„Eine erstaunliche Veränderung“
Indonesien zählt zu den stabilsten Ländern Asiens. Landesdirektor Martin Hansen erläutert die Gründe dafür und erklärt, warum die GIZ dort weiter aktiv ist.
Sie sind seit 2019 GIZ-Landesdirektor in Indonesien und waren vor zwanzig Jahren schon einmal dorthin entsandt. Wie hat sich das Land in der Zeit verändert?
Ich habe damals den Übergang von Präsident Suharto, der das Land mehr als 30 Jahre lang diktatorisch regiert hatte, in eine neue Ära erlebt. Das war ein spannender Vorgang. Seither hat der Inselstaat nicht nur wirtschaftlich, sondern auch politisch und gesellschaftlich eine rasante Entwicklung genommen.
Was ist heute anders als früher?
Indonesien ist in der Zeit in der Rangliste der größten Volkswirtschaften immer weiter nach oben geklettert und befindet sich heute auf Platz 16, noch vor den Niederlanden, der Türkei oder der Schweiz. Das ist schon eine erstaunliche Veränderung.
Wie sieht es politisch aus? Ein Blick in die Region zeigt, dass Wirtschaftswachstum nicht unbedingt mit individuellen Freiheiten und Demokratie einhergehen muss.
Ich halte Indonesien für eine mittlerweile gewachsene Demokratie, die einzige übrigens unter den zehn ASEAN-Staaten – dem Verband Südostasiatischer Nationen. Es werden regelmäßig Wahlen abgehalten, die ohne größere Unregelmäßigkeiten ablaufen und in den vergangenen Jahren immer internationalen Standards entsprachen. Seit dem Ende des Suharto-Regimes gab es verschiedene Machtübergaben mit inzwischen vier Präsidenten und einer Präsidentin. Die nächste findet im kommenden Februar statt. Präsident Joko Widodo wird nach zwei Amtsperioden nicht wieder für das Amt kandidieren.
Manche sehen Indonesien in einer demokratischen Regression, nicht zuletzt, weil es vergangenes Jahr Änderungen im Strafrecht gab. Diese schränken individuelle Rechte ein und verbieten zum Beispiel vorehelichen Geschlechtsverkehr oder das Zusammenleben Nichtverheirateter. Teilen Sie diese Sicht?
Die Änderungen im Strafrecht gab es, das stimmt. Aber hier ging es mehr darum, rechtskonservative fundamentalistische Kräfte ruhigzustellen, die sonst vielleicht Ärger machen könnten. Die Änderungen hatten also einen klaren Adressatenkreis. In der Praxis hat das keine große Relevanz. Ich halte das eher für ein taktisches Vorgehen.
Genießen Indonesier*innen die Freiheiten, die man aus stabilen Demokratien kennt?
So ist es. Hier schreibt kein Sittenwächter den Menschen vor, was sie anzuziehen haben. Und das würden sich die Indonesier*innen auch nicht sagen lassen. Sie schätzen ihre Freiheiten. Ich erlebe dieses 280-Millionen-Volk als sehr tolerant. Es ist muslimisch geprägt, aber die Staatsphilosophie lautet: Bhinneka Tunggal Ika, Einheit in Vielfalt. Das Land ist hoch divers, geografisch, ethnisch und religiös, aber die verschiedenen Gruppen finden sich immer wieder unter dieser Staatsphilosophie zusammen. Das Wirtschaftswachstum, das Wohlstand schafft, ist ein nicht zu unterschätzender Kitt dafür.
Wir sollten unsere Beziehungen zu Indonesien weiter ausbauen. Das Land ist für uns ein Stabilitätsanker in der Region.
Landesdirektor Martin Hansen mit Ibu Nani Hendiarti, der stellvertretenden indonesischen Ministerin für Umweltmanagement und Forstwirtschaft
Gibt es interne Konflikte, die Sorgen bereiten?
Tatsächlich flackern hier und da kleinere Konflikte auf wie in Papua, einer Provinz ganz im Osten Indonesiens. Da kommt es gelegentlich zu Unruhen, aber im Großen und Ganzen gilt Indonesien als friedliches Land.
Wie steht es um die Effizienz des Staates? Wie stark sind die Institutionen dort?
Auch hier hat sich einiges getan. Vor zwanzig Jahren waren die Partner, mit denen wir zusammengearbeitet haben, eher leidenschaftslos, ohne genaue Vorstellung, wohin sie steuern. Heute bietet sich hier ein vollkommen anderes Bild: Wir haben es mit Entscheidungsträger*innen zu tun, die sehr genau wissen, wo sie hinwollen. Und zwar strebt Indonesien an, bis 2040 eine grüne Volkswirtschaft zu sein. Dafür gibt es eine sehr klare Strategie und einen starken Willen, das auch umzusetzen.
Aber arbeiten die staatlichen Stellen auch effizient und vor allem sauber? Man hört immer wieder von Korruption.
Indonesien hat hier einen großen Sprung gemacht, das kann ich aus eigener Anschauung bestätigen. Aber damit ist die Reise nicht zu Ende. Institutionen leben von der Exzellenz ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Beim Personal ist das Land noch nicht überall am Limit. Auch was die Geschwindigkeit bei Entscheidungen angeht, besteht noch Luft nach oben. Korruption ist ein Thema, das bestreitet hier auch niemand. Aber man will es angehen und hat deswegen eine Antikorruptionsstelle eingerichtet. Das ist wichtig, schon um weiter attraktiv für ausländische Investoren zu bleiben. Insgesamt ist klar, dass die Arbeit staatlicher Stellen in zwanzig Jahren deutlich besser geworden, aber noch nicht gut genug ist.
Indonesien ist ein aufstrebendes Land. Warum sollten dennoch deutsche Steuergelder dorthin fließen?
Während wir früher noch stark beim Aufbau von staatlichen Kapazitäten unterstützt haben, geht es heute vor allem um sogenannte globale Güter. Indonesien gehört zu den waldreichsten Ländern der Erde. Was damit geschieht oder nicht geschieht, hat Auswirkungen für uns alle. Deshalb engagieren wir uns hier vor allem in Klima- und Energieprojekten sowie beim Schutz der Umwelt und Ressourcen. In den drei Sektoren Energiewende, resiliente Natur und grüne Infrastruktur bieten wir integrierte Lösungen an und tragen damit zur Lösung globaler Herausforderungen bei.
Könnte man Ihre Sicht folgendermaßen zusammenfassen: Indonesien ist ein modernes, muslimisch geprägtes Land mit stabiler Demokratie und einer guten Wirtschaftsperspektive?
Das trifft es gut und mit diesen Eigenschaften kann Indonesien auch als Vorbild für andere Länder dienen. In Deutschland schätzt man Indonesien als wirtschaftlich starken Wertepartner noch zu wenig. Wir sollten unsere Beziehungen weiter ausbauen und erkennen, dass das Land für uns ein Stabilitätsanker in der Region ist.