Die Start-up-Initiative „WIN NRW.Afrika“ ist Teil der NRW-Afrika-Programme des Ministeriums für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen. Die Deutsche Gesellschaft für InternationaIe Zusammenarbeit (GIZ) GmbH führt sie gemeinsam mit der Delegation der Deutschen Wirtschaft in Nigeria (AHK) durch und hat auf deutscher und nigerianischer Seite zahlreiche Firmen, Start-up-Zentren und Organisationen wie den Senior Expert Service eingebunden. Die Hospitationen in den jeweiligen Ländern sind in ausführliche Vor- und Nachbereitungen eingebettet.
Innovation gemeinsam voranbringen: Start-ups in NRW und Nigeria
Nordrhein-Westfalen fördert den Austausch junger Gründer*innen aus dem westafrikanischen Nigeria und aus NRW.
Von wegen Tischkicker: Kabir Olaosebikan und Princess Echefu kommen aus dem Herzen der Start-up-Szene in Nigeria, doch von dem Spielgerät, das als Symbol für das deutsche Gründerumfeld gilt, haben sie noch nie gehört. Amüsiert beäugen sie im Digital Hub Bonn den Kicker, drehen kurz an den aufgereihten Plastikfußballern. Dann bereiten sie sich auf den abendlichen Pitch vor Start-ups aus Nordrhein-Westfalen vor. Dazu sind sie schließlich nach Deutschland gekommen: zum Voneinanderlernen, zum Netzwerken, zum Geschäfteanbahnen.
Olaosebikan und Echefu gehören zu einer Gruppe von zehn nigerianischen Jungunternehmer*innen, die im Frühjahr 2024 für acht Wochen nach Nordrhein-Westfalen gereist sind. Im Anschluss besuchen nordrhein-westfälische Gründer*innen Nigeria. Kreislauf- und Wasserstoffwirtschaft, Gesundheits- und Medizinsektor, digitale Lösungen für die Landwirtschaft, FinTechs oder Fachkräftevermittlung – die Start-ups aus Nigeria und NRW verfolgen unterschiedliche Geschäftsideen. Gemeinsam ist ihnen, dass sie im jeweils anderen Land Potenzial für ihre Unternehmen sehen.
Deshalb haben sie sich beim Stipendienprogramm „WIN NRW.Afrika“ beworben, dessen Ziel es ist, Start-ups aus beiden Ländern Wege in neue Märkte zu ebnen. Die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen NRW und Nigeria sollen so langfristig gestärkt werden. Nigeria hat sich mit seiner größten Stadt Lagos zu einem Schlüsselland für Innovation in Afrika entwickelt.
Zukunftsmarkt Afrika
Der Nachbarkontinent ist ein attraktiver und umkämpfter Markt – geostrategisch ebenso wie wirtschaftspolitisch. Nordrhein-Westfalen widmet sich seit 2010 mit dem Deutsch-Afrikanischen Wirtschaftsforum NRW der Kooperation mit Afrika. Neben Nigeria engagiert sich das Bundesland für die Zusammenarbeit kleiner und mittlerer Unternehmen aus NRW und Ghana. Die Programme werden vom Ministerium für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen gefördert.
„WIN NRW.Afrika“ passt gut in diesen Ansatz. Deshalb stellten die nigerianischen Jungunternehmer*innen ihre Geschäftsmodelle auch beim Wirtschaftsforum im März 2024 in Dortmund vor. Ein starker Auftakt für das Austauschprogramm. Diese Beachtung hat die afrikanischen Gründer*innen beeindruckt. Beim späteren Treffen mit Wirtschaftsstaatssekretär Paul Höller fühlten sie sich verstanden: „Er sieht Afrika als Zukunftsmarkt“, sagt Princess Echefu.
Nigerianische Fürsprecherin für deutsche Technologie
Echefu ist Geschäftsführerin einer nigerianischen Firma, die die Sanierung von Anlagen in der Energiebranche unterstützt. „Wir erfassen Daten mit Hilfe von 3-D-Laserscannern. Etwas, worin die Deutschen sehr gut sind.“ Die Nigerianerin arbeitet bereits mit einem Gerät aus Deutschland und sieht viel Potenzial für deutsche Unternehmen: „Afrika hat den Markt, Afrika hat die Bevölkerung, Afrika ist die Zukunft.“
Als Ingenieurin hat sie schon lange deutsche Technologie im Blick. Bereits als Studentin und Mitglied der National Society of Black Engineeers wollte sie an einem Austauschprogramm ihrer Universität mit Deutschland teilnehmen. Sie lernte Deutsch, musste dann aber aus persönlichen Gründen absagen. Umso mehr freut sie sich jetzt über die Teilnahme bei „WIN NRW.Afrika“: „Es musste einfach passieren!“
Sie findet vor allem Besuche bei produzierenden Firmen in NRW spannend, etwa einem großen Transporterwerk in Düsseldorf oder einer Maschinenfabrik in Kreuztal bei Siegen. „Ich bin beeindruckt von der Technologie, die ich hier sehe“, sagt Echefu und merkt gleichzeitig an, dass deutsche Gesprächspartner*innen häufig eher zurückhaltend seien. „Es wäre gut, wenn die Deutschen sich mehr öffnen und ihre Technologie offensiver verkaufen würden. Das wäre gut für die Wirtschaft und für die Menschen.“ Die extrovertierte Ingenieurin will die deutsch-nigerianischen Unternehmenskooperationen unbedingt weiter voranbringen.
Kontakte zum Thema Kreislaufwirtschaft
„Dieser Austausch ist ein Augenöffner und ein Türöffner“, findet Kabir Olaosebikan. Er hat in NRW wichtige Kontakte geknüpft, etwa mit der Initiative Circular Valley. Sie will die Metropolregion Rhein-Ruhr als globales Zentrum für Kreislaufwirtschaft aufbauen. Um Kreislaufwirtschaft dreht sich auch das Unternehmen von Olaosebikan.
Bereits seit seiner Jugend beschäftigt er sich mit Plastikmüll, ein drängendes Problem (auch) in Nigeria. Nach dem Architekturstudium und dem Abschluss in Umweltwissenschaften hat er 2016 Craft Planet gegründet. Im Mittelpunkt steht die Idee, Plastikabfall so zu recyceln, dass daraus Baumaterialien entstehen – für preiswerte Wohnungen.
Außerdem will Olaosebikan mit seiner Firma Abfallsammler*innen aus der Schattenwirtschaft holen und vor allem für Frauen verlässliche Einkommensquellen schaffen. Bildungsprogramme für Jugendliche sind ein weiterer Zweig seiner jungen Firma. Auf die Verbindung zu Circular Valley und anderen deutschen Expert*innen aus der Kreislaufwirtschaft setzt der Unternehmer große Hoffnungen und teilt jeden Tag seine Erkenntnisse aus Deutschland mit seinem Team in Nigeria: „Mein neues Wissen zieht Kreise.“
Im Digital Hub Bonn ist es Abend geworden. Die Tagesbesucher*innen in den Coworking-Räumen sind gegangen und in der Lounge gesellen sich zu den nigerianischen Gästen einige der deutschen Stipendiaten und Stipendiatinnen. Nach den Pitches, den kurzen Präsentationen der Geschäftsideen aus Nigeria, entspinnen sich lockere Gespräche – auch um den anstehenden Besuch in der Megacity Lagos. „Sie kommen ja nicht als Tourist*innen, sondern um zu sehen, wie ihre Unternehmen auch bei uns florieren können“, sagt Princess Echefu. „Wir zeigen den Markt, den sie sonst verpassen. Und wie wunderschön Nigeria ist.“