Interview
„Wir sind parat, wenn die Arbeit wieder möglich ist.“
Herr Palesch, was bedeutet die Kriegssituation für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der GIZ in Tigray – haben sie die Region verlassen?
Die Projekte sind vorläufig gestoppt, aber rund 30 Nationale Mitarbeitende sind noch vor Ort. Wir tauschen uns mit ihnen ständig über die aktuelle Lage aus.
Wie eng ist der Austausch?
Das Team aus Tigray ruft einmal in der Woche bei den Projektverantwortlichen in Addis an, meist mit dem Satellitentelefon. In der Vergangenheit hat es manchmal mit einem normalen Telefon geklappt, aber seit längerer Zeit nicht mehr. Ebenfalls einmal wöchentlich werde ich über die Lage ins Bild gesetzt.
Direkten Austausch gibt es nicht mehr?
Doch, wir fliegen da ab und zu hin, um die Gehälter bezahlen zu können – die Banken funktionieren dort ja nicht mehr. Wir können bei den Flügen der Vereinten Nationen mitfliegen. Dazu brauchen wir die Berechtigung von mindestens zwei Ministerien. In einem Fall mussten wir viermal diesen Anlauf unternehmen. Wir können auch nicht unbeschränkt Bargeld abheben; brauchen also auch eine Genehmigung, damit wir höhere Beträge – etwa für die Gehälter – überhaupt bei der Bank ausgezahlt bekommen. Der Aufwand ist also beachtlich, aber er lohnt sich allemal, können doch bei der Gelegenheit auch Projektunterlagen und ähnliche Sachen ausgetauscht werden.
Warum schließen Sie das Büro in Tigray nicht ganz?
Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vor Ort bleiben weiterhin mit ihren Partnern in Tigrays Hauptstadt Mekelle und in den Dörfern in Kontakt. Sie behalten im Blick, was passiert. Das ist wichtig. Sie können etwa Auskunft darüber geben, wie das tägliche Leben in Mekelle aussieht. Und ob es für die Bevölkerung neuen Bedarf für Unterstützung gibt. Manchmal werden diese Fragen auch von anderen an uns herangetragen, zum Beispiel von der Botschaft. Und wir wollen natürlich dafür sorgen, dass wir parat sind, wenn es irgendwann wieder losgehen kann. Wir wissen also ziemlich gut, was passiert, und könnten die Projekte entsprechend anpassen.
Wie ist die Lage in anderen Regionen?
Es werden auch Kämpfe an den Grenzen zu den Nachbarregionen, also zu Afar und Amhara, gemeldet. Und dann gibt es natürlich noch eine ganze Menge anderer Konfliktzonen: im Süden an der Grenze nach Kenia oder auch zu Somalia und in anderen Gegenden. Wir haben eine Karte, in der alle Konfliktgebiete deutlich markiert sind und die gleichzeitig zeigt, wo wir arbeiten. Da gibt es Überlappungen. In Gegenden mit akuter Gewalt können wir natürlich nicht arbeiten, das ist klar. Denn die Sicherheit unserer Mitarbeitenden hat für uns die oberste Priorität. Aber wir können in fragilen Zonen arbeiten. In solchen Fällen behalten wir die Lage genau im Blick und entscheiden kurzfristig, wann wir dorthin fahren können.
In Tigray wurden die Projekte gestoppt, in anderen kritischen Regionen laufen sie noch. Wie behalten Sie dort den Fortschritt der Projekte im Blick?
Das geht beispielsweise mit Handyaufnahmen. Manchmal bitten wir andere Hilfsorganisationen, die wir gut kennen und die wir für vertrauenswürdig halten, ob sie für uns einen Ortsbesuch machen. In Äthiopien haben wir entsprechende Verfahren nicht nur wegen der Sicherheitslage entwickelt. Es ist ja auch manchmal einfach wirtschaftlicher, wenn nicht jedes Mal extra jemand hinfährt. Und aufgrund der Corona-Pandemie mussten wir sowieso alle viel lernen, was das Management und den Austausch über Distanzen hinweg angeht.
ÄTHIOPIEN
Hauptstadt: Addis Abeba / Bevölkerung: 115 Mio. / Bruttoinlandsprodukt pro Kopf: 890 US-Dollar / Wirtschaftswachstum: 6,1 Prozent /
Rang im Human Development Index: 173 von 189
Quelle: Weltbank
Die GIZ ist seit 1964 in Äthiopien tätig. Das Landesbüro mit mehr als 800 Beschäftigten ist eines der größten der GIZ.
Kontakt: giz-aethiopien@giz.de
aus akzente 1/2022
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Reportage