Reportage

Ein Wiedersehen mit starken Frauen in Jordanien

Vor fünf Jahren interviewte akzente weibliche Abgeordnete der regionalen Räte von Jordanien. Jetzt haben wir die Jordanierinnen wiedergetroffen.

Text: Brigitte Spitz Fotos: Rajiv Raman
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Aida Al Khattab mit ihrem Mann und Enkelsohn

Aida Al Khattab mit ihrem Mann und Enkelsohn

Die Begrüßung könnte nicht herzlicher sein. Aida Al Khattab steht vor ihrem Haus in der südjordanischen Stadt Ma’an und strahlt. „Ihr seid wirklich wiedergekommen“, sagt sie, umarmt die Besucherinnen, so fest sie kann, und verschenkt ihr Lächeln wie Blumen. Selbst ein landesweiter Feiertag hat sie nicht abgehalten, die Gäste aus Deutschland und der Hauptstadt Amman zu empfangen. Auch ihr Mann Fawaz Al Khattab und ein Enkelsohn stehen Spalier.

Aida Al Khattab gehört zu einem Netzwerk von Frauen im Nahen Osten, die bei ihrer politischen, gesellschaftlichen oder wirtschaftlichen Teilhabe unterstützt wurden und werden. Durch Programme, die die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH im Auftrag der Bundesregierung durchführt.

In der Reportage „Gemeinsam aufbrechen“ von 2018 hatte akzente Aida Al Khattab und ihre Kollegin Manar Abu Rumman aus der Stadt Salt erstmals vorgestellt. Seither ist viel passiert. Weltweit, in Jordanien, im Leben der beiden Frauen.

Frauenpower

Die GIZ unterstützt im Nahen Osten die Teilhabe von Frauen in Gesellschaft, Politik und Wirtschaft. Das Projekt WoMENA („Geschlechtergerechte und inklusive Politik und Wirtschaft in der MENA-Region“) wird wie zuvor LEAD vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) finanziert. Mit der Nationalen Kommission für Frauen in Jordanien als Partner fördert die GIZ zudem das Netzwerk von Kommunalpolitikerinnen Nashmeiat im Rahmen des Projekts „Stärkung von weiblichen Führungspersönlichkeiten und deren wesentlicher politischer Beteiligung“ (WoPP).

Kontakt: Anette Funk
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Aida Al Khattab

Die Parlamentswahl im Blick

Bevor Familie Khattab in ihrer warmherzigen jordanischen Gastfreundschaft alle um einen Tisch zum traditionellen Reisgericht Makloubeh versammelt, berichtet Aida von den Veränderungen der vergangenen Jahre. Bis 2022 war sie Vizepräsidentin im Rat des größten Gouvernements von Jordanien. Die erste Frau in diesem Amt einer Regionalvertretung des arabischen Landes.

Doch nach vier Jahren im Amt entschied sich die quirlige Jordanierin, für den Stadtrat von Ma’an zu kandidieren. Was auf den ersten Blick nach einem politischen Rückschritt aussieht, war ein bewusster Entschluss: „Durch die Arbeit auf kommunaler Ebene kann ich unmittelbar der lokalen Gemeinschaft dienen und ich treffe täglich die Menschen, für die ich arbeite.“ Die Gegend um Ma’an, drei Autostunden von der Hauptstadt Amman entfernt, gilt als sehr konservativ. Doch Aida Al Khattab wurde mit großem Stimmenvorsprung in den Stadtrat gewählt. „Von Frauen und vielen Männern“, betont sie stolz.

Mit ihrer engagierten Arbeit in der Region bereitet sie ihr nächstes Ziel vor: die Parlamentswahl 2024. Aida Al Khattab, die erst 2017 nach einer langen Karriere als Schulleiterin den aktiven Schritt in die Politik gewagt hat, will Bürgerinnen und Bürger aus dem Süden des Landes im jordanischen Parlament vertreten. Sie sagt das, ohne zu zögern.

Für Manar Abu Rumman ist das noch nicht so klar. Drei Jahre saß sie als Abgeordnete im Rat des Gouvernements Al-Balqa und engagierte sich für die Menschen in der Gegend nordwestlich von Amman. Als sie 2020 zu den Parlamentswahlen antrat, steckte Jordanien tief in der Corona-Pandemie.

