Interview Abfall
„Jetzt ist Zeit zu handeln“
Geschätzte 100 Millionen Tonnen Plastik und Müll befinden sich bereits in den Ozeanen der Welt. Wie wirkt sich das auf die Meere aus?
Derzeit beträgt das Verhältnis von Plastik zu Fisch in den Ozeanen der Erde 1:5. Allerdings gehen wir davon aus, dass es schon im Jahr 2050 von beidem gleich viel geben wird. Müll kann sich auf verschiedene Weisen auf die Tier- und Pflanzenwelt im Meer auswirken: Tiere nehmen das Plastik zu sich oder verfangen sich darin. Müllteile transportieren Organismen, beschädigen den Meeresboden oder beeinträchtigen die Versorgung von Sauerstoff bestimmter Arten. Plastik kann auch giftige Stoffe freisetzen. Leider wissen wir noch nicht genug über die genauen Auswirkungen. Aber wir können sicher sagen, dass Plastikmüll mehr als 800 Tierarten stark beeinträchtigt.
Nach dem bisherigen Wissensstand, wie beeinflusst Plastik das Leben im Meer?
Es fängt mit Makroplastik an – mit Gegenständen, die deutlich zu erkennen sind, wie Netzen oder Flaschen. Mit der Zeit zersetzt sich dieses Makroplastik und ist dadurch kaum mehr zu erkennen, aber weiterhin in den Ozeanen vorhanden. Diese Mikroplastikteile können verschiedene Wege nehmen, die alle potenziell schädlich für die Tier- und Pflanzenwelt sind: Sie können sowohl von filternden Organismen wie Muscheln als auch von Fischen gefressen werden, die für den Handel gefangen werden und die wir dann konsumieren. Sie können von Mikroorganismen wie Bakterien besiedelt werden, die dadurch in Gegenden außerhalb ihrer übliche Reichweite gelangen. Oder sie können weiter abgebaut werden und chemische Verbindungen freisetzen, die sowohl die Wasserqualität als auch die Gesundheit von Ökosystemen und Meerestieren beeinflussen. Wale sind übrigens ein guter Anhaltspunkt, um mehr über Mikroplastik zu erfahren. Da sie täglich große Mengen an Wasser filtern, gehören sie zu den besten Bioindikatoren.
Wie viel Zeit bleibt, um das Ruder noch herumzureißen, bevor die Ozeane unumkehrbar geschädigt sind?
Nach dem Konzept der sogenannten planetaren Grenzen ist der Zeitraum, der uns bleibt, um eine dauerhafte Destabilisierung der zentralen Ökosysteme zu vermeiden, viel kürzer als ursprünglich gedacht. Vielleicht fünf bis zehn Jahre? Vielleicht sogar weniger. Aus Sicht der Wissenschaft lässt sich das nicht mit Gewissheit vorhersagen. Aber wir können definitiv sagen, dass die Zeit knapp wird. Umgekehrt könnte das Versäumnis, rechtzeitig zu handeln, galoppierende Effekte auslösen und die menschliche Existenz auf der Erde ernsthaft gefährden.
Welche Lösungen gibt es aus wissenschaftlicher Sicht?
Als Erstes müssen wir die Zusammenhänge und Auswirkungen noch besser verstehen, die wir noch nicht gut genug kennen. Ich bin Teil des EU-finanzierten Projekts „Plastic Busters MPAs“ in der Mittelmeerregion, das anfangs auch von der GIZ unterstützt wurde: Wir überwachen zunächst den Meeresmüll, um herauszufinden, wo er gehäuft auftritt. Als Zweites erarbeiten wir mögliche Maßnahmen, um Müll vorzubeugen und zu reduzieren sowie seine Auswirkungen zu vermindern. Gemeinsam mit den Verantwortlichen einiger ausgewählter Meeresschutzgebiete werden wir anschließend potenzielle Lösungen praktisch testen, die dann idealerweise im gesamten Mittelmeerraum übernommen werden. Hoffentlich fließen sie auch in die breitere Politik und Maßnahmen der EU ein. Ich denke etwa an das EU-Kreislaufwirtschaftspaket oder das Verbot von Einweg-Artikeln aus Plastik ab 2021.
Die meisten Lösungen benötigen Zeit. Zeit, die wir – wie Sie sagen – nicht haben. Was ist kurzfristig machbar?
Das lässt sich mit drei Worten sagen: reduzieren, wiederverwenden, recyceln. Darüber hinaus ist wichtig, das Umweltbewusstsein der Menschen überall auf der Welt und über alle Schichten der Gesellschaft hinweg zu schärfen.
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