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Ein lachender Mann in einer militärischen Tarnuniform mit Namensschild „A. Stirnimann“ steht neben einer Frau in einem roten Shirt vor einer modernen blauen Gebäudestruktur. GIZ/privat
Interview

Peacekeeping Training Centre: Frieden sichern geht nur zusammen

In Zeiten wachsender Unsicherheiten bleibt das Kofi Annan International Peacekeeping Training Centre (KAIPTC) ein zentraler Ort für Friedens- und Sicherheitsausbildung in Westafrika. Es verbindet militärische, polizeiliche und zivile Akteure und wird dabei maßgeblich von internationalen Partnerschaften unterstützt. Teresa Krafft und Oberst André Stirnimann geben Einblicke in die Arbeit des KAIPTC, seine strategische Bedeutung und Zukunft.

Interview: Friederike Bauer

Das KAIPTC in Accra gibt es seit 20 Jahren. Was ist das Besondere daran?

Teresa Krafft (TK): Das Centre ist das größte seiner Art in Westafrika und bietet eine breite Palette an Kursen an, sowohl in Präsenz als auch online. Diese richten sich an militärische, polizeiliche und zivile Mitarbeiter*innen der afrikanischen Friedens- und Sicherheitsarchitektur sowie der Vereinten Nationen. Zudem betreibt das KAIPTC eine Forschungsabteilung, die sich mit den Themen Frieden und Sicherheit beschäftigt. Auch öffnet es regelmäßig seine Türen für Austauschformate, etwa für das Kofi Annan Peace and Security Forum. Dort treffen sich alle zwei Jahre hochrangige Persönlichkeiten aus der Region und diskutieren über sicherheitspolitische Fragen. Über die Jahre hinweg hat sich das KAIPTC so zu einem sicherheitspolitischen Hub und wichtigen Ort für politischen Austausch in der Region entwickelt; Deutschland ist finanziell sein wichtigster Unterstützer.

Oberst André Stirnimann (AS): Anfang der 2000er Jahre beschlossen die Mitgliedstaaten der Afrikanischen Union und der afrikanischen Regionalorganisationen, eine afrikanische Friedens- und Sicherheitsarchitektur zu schaffen. Ein Bestandteil davon sollte ein Ausbildungszentrum für Friedensmissionen sein. Ghana hatte zu diesem Zeitpunkt schon viel Erfahrung mit internationalen Friedenseinsätzen und sollte, so das Ziel, einen Teil dieses Wissens weitergeben. Deswegen entschloss man sich, mit internationaler Unterstützung ein Zentrum in Accra aufzubauen. Daran beteiligten sich Deutschland, die Schweiz, die nordischen Länder und einige andere wie die USA und Kanada.

Mehr als ein Ausbildungszentrum

Das Kofi Annan International Peacekeeping Training Centre wurde vor 20 Jahren gegründet, um vor allem afrikanische Peacekeeper besser auf ihre Rolle in Blauhelm-Missionen vorzubereiten. Seither haben 34.000 Personen dort Kurse belegt. Zu den Peacekeeping-Angeboten sind inzwischen auch umfassendere Themen wie Konfliktprävention und Friedensbildung hinzugekommen, zum Beispiel Kurse für Konfliktanalysten oder Wahlbeobachtende. Das Centre liegt in der Hauptstadt Accra und hat seinen Namen vom früheren UN-Generalsekretär Kofi Annan, der aus Ghana stammte. Das KAIPTC ist mehr als eine Ausbildungsstätte; es hat sich zu einem Zentrum für Frieden und Sicherheit in Westafrika entwickelt.

Das KAIPTC ist also gleich in mehrfacher Hinsicht international: Es bildet Leute aus der ganzen Welt fort, wird aber auch international verwaltet.

AS: Die Teilnehmenden kommen tatsächlich aus der ganzen Welt, wobei der Schwerpunkt eindeutig auf Westafrika und Afrika liegt. Insofern ist der Fokus international, das ist richtig. Verwaltet wird das KAIPTC von Ghana, während wir als internationale Partner unterstützend tätig sind. Ich bin einer von sechs bis acht internationalen Abgesandten, die direkt im Centre arbeiten.

