon-Stachelbeeren. „Die Bienen lieben die Blüten, die Bäume schützen vor Wind und bringen leckere Früchte, die wir zu Saft oder Marmeladen verarbeiten“, erklärt seine Frau Dayanara.

Zum Biodiversitätsprogramm gehört auch die Anschaffung von Hühnern. „Sie suchen im Boden nach Würmern und lockern ihn dadurch auf“, erklärt Araujo. Dafür müsste man sonst Hilfsarbeiter*innen bezahlen. Zwischen den Bananenstauden hat das Ehepaar Núñez zudem bodendeckende Leguminosen (Hülsenfrüchtler) gepflanzt, die Nährstoffe im Boden fixieren. „Die Stauden sind heute zehn Zentimeter dicker im Durchmesser“, hat Richard Núñez ermittelt. Das ist für den Bananenbauern der größte Stolz, denn der Durchmesser der Staude ist der Maßstab für Anzahl und Größe der Bananen.

Das Projekt in Zahlen
17

unterschiedliche Pflanzenarten gibt es heute allein auf den Banelino-Bananenfincas, die früher Monokulturen waren.

19.000

Hektar Plantagenfläche wurden nach dem Biodiversitätscheck auf umweltverträgliche Anbauformen umgestellt.

9.400

Kleinbäuerinnen und -bauern sowie Plantagenpersonal wurden über biodiversitätsverträgliche Produktion informiert.

Dann rechnet er zusammen mit Araujo aus, was ihm die Biodiversität nicht nur an Freude, sondern auch an Zusatzeinkommen bringt: „Die Hühner ersparen mir 15.000 Pesos monatlich, die ich sonst für diese Arbeit zahlen müsste“, sagt er. „Die Eier, die Kokosnüsse, der Kakao und der Honig bringen bis zu 22.000 Pesos im Monat.“ Alles wird lokal verkauft. „Das macht im Jahr rund 450.000 Pesos mehr in der Haushaltskasse“, sagt Araujo. Das sind umgerechnet rund 6.400 Euro. „Davon kann ich das Studium der beiden Kinder bezahlen“, ergänzt Núñez.

Mehr Transparenz für Verbraucherinnen und Verbraucher

Sohn Richard ist 25 und studiert Agronomie, denn er will später gerne die Finca übernehmen. „Bio-Bananen haben Zukunft“, ist er überzeugt. „Ich bin gerne in der Natur und mein eigener Herr.“ Richard junior hat es besonders die Biodiversitäts-Inventur angetan. Die findet nämlich per Drohne statt. Hier ist die „DJI Phantom 4“ im Einsatz. Sie wird anhand von Satellitenbildern im Büro von Banelino programmiert und fliegt dann in 60 Metern Höhe langsam über die Finca und registriert, wie viele unterschiedliche Pflanzen auf dem Areal wachsen. Von zwölf Fincas in der Dominikanischen Republik gibt es diese Bestandsaufnahme bereits. Sie liefert nicht nur einen stichhaltigen Beweis dafür, wie sich die Biodiversität im Verlauf der Projektdauer steigert. Sondern ist auch wichtig für die zweite Komponente des Projekts.

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Dabei sollen Verbraucher*innen mittels App und Quellcode die Möglichkeit bekommen, genau nachzuverfolgen, woher die Banane kommt. So können Produzierende und Konsument*innen einander nähergebracht werden. Der Käufer im Supermarkt in Deutschland soll über den ins Handy einlesbaren Quellcode nicht nur den Hersteller seiner Banane kennenlernen und dessen Finca, sondern auch die Möglichkeit bekommen, ihn mit einem Extrabonus zu entlohnen.

Richard Núñez senior würde sich darüber sehr freuen: „Zu wissen, dass Menschen am anderen Ende der Welt das schätzen, was ich tue, erfüllt mich mit Stolz.“ Mindestens genauso wichtig waren ihm aber die Worte seines 85-jährigen Onkels Gaspar. Der reitet nämlich immer noch mit dem Esel auf die Bananenplantage. „Mein Junge“, sagte er neulich zu Núñez. „Du hast mir ein wundervolles Geschenk gemacht. Im Schatten der neuen Bäume reitet es sich viel angenehmer.“

Wasserquelle auf der Plantage von Núñez

Wasserquelle auf der Plantage von Núñez

Die Dominikanische Republik ist eines der artenreichsten Länder der Karibik. Um diese Kostbarkeiten zu schützen und gemeinsam mit landwirtschaftlichen Betrieben die Biodiversität zu fördern, setzt die GIZ mit dem Projekt „From Farm to Fork“ (Vom Hof bis auf die Gabel) auf nachhaltige Wertschöpfungsketten bei der Bananen- und Ananas-Produktion in Costa Rica und der Dominikanischen Republik. Finanziert wird es vom Bundesumweltministerium und fügt sich in das größere Programm „Business & Biodiversity in Zentralamerika und der Dominikanischen Republik“ ein, bei dem die GIZ im Auftrag des BMZ und kofinanziert von der EU den Naturschutz durch Unternehmen stärkt.

Kontakt: Svenja Paulino, svenja.paulino@giz.de

Ziele für nachhaltige Entwicklung
Zu folgenden Nachhaltigen Entwicklungszielen (SDGs) der Vereinten Nationen trägt das Vorhaben bei:
SDG 8: Menschenwürdige Arbeit und Wirtschaftswachstum SDG 12: Nachhaltige/r Konsum und Produktion SDG 13: Maßnahmen zum Klimaschutz SDG 15: Leben an Land