Interview

Recyclingrevolution in Jordanien 

Dr. Mohammed Al Khashashneh, Staatssekretär im jordanischen Umweltministerium, über das Regelwerk zur erweiterten Produzentenverantwortung (EPR)

Interview: Olivia Cuthbert Fotos: GIZ/Clemens Hess

Unternehmen in Jordanien werden in Zukunft für die Verpackungsmaterialien, die sie auf den Markt bringen, stärker zur Verantwortung gezogen. Damit leisten sie ihren Beitrag, um den Abfallsektor in Jordanien zu transformieren und Jordaniens „Nationalen Aktionsplan für Grünes Wachstum 2021–2025“ voranzutreiben. Das Land steht durch die Folgen des Klimawandels und eine große Zahl von Geflüchteten aus der umliegenden Region vor substanziellen Herausforderungen.

Durch eine stetig wachsende wirtschaftliche Aktivität in den letzten Jahrzehnten ist auch der Druck auf Jordaniens Abfallwirtschaft gewachsen, die auf diese Anforderungen bislang unzureichend vorbereitet war. Neue, seit August 2022 innerhalb des Abfallwirtschaftsrahmengesetzes geltende Vorschriften legen fest, wie ein System einer erweiterten Produzentenverantwortung (EPR) im Land etabliert werden soll. Dadurch sollen die Menge des von Unternehmen erzeugten Verpackungsmülls verringert und die getrennte Müllsammlung sowie der Aufbau von Recycling-Strukturen gefördert werden. 

Image
Recyclingrevolution in Jordanien 

Ab Januar 2024 müssen Unternehmen für Verpackungsmaterialien, die sie auf den Markt bringen, eine Gebühr zahlen. Zunächst gilt diese Verordnung nur für Unternehmen über einem bestimmten Inlandsumsatz, doch nach und nach sollen auch kleinere Unternehmen in das System einzahlen. Mit diesen Gebühren können Mülltrennung, -sortierung und -recycling sukzessive eingeführt und ausgeweitet werden. Diese Entwicklung wurde angestoßen und gefördert durch ein globales Projekt der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH, das in ausgewählten Partnerländern günstige Rahmenbedingungen für die Einführung moderner Umwelt- und Klimatechnologien schafft. Das Projekt ist Teil der vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) finanzierten „Exportinitiative Umweltschutz“

Für Jordanien bedeutet das neue EPR-System einen großen Schritt in Richtung einer standardisierten Abfallwirtschaft auf dem Weg zu einer Kreislaufwirtschaft. Als Staatssekretär in Jordaniens Umweltministerium ist Dr. Mohammed Al Khashashneh die treibende Kraft hinter dem Regelwerk zur erweiterten Produzentenverantwortung (Extended Producer Responsibility, EPR) und einer Abfallhierarchie. akzente hat nachgefragt, wie das funktioniert.

Image
Recyclingrevolution in Jordanien 

Dr. Khashashneh, wo steht Jordanien auf dem Weg zur Kreislaufwirtschaft und wie passt das EPR-System in diese Entwicklung?

Der Kampf gegen den Klimawandel und die Schaffung einer Kreislaufwirtschaft sind Schlüsselelemente der neuen jordanischen Vision wirtschaftlicher Modernisierung bis 2033. Der Plan umfasst alle Aspekte unserer Umweltstrategie, also Abfallwirtschaft, grünes Wachstum und Klimaschutzmaßnahmen, und bringt sie mit Jordaniens ehrgeizigen ökonomischen Zielen für die nächsten zehn Jahre in Einklang. Das EPR-System ist ein Beispiel dafür, wie wir diese Ideen in die Tat umsetzen können. Wir können damit ein Drittel unseres Abfalls wiederverwerten und zu einer Ressource machen, mit der sich Geld verdienen und Arbeitsplätze schaffen lassen.

Das EPR-System nimmt die Unternehmen in die Pflicht, ihren Müll zu recyceln. Machen sie denn mit?

Es gab durchaus Bedenken und Widerstände, aber wir arbeiten eng mit der Privatwirtschaft zusammen, um ihr die Vorteile des Systems aufzuzeigen. Mit Hilfe der Beratung und Unterstützung unserer Freunde von der GIZ und internationalen Unternehmen zeigen wir, dass dies neue Jobs, neue Geschäftsbereiche und Profitchancen schaffen kann. Wir erfinden das Rad ja nicht neu – Länder wie Deutschland machen das schon seit 30 Jahren, es ist also der Nachweis erbracht, dass es funktioniert. EPR ist eines der Schlüsselprogramme, die wir einführen müssen, um die getrennte Müllsammlung zu verbessern und die Recyclingrate zu steigern, damit wir uns nach und nach in Richtung einer Kreislaufwirtschaft bewegen.

Image
Dr. Khashashneh

Inwiefern erhöht das Jordaniens Glaubwürdigkeit als Motor des grünen Wachstums im Nahen Osten?

Das EPR-System ist in der Region einzigartig. Offen gesagt gibt es anderswo kein vergleichbar umfassendes System, weil jede/-r sich dem grünen Wachstum aus einer anderen Richtung annähert. In Jordanien leisten wir Pionierarbeit, weil wir ganz nach Plan vorgegangen sind – zuerst das Gesetzesverfahren, dann die Regulierung, dann die Umsetzung. Ich bin sehr stolz darauf, denn dies ist eines meiner Lieblingsprojekte – ich habe von Beginn an daran mitgearbeitet. Wenn es sich in Jordanien als erfolgreich erweist, kann unser Ansatz zur Blaupause für andere Länder werden.

Aber der Prozess war sicher nicht ohne Schwierigkeiten …

Nein, es war nicht leicht, vor allem weil es ein neues Konzept ist und Menschen eine Weile brauchen, um sich an Veränderungen zu gewöhnen. Zum Glück besitzt die GIZ eine hohe Glaubwürdigkeit und sie hat eine wichtige Rolle dabei gespielt, Regierungsstellen und Privatwirtschaft zu überzeugen. Wir haben viel Zeit darauf verwendet, den Menschen zu zeigen, warum ein EPR-System so effektiv die Recycling-Fähigkeit verbessert und zur Umsetzung einer Kreislaufwirtschaft beiträgt.

Image
Dr. Khashashneh

GIZ in Jordanien

In Zusammenarbeit mit den internationalen Expert*innen der cyclos GmbH unterstützt die GIZ lokale Partner*innen bei der Erstellung eines rechtlichen und administrativen Rahmens für ein industriefinanziertes EPR-System in Jordanien. Dazu gehören auch Politikberatung für das jordanische Umweltministerium und die Entwicklung von Pilotprojekten für Recycling in Amman.

Image
GIZ in Jordanien