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Wassertropfen
Interview

„Wir dürfen nicht aufgeben!“

Junge Menschen müssen stärker in Entscheidungsprozesse eingebunden werden, findet Carolina Tornesi MacKinnon, Präsidentin des Weltjugendparlamentes für Wasser. Im Interview erklärt sie, welche Rolle junge Menschen beim Klimaschutz spielen und wie man ihre Stimmen stärken kann.

Interview: Kim Berg

Frau Tornesi MacKinnon, wir befinden uns in der Halbzeit der UN-Nachhaltigkeitsziele. Welche Fortschritte wurden bereits bei der Erreichung der wasserbezogenen SDGs erzielt und welche Bereiche erfordern noch verstärkte Anstrengungen?

Es fühlt sich leider ein bisschen so an, als wäre gar nichts passiert. In meinem beruflichen und privaten Umfeld ist das Thema Wasser sehr präsent, aber außerhalb meiner Blase wird über Wasserversorgung noch viel zu wenig gesprochen. Dass wir uns bereits jetzt weltweit in einer akuten Wasserkrise befinden, ist den meisten Menschen in Europa und den USA gar nicht bewusst. Doch auch dort wird der Zugang zu Trinkwasser immer schwieriger, denn die Grundwasserpegel sinken stetig. Diese Entwicklung müssen wir mit Hilfe von Langzeitstrategien stoppen.

Viele Menschen auf dieser Welt scheinen nicht verstanden zu haben, welche Risiken der Klimawandel mit sich bringt.

Carolina Tornesi MacKinnon
Präsidentin des Weltjugendparlamentes für Wasser

Welche Strategien könnten das sein?

Wir sehen aktuell, dass sich vor allem junge Menschen für einen veränderten Umgang mit unseren Ressourcen einsetzen. Deshalb könnte der richtige Umgang mit Wasser beispielsweise in den Schulunterricht integriert werden. Eine andere Möglichkeit wären nationale und internationale Kampagnen. Menschen müssen wissen, wie viel Wasser sie verbrauchen. Sie müssen wissen, woher ihr Wasser kommt und welche Auswirkungen ihr Wasserverbrauch hat – auf die Umwelt, die Biodiversität und die weltweiten Temperaturen.

Wieso setzen sich vor allem junge Menschen verstärkt für mehr Umwelt- und Klimaschutz ein?

Viele Menschen auf dieser Welt scheinen nicht verstanden zu haben, welche Risiken der Klimawandel mit sich bringt – auch wirtschaftlich. Wir leben in kapitalistischen Gesellschaften und sowohl viele Politiker*innen als auch einflussreiche Unternehmen scheinen eher auf kurzfristige Profite hinzuarbeiten anstatt auf nachhaltige Lösungen. Durch ein solches Verhalten werden die Kosten, die durch Extremwetterereignisse, Wassermangel und den Meeresspiegelanstieg entstehen, in Zukunft wesentlich höher ausfallen. Deshalb müssen wir unbedingt langfristig denken. Das gilt besonders für die großen Industrienationen. Wir müssen die Politik in diesen Ländern dazu bringen, mit größerer Dringlichkeit auf die Klimaveränderungen zu reagieren. Und das ist es, was junge Menschen auf der ganzen Welt tun, sie fordern die Politik mit viel Lärm und Publicity dazu auf, endlich zu handeln.  

Welche Möglichkeiten gibt es, um junge Menschen stärker in Entscheidungsprozesse und politische Diskussionen zum Umweltschutz einzubeziehen?

Ich würde mir mehr Dialog- und Diskussionsmöglichkeiten wünschen. Wir müssen jungen Menschen beibringen, wie sie ihre Forderungen am besten äußern, und ihnen zeigen, über welche Wege sie sich für den Umweltschutz engagieren können. Vonseiten der Politik würde ich mir mehr Offenheit wünschen. Politiker*innen sollten stärker auf die Bevölkerung zugehen und sich ihre Sorgen und Probleme anhören. Es ist wichtig, dass sie dabei auch auf junge Menschen eingehen, denn es ist ihre Zukunft, über die sie entscheiden.

Viele Länder kämpfen schon jetzt mit extremer Wasserarmut. Wie können wir sicherstellen, dass die wasserbezogenen SDGs vor allem diejenigen unterstützen, die am stärksten von Wasserarmut betroffen sind?

Viele Menschen haben gar nicht die Möglichkeit, sich für mehr Nachhaltigkeit zu engagieren, weil sie bereits gegen die Auswirkungen des Klimawandels kämpfen müssen, keinen sicheren Zugang zu Trinkwasser haben, unter Lebensmittelknappheit und Umweltkatastrophen leiden. Auf diese Menschen muss die Politik aktiv zugehen, denn sie haben keine Zeit, sich in langwierigen Prozessen Gehör zu verschaffen.

Welche Rolle können Basisbewegungen und lokale Gemeinschaften dabei spielen, Wasserstrategien auf nationaler und internationaler Ebene mitzugestalten?

Lokale Nichtregierungsorganisationen können Menschen vor allem in den Ländern unterstützen, die aktuell schon stark vom Klimawandel betroffen sind. Denn sie dienen als Sprachrohr, um sich für die Belange der Menschen vor Ort einzusetzen, die nicht die Kraft und die Mittel haben, selbst aktiv zu werden.

Welche Hoffnungen setzen Sie in die kommenden sieben Jahre bis zur finalen Umsetzung der Agenda 2030?

Ich glaube nicht, dass wir die Nachhaltigkeitsziele bis 2030 erreichen. Es ist in Ordnung, zu scheitern, aber wir dürfen nicht aufgeben. Ich hoffe, dass wir aus unseren Fehlern lernen und in Zukunft handlungsorientierter wirtschaften und leben.

 

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Carolina Tornesi MacKinnon

Carolina Tornesi MacKinnon, Präsidentin des Weltjugendparlamentes für Wasser © privat

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