Reportage

Ein Dorf rettet seinen Dschungel

Der Tropenwald in Laos ist ein Schatz. Aber Brand­rodung setzt ihm zu. Unterwegs bei Menschen, die die Bäume schützen.

Text: Mathias Peer Fotos: Peter Livermore

In Sandalen und gemustertem Rock wandert Tong Yang durch den laotischen Tropenwald und lässt dabei ihren Blick konzentriert über das Gebüsch neben dem lehmigen Trampelpfad schweifen. Vorsichtig schiebt die junge Frau ein paar Äste zur Seite – in der Hoffnung, auf der Suche nach ihrem Abendessen schnell fündig zu werden. Schließlich ist gerade Regenzeit und das bedeutet: Pilzsaison. Im Schatten hochgewachsener Scheinkastanien erkennt Tong Yang einen vielversprechenden roten Schimmer. Ein Volltreffer: Sie holt gleich mehrere Handvoll Pilze aus dem Boden. Jetzt müsse sie sich nur noch überlegen, ob sie die Ausbeute braten oder doch lieber Suppe daraus machen wolle, sagt die 28-Jährige.

Der leichte Zugang zu fruchtbaren Wäldern wie am Rand von Tong Yangs Heimatgemeinde Khangkhao ist in Laos keine Selbstverständlichkeit mehr. Zwar verfügt der rund sieben Millionen Einwohner*innen zählende Staat über den höchsten Waldanteil am südostasiatischen Festland. Doch der Dschungel ist in den vergangenen Jahrzehnten stark geschrumpft. Mitte der 1960er Jahre waren noch 70 Prozent des gesamten Staatsgebiets mit Wäldern bedeckt. Nun sind es nur noch 58 Prozent und viel davon deutlich geschädigt.

Brandrodung für den Ausbau der Landwirtschaft gilt als einer der Haupttreiber der Entwicklung – auch in Khangkhao sind die kahlen Flächen in den vergangenen Jahren immer größer geworden. Zusammen mit anderen Dorfbewohnerinnen und -bewohnern will Tong Yang dabei helfen, den Trend umzukehren. „Der Wald bringt uns frische Luft, er bringt uns Nahrung“, sagt sie, während sie ein paar Wurzeln ausgräbt, die sie auf dem Markt als traditionelle Medizin verkaufen kann. „Natürlich müssen wir dafür sorgen, dass er erhalten bleibt.“

Unterstützt werden die Waldschützerinnen und -schützer durch ein Projekt, das die GIZ im Auftrag des Bundesentwicklungsministeriums (BMZ) und mit finanzieller Unterstützung des Grünen Klimafonds in Laos umsetzt. 240 Gemeinden arbeiten inzwischen für eine nachhaltige Land- und Forstwirtschaft. Ziel ist es, die Waldzerstörung zu stoppen, dadurch Millionen Tonnen Treibhausgase einzusparen – und gleichzeitig die Lebensverhältnisse der lokalen Bevölkerung zu verbessern.

240
Gemeinden
arbeiten in Laos inzwischen mit GIZ-Fachleuten für eine nachhaltige Land- und Forstwirtschaft. Ziel ist es, die Waldzerstörung zu stoppen und mehrere Millionen Tonnen Treibhausgase einzusparen.

Green Climate Fund

Der Grüne Klimafonds (Green Climate Fund, GCF) stellt Geld für Klimaprojekte in Entwicklungsländern bereit – sowohl zur Minderung von Treibhausgasen als auch zur Anpassung an den Klimawandel. Damit werden die Länder bei der Umsetzung des Pariser Klimaschutzabkommens unterstützt. Deutschland ist einer der wichtigsten Geber des Fonds. Das Waldschutzprojekt in Laos ist ein Beispiel, wie ein Land dabei unterstützt wird, wertvolle Wälder zu schützen. Der Dschungel bietet der ländlichen Bevölkerung eine Lebensgrundlage. Und jeder Baum trägt dazu bei, Kohlenstoff zu binden und so das klimaschädliche CO2 in der Atmosphäre zu reduzieren.

GIZ-Kontakt: Jens Kallabinski, jens.kallabinski@giz.de
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Laos Huapanh Forest

Einfach ist das Leben in der Region nicht. Khangkhao liegt in der Provinz Houaphan, die zu den ärmsten Gegenden des Landes zählt. Tong Yang ist fünffache Mutter – ihr erstes Kind bekam sie bereits mit 18. Zusammen mit ihrem Mann verdiente sie früher ihr Geld hauptsächlich mit dem Reisanbau. Doch mit den Erlösen kam die Familie nur knapp über die Runden – und die nährstoffarmen Böden lieferten nur für ein paar Jahre verlässliche Ernten. Wie viele in der Region, die wegen der hügeligen Landschaft vor allem Trockenreisanbau betreiben, musste sich Tong Yang deshalb regelmäßig neue Felder suchen – und rodete auch selbst Waldstücke, um Platz für die Anbauflächen zu schaffen. Doch das ist Vergangenheit.