„Ich habe gesehen, dass die Menschen aus gesundheitlichen Gründen Angst hatten, an den Wahlen teilzunehmen. Die Isolierung durch die Beschränkungen verstärkte die Angst noch“, sagt Manar Abu Rumman. In dieser Situation hätten sich Männer verbündet – aus Sorge, ihre Sitze an Frauen zu verlieren. „Frauen fehlen oft die ökonomischen Mittel und die Verbindungen, um denselben Wahlkampf wie die Männer zu führen“, weiß die Mittdreißigerin. Sie sei zwar von ihrer Familie unterstützt worden, habe aber nicht mit den Männerseilschaften konkurrieren können. Letztlich errang sie keinen Sitz im Parlament. Wenn Abu Rumman von diesem Wahlkampf erzählt, kann sie ihre Enttäuschung kaum zurückhalten: „Die Kommunikation war kompliziert und die Menschen steckten in großen wirtschaftlichen, sozialen und psychologischen Schwierigkeiten.“

Karriere macht Manar Abu Rumman jetzt außerhalb der Politik: Seit 2021 arbeitet sie bei einer großen Reederei in Amman. Hier hat sie nicht nur berufliche Erfahrungen mit dem Im- und Export gesammelt. Ihr Blick auf ökonomische und soziale Probleme hat sich geweitet. „Ich verstehe jetzt konkret die Rolle des Handels und wie Herausforderungen, etwa die gestiegenen Dieselpreise oder logistische Probleme, Auswirkungen auf jeden Menschen im Land haben.“

Sie fühlt sich wohl in ihrer neuen Position. Ob sie noch einmal für einen Abgeordnetensitz kandidieren wird? Das macht sie von den politischen Bedingungen und ihren Chancen abhängig. Noch sieht sie viele Herausforderungen für Frauen in Jordanien.

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Manar Abu Rumman

Manar Abu Rumman

Welche Rolle spielt Gleichberechtigung in Jordanien?

Jordaniens Regierung betont ihren Einsatz für Gleichberechtigung. Bis 2030 soll die Kluft zwischen den Geschlechtern geschlossen werden, das zumindest ist die ambitionierte offizielle Linie und spiegelt offenbar auch gesellschaftliche Veränderungen wider. So hat bei der jüngsten landesweiten Umfrage des Arab Barometers eine klare Mehrheit zugestimmt, dass Frauen dieselben Rechte haben sollen.

Die Herausforderungen sind auf vielen Ebenen noch hoch. So sagten zuletzt zwei Drittel der Befragten, Männer seien bessere Führungskräfte. Und trotz ihres großen Anteils bei höheren Bildungsabschlüssen sind in Jordanien nur rund 15 Prozent der Frauen erwerbstätig. Damit ist das Land ein Schlusslicht im Nahen Osten. Das Arbeitsministerium hat darauf reagiert und Ende Mai 2023 einen millionenschweren Fonds auf den Weg gebracht, um Frauen wirtschaftlich zu stärken.

2022 wurden auch einige politische und rechtliche Reformen eingeleitet. So wurde der Begriff „Frauen“ erstmals explizit in den Titel des Kapitels über „Rechte und Pflichten“ der jordanischen Verfassung aufgenommen. Zuvor waren dort nur „Jordanier“ in grammatikalisch maskuliner Form genannt worden. Die Veränderung war umstritten. Konservativen Kräften ging sie zu weit, einigen Frauengruppen dagegen ging sie nicht weit genug. Zudem wurde ein Gesetz über politische Parteien aktualisiert, um mehr Frauen und junge Leute einzubinden. Jordanische Medien berichten jedoch, dass das Wissen über diese Reformen im Land noch gering sei.

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Samar Haj Hasan

Samar Haj Hasan, jordanische Frauenrechtlerin

Weibliche Vorbilder

„Wir sind in einer Art Übergangszeit“, sagt Samar Haj Hasan im akzente-Interview. Die bekannte jordanische Frauenrechtlerin ist Vorsitzende des Kuratoriums des Nationalen Zentrums für Menschenrechte und Mitglied im Königlichen Komitee zur Modernisierung des politischen Systems. Das Königshaus gehört zu den herausragenden Förderern von Gleichberechtigung, betont Haj Hasan und sieht hier viel Bewegung in Jordanien. „Aber wir müssen Frauen, die Barrieren einreißen und Vorbilder sind, noch bekannter machen.“

Frauen wie Aida Al Khattab und Manar Abu Rumman. Beide haben Hürden in einer bisher männerdominierten Gesellschaft genommen. „Wir haben dieses Stigma, das in der Vergangenheit Frauen begrenzt hat, überwunden“, findet Aida Al Khattab. Sie postet täglich über ihre politische Arbeit auf Social-Media-Plattformen, motiviert andere und versprüht viel Optimismus und Entschlossenheit. So wirkt sie auch, als sie sich von uns verabschiedet – als könnte sie keiner stoppen.

Zu folgenden Nachhaltigen Entwicklungszielen (SDGs) der Vereinten Nationen trägt das Vorhaben bei:
SDG 5: Geschlechtergleichheit SDG 16: Frieden, Gerechtigkeit und starke Institutionen SDG 17: Partnerschaften zur Erreichung der Ziele