Hallo
aus
mein Name ist Helen Witte und ich arbeite als Beraterin für ein Gesundheitsprojekt der GIZ in Tansania. Wir verbessern die medizinische Versorgung von Gebärenden und Neugeborenen in der Region Tanga, indem wir mit 20 Gesundheitseinrichtungen zusammenarbeiten.
Als ausgebildete Hebamme mit Erfahrung in afrikanischen Kreißsälen setze ich mich leidenschaftlich für Frauen- und Kinderrechte ein. Ursprünglich wollte ich Medizin studieren, doch nach einem Praktikum auf einer Geburtsstation entschied ich mich für eine Hebammenausbildung. Geburten sind magische Momente und es ist ein Privileg, Menschen einen guten Start ins Leben zu ermöglichen. Nach meiner Ausbildung in Hannover wollte ich mehr über die Geburtshilfe in Afrika lernen. Ich meldete mich als Freiwillige bei der methodistischen Kirche in Mosambik und begann, dort in einem Kreißsaal zu arbeiten. Weitere Stationen waren Pakistan für Ärzte ohne Grenzen und Sierra Leone mit Save the Children.
Wenn man einmal in diesen Ländern miterlebt, wie viele Frauen und Kinder bei der Geburt aufgrund von mangelnder Ausstattung oder schlecht ausgebildetem Personal sterben, kann man nicht mehr wegsehen. Am schlimmsten fand ich aber die Grundhaltung, dass das normal ist. Frauenleben gelten dort als weniger wert. Viele Gesundheitssysteme sind nicht auf das Überleben von Müttern ausgelegt und oft fehlt der politische Wille, das zu ändern.
Im Kreißsaal konnte ich zwar vielen Frauen das Leben retten, aber nichts an den strukturellen Missständen ändern. Um mehr zu erreichen, studierte ich in London Gesundheitspolitik. Nach meinem Abschluss begann meine Laufbahn bei der GIZ – erst als Entwicklungshelferin, später als Beraterin in Malawi und Nepal. Die Aufgaben als Beraterin sind abstrakter: Politikberatung, viel Koordination, Maßnahmen konzipieren … Die Arbeit als Hebamme fehlt mir. Aber ich weiß, dass ich an der richtigen Stelle bin, um das große Ganze so zu verändern, dass mehr und mehr Frauen eine sichere und schöne Geburt erleben können. Dazu gehört auch, die Gleichberechtigung der Geschlechter voranzutreiben. Ich bin der festen Überzeugung, dass wir die vielen unnötigen Todesfälle von Müttern nur dann vermeiden können, wenn das Leben von Frauen einen höheren Stellenwert in der Gesellschaft bekommt.
Ich bin gern in Tansania, hier gibt es gute Voraussetzungen, an diesem Thema zu arbeiten, wie beispielsweise ein weibliches Staatsoberhaupt und eine Gesundheitsministerin. Auch innerhalb der GIZ arbeiten wir daran, der Geschlechtergleichstellung einen noch höheren Stellenwert zu geben. So haben wir verschiedene Sektoren in einem sogenannten Gender-Cluster zusammengebracht. Im Cluster können wir die Stärkung von Frauen in verschiedenen Formen angehen und noch stärker projektübergreifend arbeiten. Ein Beispiel dafür ist die Kooperation zwischen unserem Gesundheitsprojekt und dem Projekt „Zugang zu Recht für Frauen und Kinder“. Gemeinsam verbessern wir die Unterstützungsangebote für Überlebende von geschlechtsbasierter Gewalt. Wir haben ein umfassendes Angebot entwickelt aus medizinischer Erstbetreuung, Spurensicherung sowie juristischer Beratung. So setzen wir die feministische Entwicklungspolitik in Tansania um.
Und selbst zu Hause geben mein Mann und ich ein Beispiel dafür, wie man die Geschlechterrollen unterschiedlich leben kann. Während bei mir zurzeit der Beruf im Vordergrund steht, kümmert er sich um die Kinder und den Haushalt.
Viele Grüße
Helen Witte
Juni 2024