Wie hat die GIZ auf diese Krise geantwortet?
Renger: Wir haben mit einem Sofort-Programm im Auftrag der Bundesregierung reagiert, um die schlimmsten Folgen kurzfristig abzumildern. Dazu gehörten zum Beispiel Schulspeisungen im Jemen, Hygienemaßnahmen, Bereitstellung von Saatgut und Beratung für Produzentinnen und Produzenten über digitale Kanäle. Das war wichtig und hat entlastet, aber wir wollen mit unserer Arbeit langfristig wirken, Strukturen so ändern, dass wir das Übel an der Wurzel packen.
Abgesehen von Corona, was sind die Hauptursachen dafür, dass im 21. Jahrhundert immer noch Menschen hungern müssen? Manche meinen, es seien Kriege und Konflikte – stimmt das?
Weller-Molongua: Fragilität ist sicher ein Haupttreiber. Das sehen wir in Ländern wie dem Jemen, neuerdings in Äthiopien wieder und auch in Afghanistan. Wo Bäuerinnen und Bauern nicht in Ruhe ihre Felder bestellen und Ernte einfahren können, wo Vertriebswege nicht funktionieren, da macht sich schnell Hunger breit. Das ist eindeutig.
Gibt es noch weitere relevante Ursachen?
Weller-Molongua: Ein Faktor, der immer wichtiger wird, ist der Klimawandel. Stärkere Regenfälle und Dürren erleben wir schon seit einigen Jahren, etwa in Mosambik oder am Horn von Afrika. Aber der Klimawandel wird sich in Zukunft noch deutlicher zeigen und die Nahrungsmittelproduktion immer wieder einschränken oder unterbrechen. Dies steht in enger Wechselwirkung mit dem Verlust biologischer Vielfalt. Welche Ausmaße das annehmen kann, haben wir gerade bei den schweren Überschwemmungen in Deutschland gesehen. Und hier muss niemand hungern, weil die Versorgung von außen gesichert ist. Im globalen Süden liegt der Fall anders; dort werden wir extreme Auswirkungen auf die Verfügbarkeit von Nahrungsmitteln und auf die Ernährung von Menschen erleben.
Was wiegt mehr: Konflikte oder der Klimawandel?
Renger: Beides sind wichtige Einflüsse, die man nicht gegeneinander aufwiegen kann. Der Klimawandel wird den Hunger auf jeden Fall massiv verschärfen; da stimme ich meiner Kollegin ausdrücklich zu. Der Weltklimarat hat in seinem letzten Bericht fünf Zukunfts-Szenarien beschrieben, von denen selbst das Beste noch eine Katastrophe ist – mit allen negativen Folgen, Hunger inklusive. Nicht ausblenden sollte man in dem Zusammenhang auch das Thema Armut und strukturelle Ungleichheit, die seit einiger Zeit weiter um sich greift und den Hunger verschärft.
Weller-Molongua: Es gibt weitere Faktoren, wie zum Beispiel Nahrungsmittelverluste. Knapp 40 Prozent der produzierten Lebensmittel werden aus den unterschiedlichsten Gründen weggeworfen. Das ist ein gravierendes Problem – und hat durch die Corona-Pandemie noch zugenommen, weil Transportwege unterbrochen waren oder immer noch sind.