Das Pilotprojekt „Kompensation für Elektroschrott als internationaler Finanzierungsmechanismus in Nigeria“ ist ein pragmatisches Beispiel für innovative und skalierbare Lösungen zum Aufbau einer Kreislaufwirtschaft, das von der PREVENT Waste Alliance angestoßen wurde. Als Plattform für den Wissensaustausch und die internationale Zusammenarbeit bringt sie Organisationen aus dem Privatsektor, der Wissenschaft, der Zivilgesellschaft und öffentlichen Einrichtungen entlang globaler Wertschöpfungsketten zusammen. Das PREVENT-Sekretariat wird von der GIZ gemanagt. Die PREVENT Waste Alliance wurde vom deutschen Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) ins Leben gerufen.
„Recycling ist auch eine Frage von sozialer Gerechtigkeit“
Das Öko-Institut Freiburg hat ein Pilotprojekt zu Elektroschrott begleitet. Experte Andreas Manhart über Erkenntnisse, die Frage nach Finanzierung und Verantwortung.
Herr Manhart, was ist der innovative Ansatz des Pilotprojekts in Nigeria?
Wer Elektroschrott sachgerecht behandelt, bekommt einerseits werthaltige Fraktionen wie kupferhaltige Leiterplatten und Kabel. Das geht zurück in den Kreislauf.
Dann gibt es allerdings auch einen beträchtlichen Anteil nicht werthaltiger Bestandteile, die Schadstoffe enthalten. In der Hintergrundbeleuchtung alter Bildschirme ist beispielsweise Quecksilber, das beim Bruch der Lampen in die Umgebung entweicht. Das Auffangen und die sachgerechte Entsorgung bringen kein Geld, im Gegenteil, die professionelle Entsorgung kostet. Und hier kommt das Pilotprojekt ins Spiel.
Wie genau?
Professionelle Recycler*innen müssen alle Fraktionen von Elektroschrott sachgerecht managen. Dazu bedarf es in der Regel einer Zuzahlung. Recycler*innen können nur dann wirtschaftlich arbeiten, wenn auch ihre Leistung der hochwertigen Schadstoffentsorgung mit vergütet wird.
Wir konnten zeigen, dass auch in Lagos sachgerechtes Recycling möglich ist, wenn es einen solchen zusätzlichen Finanzierungsstrom gibt. Ganz praktisch haben wir uns für Bildschirme entschieden, weil sie relativ komplex sind. Wer Bildschirme recyceln kann, kann im E-Schrott-Bereich so ziemlich alles managen. Das konnten wir beispielhaft zeigen.
Wie geht es jetzt nach dem Ende des Pilotprojekts weiter?
Mit dem Ende des Pilotprojekts läuft bei den beteiligten Unternehmen Closing the Loop, Hinckley und Verde Impacto Nigeria die Arbeit weiter. Closing the Loop hat eine freiwillige Kompensationskomponente für Elektroschrott entwickelt, die die Mittel dafür auch über das Projektende hinaus sichert. Aber die Frage der Zukunft ist, ob ein solches Projekt ein systematischer Schritt zu etwas Größerem ist. Kann ein breites Finanzierungssystem etabliert werden, das ein flächendeckend hochwertiges Recycling ermöglicht?
„Letztendlich ist es ein hochpolitisches Thema: Wer zahlt für das sachgerechte Recycling von E-Schrott?“
Wie wichtig ist die politische Komponente, etwa Gesetze, die den Umgang mit Elektroschrott regeln?
Unsere Aufgabe ist es nicht, Lobbyarbeit zu betreiben. Die Entscheidung, wie man mit lokal anfallendem Elektroschrott umgeht, muss in Nigeria getroffen werden. Uns ist wichtig zu zeigen: Es ist ein Sektor, der nur mit gut durchdachten Finanzierungsinstrumenten funktioniert. Es gibt keine Wundermaschine, die aus Dreck Gold macht. Aus mit Flammschutzmitteln belasteten Kunststoffen lassen sich keine wertvollen Rohstoffe zaubern. Schadstoffe müssen gemanagt werden und dazu sind neben technischen Lösungen eben auch Finanzmittel nötig.
Letztendlich ist es ein hochpolitisches Thema: Wer zahlt für das sachgerechte Recycling von E-Schrott? Wenn nichts getan wird, kommt es zur Freisetzung von Schadstoffen und damit „bezahlen“ die Menschen mit ihrer Gesundheit. Und das sind zumeist ausgerechnet die Bevölkerungsgruppen, die am wenigsten konsumieren. Sachgerechtes Recycling ist also auch eine Frage von sozialer Gerechtigkeit.