Die Generaldirektion für Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe in Belgien plant, steuert und beaufsichtigt die öffentliche Entwicklungszusammenarbeit der belgischen Regierung. Umgesetzt wird die Entwicklungszusammenarbeit durch und mit verschiedenen Partnern, darunter auch der belgischen Durchführungsorganisation Enabel, der „Schwesterorganisation“ der GIZ. In Belgien ist die Entwicklungszusammenarbeit im Außenministerium verankert.
„Investition in unsere gemeinsame Zukunft“
Heidy Rombouts, Generaldirektorin für Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe im belgischen Außenministerium, über Prioritäten der belgischen EU-Ratspräsidentschaft, das Team Europe und warum es wichtig ist, manchmal die Perspektive zu ändern
Frau Rombouts, in der ersten Hälfte des Jahres 2024 hat Belgien den EU-Ratsvorsitz in Brüssel inne. Was sind die Prioritäten bei der europäischen Entwicklungszusammenarbeit?
Die belgische Präsidentschaft stellt vor allem den Aufbau und die Förderung von nachhaltigen, für beide Seiten vorteilhaften und echten Partnerschaften in den Mittelpunkt. Sie sind für Europa bedeutsam, insbesondere im aktuellen geopolitischen Kontext. Angesichts der Mehrfachkrisen und des veränderten internationalen Gleichgewichts sind Partnerschaften auf der Grundlage eines soliden politischen Dialogs und eines langfristigen Engagements die wichtigste Aufgabe auch meiner Generaldirektion. Die Investition in diese Partnerschaften ist eine dringend notwendige Investition in unsere gemeinsame Zukunft.
Können Sie dazu ein konkretes Beispiel geben?
Während der Corona-Pandemie haben wir alle gelernt, dass „niemand sicher ist, bis alle sicher sind“. Anfang Februar 2024 ist eine Team-Europe-Gesundheitsmission zur Afrikanischen Union (AU) nach Addis Abeba gereist. EU-Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides und unsere Ministerin für Entwicklungszusammenarbeit, Caroline Gennez, leiteten diese Team-Europe-Mission. Wir wurden von Kommissarin Minata Samaté Cessouma von der AU und dem Generaldirektor der Afrikanischen Zentren für Krankheitskontrolle und Prävention, Jean Kaseya, empfangen. Es ging darum, gemeinsam in die globale Gesundheit zu investieren. Dazu soll die lokale Herstellung von medizinischen Produkten ausgeweitet werden. Wenn hochwertige Produkte wie Impfstoffe und Medikamente verfügbar sind, dann ist das für den Schutz der Gesundheit der Menschen in Afrika und Europa von Vorteil.
Wie will der belgische Ratsvorsitz den Team-Europe-Ansatz weiter fördern und wie sehen Sie die Rolle von Agenturen für internationale Zusammenarbeit wie der GIZ?
Wenn wir uns die Welt von heute ansehen, müssen wir feststellen, dass die internationale Zusammenarbeit in den Fokus gerückt ist. Viele der großen Kernherausforderungen auf der internationalen Agenda betreffen auch Bereiche der Entwicklungszusammenarbeit: globale Gesundheit, Klima, Sicherheit und Stabilität. Dies bietet enorme Chancen, bringt aber natürlich auch eine große Verantwortung mit sich. Vor allem in Zeiten, in denen der Bedarf die verfügbaren finanziellen Mittel übersteigt. Hier kommt Team Europe ins Spiel: Wir müssen unsere Kräfte für ehrliche Partnerschaften bündeln und den Mehrwert jedes einzelnen Akteurs einbringen. Die globalen Herausforderungen sind zu komplex, als dass es Lösungen aus einer Hand geben könnte. Hier kommen Durchführungsorganisationen wie die GIZ und Enabel, die belgische Entwicklungsagentur, ins Spiel, gemeinsam mit anderen Akteuren. Solide Partnerschaften erfordern ein solides Engagement und lassen sich nicht durch das Ein- und Ausfliegen von Lehrkräften oder anderen Expert*innen aufbauen. Erfahrene Teams mit langer Erfahrung vor Ort sind wichtig. Ich glaube an gemeinsames und gegenseitiges Lernen, Seite an Seite, in dem Bewusstsein, dass der Fortschritt nie linear verläuft. Statt kurzfristigen Ansätzen, die sich mit Symptomen befassen, sollten wir auf solide Investitionen in Langzeitlösungen setzen.
Wie will die belgische Ratspräsidentschaft die am wenigsten entwickelten Länder unterstützen und solche Regionen, die als fragil gelten?
Die am wenigsten entwickelten Länder sind ein wichtiger Schwerpunkt unserer internationalen Zusammenarbeit und Belgien engagiert sich weiterhin in fragilen Kontexten. Wir müssen anerkennen, dass das Patentrezept für die Arbeit in diesem Umfeld noch nicht gefunden wurde. In den kommenden Wochen werden Diskussionen darüber stattfinden, wie wir uns verbessern und gemeinsam besser investieren können. Das sind Themen auch auf den Sitzungen der europäischen Gruppe „Entwicklungszusammenarbeit und internationale Partnerschaften – CODEV-PI“. Diese Gespräche müssen über den belgischen Ratsvorsitz hinaus fortgesetzt werden. Ich freue mich darauf, den Austausch mit Deutschland, einschließlich der GIZ, aufzubauen und verschiedene Teile des komplexen Puzzles zusammenzubringen.
Was ist aus Ihrer Sicht entscheidend, um Fortschritt zu erzielen?
Selbstreflexion. Das scheint mir zentral, um unsere Arbeit in fragilen Umgebungen zu verstehen und zu organisieren, insbesondere im aktuellen geopolitischen Kontext. Wir müssen uns darüber im Klaren sein, wie wir wahrgenommen werden können. Ich möchte hier auf den belgischen surrealistischen Maler Magritte und eines seiner berühmten Gemälde verweisen. Es zeigt eine Pfeife, aber es steht dabei: „Ceci n’est pas une pipe“ – das ist keine Pfeife. Wir müssen es wagen, die Perspektive zu wechseln, um zu verstehen, dass viele Dinge aus verschiedenen Blickwinkeln anders gesehen werden können.