Nordirak
Helfende Hände
Es ist kurz nach 8 Uhr morgens. Auf dem Hof von Landwirt Hassan Othman Pirmam in Bastoora, nahe Erbil im Nordirak, drängen 200 Schafe und Ziege aus den Ställen. Rundherum locken Wiesen, die jetzt im Frühjahr saftig grün sind. Doch ehe die Tiere grasen können, ist noch Melkzeit.
Die Tiere harren geduldig aus, bis Schäfer Mahmood Said Hussein eines nach dem anderen Richtung Melkmaschine treibt. Seine Frau Huda Ali Khalaf greift sich eines der Schafe und stülpt die Melkbecher über die Zitzen. Dann rinnt die Milch auch schon in gleichmäßigem Strahl in den Behälter. Der ist fest in die Maschine integriert und kann nicht umkippen. Ein großer Vorteil, sagt Khalaf: „Bis vor einem Monat habe ich jeden Morgen die Tiere mit der Hand gemolken. Ganz ärgerlich war es, wenn die Tiere beim Herumzappeln den Milcheimer umgeworfen haben. Jede Woche haben wir auf diese Weise einige Liter Milch verloren.“
Ein großer Vorteil, sagt Khalaf: „Bis vor einem Monat habe ich jeden Morgen die Tiere mit der Hand gemolken. Ganz ärgerlich war es, wenn die Tiere beim Herumzappeln den Milcheimer umgeworfen haben. Jede Woche haben wir auf diese Weise einige Liter Milch verloren.“
Nur noch halb so viel Zeit beim Melken
Um alle 200 Tiere zu melken, war Khalaf früher fast drei Stunden beschäftigt. Die mühevolle Arbeit hatte ihr bereits eine chronische Sehnenscheidenentzündung beschert. Inzwischen klingen die Schmerzen in ihrem Arm ab und der Zeitaufwand zum Melken hat sich halbiert. Das liegt an der elektrisch betriebenen Melkmaschine, die seit Frühjahr 2018 bei Bauer Pirmam im Einsatz ist.
Die Ausstattung von Landwirten mit Melkmaschinen ist ein Beispiel für schnell realisierbare und rasch wirkende Projekte, die die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH hier umsetzt. Damit soll die Lebenssituation von Flüchtlingen, Binnenvertriebenen und Menschen in den aufnehmenden Dörfern im Nordirak verbessert werden.
Finanziert werden die verschiedenen Vorhaben vom regionalen EU-Treuhandfonds in Erwiderung auf die Syrienkrise, auch bekannt unter dem Namen „Madad“-Fonds, und dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung.
Neubeginn beim Bauern
150 Bauern in der Region haben Melkmaschinen bekommen. Sie alle beschäftigen syrische Flüchtlinge oder irakische Binnenvertriebene. Vor allem für die 530 Frauen, die die Tiere melken, ist die tägliche Arbeit deutlich leichter geworden. Das kann Khalaf aus eigener Erfahrung bestätigen.
Seit Juli 2013 lebt die Mutter von sieben Kindern schon im Nordirak. Die Syrerin flüchtete mit ihrer Familie vor der Terrormiliz „Islamischer Staat“ und dem Bürgerkrieg in ihrem Heimatland. „Doch wir hatten einfach wahnsinniges Glück“, sagt sie rückblickend. Innerhalb von nur einer Woche haben ihr Mann und sie bei Bauer Pirmam einen Job gefunden: Hussein als Schaf- und Ziegenhirte, während Khalaf sich um das Melken und die Käse- und Joghurtproduktion kümmert. Ein eigenes Haus auf dem Land von Pirmam und 500.000 irakische Dinar Gehalt pro Monat – das sind knapp 360 Euro – haben den Neubeginn erleichtert.
Gutes Geschäft mit Käse und Joghurt
Aus Primams Sicht ist das nicht nur für die Flüchtlinge ein Glücksfall, sondern auch für ihn: „Die Chemie zwischen uns hat von Anfang an gestimmt. Der Mann hat viel Erfahrung in seinem Job und macht seine Sache fantastisch. Seine Frau weiß, wie man guten Ziegenkäse herstellt und leckeren Joghurt aus Schafsmilch. Ich muss mich um nichts mehr kümmern, sondern kann mich jetzt den anderen Aufgaben auf dem Hof widmen.“
Neben der Viehwirtschaft baut der Bauer Weizen und Gerste auf seinen 25 Hektar Land an. Aussaat, Pflege und Ernte halten ihn in Atem, so dass er froh ist, mit der syrischen Familie helfende Hände gefunden zu haben. Schon in Syrien hatte Khalafs Familie Schafe und Ziegen. Daher kennt sie das Geschäft und konnte bei Pirmam sofort voll einsteigen. Im Frühjahr, wenn die Wiesen grün sind und die Tiere viel Milch geben, produziert Khalaf 20 Kilogramm Ziegenkäse und 40 Kilo Schafsjoghurt pro Tag. Die verkauft Pirmam für 280.000 Dinar, rund 200 Euro.
Je weiter der Sommer voranschreitet, umso mehr geht das Futterangebot zurück. Die Tiere geben weniger Milch. Später im Jahr halbiert sich der Ertrag, im Winter liegt er bei Null. Dennoch seien die Milchprodukte ein gutes Geschäft, betont der Landwirt: „Wir fahren einige Monate gute Gewinne damit ein. Mit der Melkmaschine hat sich auch die Ausbeute an Milch erhöht.“ Der Grund: Die Maschine wird nicht müde, sie melkt bis zum letzten Tropfen gleichmäßig und regt so auch die Euter der Tiere an, mehr Milch zu produzieren.
Die Kinder fühlen sich im Nordirak zu Hause
Bauer Pirman kümmerte sich von Anfang an um die Flüchtlingsfamilie. Bei der Schulbehörde setzte er sich dafür ein, dass die sieben Kinder Förderunterricht bekamen. Sie hatten durch die Flucht Unterrichtsstoff verpasst und mussten zunächst die neue Sprache – Sorani – lernen.
Die Mutter erinnert sich: „Für die Kinder war es zunächst schwer, in ihrer neuen Umgebung heimisch zu werden.“ Doch das ist längst Vergangenheit: „Sie leben inzwischen mit den Kindern des Bauern wie Geschwister zusammen. Mit geht es ebenfalls gut. Wir sind in der Gemeinde gut integriert.“ Ob sie sich eine Rückkehr nach Syrien vorstellen kann? Die junge Frau denkt lange nach: „Ich glaube nicht. Nichts ist dort mehr wie zuvor. In Bastoora ist unser neuer Lebensmittelpunkt, hier sind wir glücklich.“
Ansprechpartner: Jenny Hornisch, jenny.hornisch@giz.de
August 2018