Das Waldschutzprojekt half ihr, eine Alternative aufzubauen: Mit einem schwarzen Plastikeimer voll Schweinefutter marschiert Tong Yang auf einem zwei Kilometer langen Fußweg zu einem Hang, auf dem früher ihr Reis wuchs. Inzwischen ist das Gelände eingezäunt und beheimatet eine kleine Rinderherde, Hühner und Schweine. Tong schüttet eine Tüte Viehsalz über ein Holzbrett und wird kurz darauf von den Kühen umringt, die zu ihrer neuen Lebensgrundlage geworden sind. Wie die Zucht der Tiere funktioniert, welche Medikamente und Impfungen sie brauchen und wie sich Gras als Futter anpflanzen lässt, hat die Bäuerin gemeinsam mit anderen aus dem Dorf von Landwirtschaftsexpertinnen und -experten der GIZ und der lokalen Forstbehörde gelernt. Mit dem Verkauf der ausgewachsenen Tiere verdiene sie nun deutlich mehr als früher mit dem Reis, sagt sie. In guten Monaten könne sie umgerechnet sogar mehrere Hundert Euro zurücklegen. Dass Tong Yang nun nicht mehr gezwungen ist, Wald zu zerstören, um neue Reisfelder zu erschließen, ist ein Gewinn – nicht nur für die Landwirtin, sondern auch für die Umwelt.

Länder-Wiki
Land: Laos
Hauptstadt: Vientiane
Bevölkerung: 7,4 Millionen
Rang im Human Development Index: 140 von 191
Rang im Index der Klimaanfälligkeit (ND-GAIN): 137 von 182
Quelle: Weltbank, HDR, ND-GAIN

In ihrer Gemeinde setzt sich Tong Yang nun aktiv für den Schutz des Dschungels ein. In einer Holzhütte mit Wellblechdach, die als Gemeindezentrum dient, trifft sie sich an einem Donnerstagvormittag mit ihren Mitstreiterinnen und Mitstreitern. Dorfvorsteher Yerdongxai Nengyang hat zu der Versammlung geladen, um eine Zwischenbilanz zu ziehen. Aus einem eng beschriebenen Notizbuch trägt er die wichtigsten Aktivitäten der vergangenen Monate vor: Budgetplanung für die Forstverwaltung, Vorbeugung von Waldbränden und Kontrollgänge im Schutzgebiet. Probleme gebe es mit einer Nachbargemeinde, die die Waldgrenzen nicht akzeptiere, fügt er hinzu. Das müsse jetzt mit Hilfe der lokalen Behörden geklärt werden, sagt der Dorfvorsteher.

Klarheit darüber, wer für welches Gebiet zuständig ist und wie die Flächen genutzt werden können, ist elementarer Bestandteil des Waldschutzprojektes. Eine Hinweistafel am Ortseingang zeigt ein Satellitenbild, auf dem exakt eingezeichnet ist, wo die Waldgrenzen verlaufen – und wo Brandrodung verboten ist. Die Karte wurde von Anwohner*innen und Mitarbeiter*innen der lokalen Forstbehörde gemeinsam ausgearbeitet. Die Dorfgemeinschaft bestätigte per Unterschrift, sich daran zu halten.

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Tong Yang

Chueneng Yang ist einer der Männer, die das kontrollieren. Der 41-Jährige ist Mitglied des lokalen Waldkomitees. Zweimal pro Monat unternimmt er mit seinen Kollegen einen Patrouillengang durch den Dorfwald – und meldet, wenn er unerlaubte Abholzung entdeckt. „In zwei Fällen gehen die Behörden gerade unseren Hinweisen nach“, erzählt er. Die Übeltäter zu finden, ist aber nicht immer einfach: Auf ihrem Streifzug muss die Patrouillengruppe oftmals über Nacht im Wald bleiben – und schläft dort am Boden auf Bananenblättern. Für diesen Einsatz werden die Waldschützer entlohnt.

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Chueneng Yang

Auch für die anderen im Dorf zahlt sich ihr Engagement aus: Wenn sie über einen längeren Zeitraum ihren Wald erfolgreich schützen, bekommen Gemeinden wie Khangkhao zudem auch zweckgebundene Bonuszahlungen in die Dorfkasse, die weitere Investitionen in eine nachhaltige Land- und Forstwirtschaft ermöglichen. Das Geld kann beispielsweise als Anschubfinanzierung für den Anbau von landwirtschaftlichen Produkten verwendet werden, die sich gut vermarkten lassen und für die zugleich keine Brandrodung nötig ist. Beliebt sind hier Tee- oder Kaffeepflanzen sowie das Anlegen von Teichen zur Fischzucht.

Bäuerin Tong Yang sieht ihre Zukunft weiterhin in der Viehzucht – und möchte ihren kleinen Familienbetrieb weiter ausbauen. Sie wolle gerne weitere Tiere anschaffen, sagt sie. „Ich arbeite hart, damit es meine Kinder in Zukunft leichter haben.“

Waldschutz als nationales Klimaziel

Zu folgenden Nachhaltigen Entwicklungszielen (SDGs) der Vereinten Nationen trägt das Vorhaben bei:
SDG 1: Keine Armut SDG 11: Nachhaltige Städte und Gemeinden SDG 12: Nachhaltige/r Konsum und Produktion SDG 13: Maßnahmen zum Klimaschutz