Image
„Die Hochsee sichert das menschliche Überleben“
Interview

„Die Hochsee sichert das menschliche Überleben“

Schutz der Meere: Gunnar Finke und Jan Kleine Büning erklären das neue UN-Abkommen zum Schutz der Hohen See und seine Bedeutung für die Arbeit der GIZ.

Interview: Ulrike Scheffer

Die GIZ unterstützt ihre Partnerländer beim Schutz küstennaher Gewässer. Sie arbeitet auch international am Erhalt der marinen Ökosysteme mit. Mit dem im Juni beschlossenen UN-Abkommen zum Schutz der Hohen See kommen neue Aufgaben auf sie zu. Das Übereinkommen über die biologische Vielfalt der Meere in Gebieten außerhalb nationaler Hoheitsgewalt (Biodiversity Beyond National Jurisdiction, kurz BBNJ) bildet den Rechtsrahmen für den Schutz und die nachhaltige Nutzung von Biodiversität im größten Teil der Ozeane. Die GIZ-Experten Gunnar Finke und Jan Kleine Büning erklären, welche Chancen in dem Abkommen liegen und was die GIZ zur Umsetzung beitragen kann.

Herr Finke, Herr Kleine Büning, im Juni hat die Staatengemeinschaft ein Übereinkommen zum Schutz der Hohen See beschlossen. Es betrifft den Teil der Weltmeere, in dem die Küstenstaaten keine Hoheitsgewalt haben. Wie wichtig ist dieses Abkommen?

Gunnar Finke: Dieser Beschluss ist ein großer Erfolg für den Erhalt der Biodiversität – und ein tolles Signal, dass die Weltgemeinschaft trotz der Vielzahl multilateraler Krisen in der Lage ist, globale Herausforderungen gemeinsam anzugehen. Es zeigt auch: Die Meere sind ein Element, das die Menschheit verbindet und sie zusammenbringt.

Jan Kleine Büning: Die Hochsee ist Lebensraum für unzählige Arten. Meerestiere nutzen unterschiedliche Gegenden im Ozean, um sich zu ernähren oder sich fortzupflanzen. Viele Arten legen während ihres Lebens große Entfernungen zwischen den Kontinenten zurück. Das unterstreicht, dass wir es mit einem zusammenhängenden Ökosystem zu tun haben. Deshalb ist es so wichtig, nicht nur Regeln für die Nutzung küstennaher Gewässer, sondern auch für weiter entfernte Meeresflächen festzulegen.

 

Welche Bedeutung hat die Hochsee für den Menschen?

Gunnar Finke: Die Hochsee umfasst fast die Hälfte der Erdoberfläche. Allein das untermauert ihre Bedeutung. Sie macht den Großteil der Weltmeere aus, die eine wahre Schatztruhe und zugleich unsere Lebensversicherung sind. Die Meere ernähren Milliarden von Menschen, außerdem binden sie etwa ein Drittel der weltweit jährlich entstehenden CO2-Emissionen. Sie haben eine wichtige Funktion als Klimaregulator. Egal wo in der Welt wir uns aufhalten: Der größte Teil des Sauerstoffs, den wir einatmen, wird vom pflanzlichen Plankton der Meere produziert.

Jan Kleine Büning: Die biologische Vielfalt in der Tiefsee und am Meeresboden der Hohen See sind teilweise noch unerforscht. Wir wissen über die Tiefsee weniger als über das Weltall. Es werden dort immer wieder Lebewesen entdeckt, die sehr nützlich sind. Dazu gehören etwa Bakterien oder Schwämme, die für die Entwicklung neuer Antibiotika hilfreich sein können. Eine gesunde Hochsee ist daher für unser Wohlergehen und letztlich für das menschliche Überleben fundamental.

Image
Gunnar Finke

Gunnar Finke leitet das Meeresschutzteam des Sektorvorhabens Biodiversität-Umwelt-Meere. Es berät das Bundesentwicklungsministerium unter anderem bei der Ausgestaltung seiner Entwicklungspolitik im Bereich Schutz und nachhaltige Nutzung der Meere.

Das neue Abkommen bildet die Grundlage dafür, Schutzgebiete in der Hochsee auszuweisen. Wie relevant ist das für die internationale Zusammenarbeit?

Jan Kleine Büning: Es gibt hier viele Anknüpfungspunkte. Wenn schützenswerte Gebiete sowohl innerhalb als auch außerhalb nationaler Hoheitsgewalt liegen, dann müssen Meeresschutzmaßnahmen über juristische Grenzen hinweg für den zusammenhängenden Lebensraum gedacht und gemeinsam mit den Küstenstaaten umgesetzt werden.

 

Welche Rolle kann die GIZ dabei künftig übernehmen?

Gunnar Finke: Das Abkommen schafft erstmals einen Rahmen für die internationale Zusammenarbeit auf Hoher See. Dieser muss mit Leben gefüllt werden. Die GIZ kann daran mitwirken, denn sie berät ihre Partnerländer schon heute bei Schutzmaßnahmen im Rahmen regionaler Meeresschutzkonventionen und beim Aufbau einer nachhaltigen Fischereiwirtschaft. Gleichzeitig ist die GIZ Teil eines globalen Netzwerks von Organisationen, die sich für den Meeresschutz einsetzen. Es gibt also Erfahrungen, Wissen und etablierte Partnerschaften, die wir bei der Umsetzung des Abkommens einbringen können.

 

Wie geht es nun weiter und wo gibt es konkrete Bezüge zur Arbeit der GIZ?

Gunnar Finke: Die Weltgemeinschaft hat sich vorgenommen, bis 2030 insgesamt 30 Prozent der globalen Meeresfläche unter Schutz zu stellen. Das Hochseeschutzabkommen öffnet hier eine neue Tür und liefert eine notwendige rechtliche Grundlage. Bei der konkreten Ausweisung und dem Management von Hochseeschutzgebieten kann die GIZ auf ihre Expertise aus der Beratung ihrer Partnerländer beim Meeresschutz zurückgreifen. Was wir bisher im nationalen und regionalen Rahmen umgesetzt haben, kann angepasst auf die Hohe See übertragen werden.

Jan Kleine Büning: Das gilt zum Beispiel für die marine Raumplanung: Wo und wann darf gefischt werden, wo nicht, welche Bereiche sollen von Schiffen wann gemieden werden, wo sollten Schutzzonen entstehen, wo können Rohstoffe gefördert werden. Das sind Fragen, bei denen wir unsere Partnerländer beraten und die sich auch für die Hohe See stellen.

 

Was kann die GIZ tun, damit ihre Partnerländer von dem Abkommen profitieren?

Gunnar Finke: Wir sehen uns als Mittler, Vernetzer und Berater, der Brücken schlägt zwischen der Hohen See und den Regionen mit ihren Küsten- und Inselstaaten. Der Wissens- und Kapazitätstransfer muss in beide Richtungen stattfinden. Die Erfahrungswerte aus der Umsetzung des Hochseeschutzabkommens können perspektivisch auch nationale und regionale Schutzmaßnahmen unserer Partnerländer stärken. Die GIZ kann dazu beitragen, diesen Transfer sicherzustellen.

Image
Kleine Büning

Jan Kleine Büning leitet in Ecuador das vom Bundesumweltministerium finanzierte Regionalvorhaben „Save the Blue Five“. Es setzt sich für den Schutz von Walen, Haien, Rochen, Meeresschildkröten und Delfinen im Südostpazifik ein.