TK: Mein Mandat sieht ein wenig anders aus. Ich leite ein Teilprojekt, das darauf abzielt, das Centre zu begleiten. Wir haben ein GIZ-Büro direkt auf dem Gelände und arbeiten eng mit der ghanaischen Seite zusammen, um deren Arbeit zu erleichtern und das KAIPTC immer weiter zu verbessern und fortzuentwickeln. Allerdings sind wir selbst nicht direkt Teil des Centres. Insofern ergänzen sich Andrés und meine Tätigkeiten sehr gut. Während er innerhalb des Systems arbeitet, grenzt meine Arbeit daran an. Wir tauschen uns fast täglich aus; die Zusammenarbeit funktioniert hervorragend. Unser gemeinsames Ziel ist es, das KAIPTC weiter voranzubringen.

Warum braucht das KAIPTC diese internationale Ausrichtung? Worin liegt der Mehrwert?

AS: Zunächst ist es finanziell auf Mittel aus dem Ausland angewiesen. Im Moment tragen die Geber noch etwa neun Zehntel der Kosten. Doch es gibt auch inhaltliche Gründe. Wir versuchen, uns konstruktiv einzubringen, wollen jedoch nichts dirigieren. Die Leitung liegt in ghanaischer Hand. Aber die internationale Zusammensetzung bringt wertvolle Impulse und immer wieder neue Ideen hervor.

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Nationen
waren 2024 in Trainings des Centres vertreten.
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Ein hellblaues Gebäude mit Treppenaufgang und mehreren Flaggen verschiedener Nationen davor, darunter Deutschland, Frankreich, Nigeria und die USA. GIZ/privat

Welche zum Beispiel?

TK: Etwa beim E-Learning. Als wir mit dem Thema anfingen, gab es Bedenken am Centre, ob ein wesentlicher Mehrwert verloren ginge, wenn die Kursteilnehmenden „nur online“ zugeschaltet würden, statt nach Accra zu kommen. Daraufhin wurde das Modell des „blended learning“ entwickelt, bei dem meist ein theoretischer Teil online vorgeschaltet ist und es dann bei einem Präsenzteil um die Anwendung geht. Dieses System hat sich bewährt und ist mittlerweile etabliert. Dass es zustande kam, ist auch dem Austausch und den Gesprächen unter den internationalen Partnern zu verdanken. Hier haben wir etwas gemeinsam vorwärtsgetragen.

AS: Das eröffnet auch die Möglichkeit, perspektivisch noch mehr Interessenten aus Europa einzubinden. Erst unlängst habe ich in der Schweiz vorgeschlagen, unsere Soldat*innen, Polizist*innen etc., die einen Einsatz in Afrika vor sich haben, auch mit E-Learnings des KAIPTC auszubilden. Dann könnten zukünftige Peacekeeper direkt von afrikanischen Ausbildungsinhalten profitieren. So eine Idee braucht Zeit, bis sie bewertet und umgesetzt ist, aber möglich wäre diese weitere Form der internationalen Zusammenarbeit hier durchaus.

TK: Überhaupt entwickelt sich das Zentrum immer weiter. Während am Anfang das reine Peacekeeping im Vordergrund stand, ist die Palette heute sehr breit und reicht von der Polizeiausbildung und Wahlbeobachtung über Kurse zu gewalttätigem Extremismus bis hin zur Verbindung von Frieden, Migration und Klima. Diese Erweiterung des Curriculums ist sicherlich zum Teil der neuen Weltlage mit ihren vielen Herausforderungen geschuldet, hat aber auch mit der internationalen Ausrichtung zu tun, durch die solche Prozesse immer wieder angeschoben und weiterentwickelt werden. Für mich ist das KAIPTC ein Leuchtturm dafür, was entstehen kann, wenn verschiedene Akteure produktiv zusammenarbeiten.

AS: Da stimme ich vollkommen zu. Inzwischen gibt es nicht nur Trainings am Centre selbst, sondern auch mobile Trainingsteams, die zum Beispiel nach Senegal, Gambia, Cote d’Ivoire oder Liberia gehen und dort Kurse anbieten. Der Radius des KAIPTC hat sich vergrößert; das war nur durch internationale Zusammenarbeit in der Region und darüber hinaus möglich.

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Ein Porträt eines lächelnden, kahlköpfigen Mannes in militärischer Tarnuniform vor einem kreisförmigen blauen Hintergrund.

„Der Radius des KAIPTC hat sich vergrößert; das war nur durch internationale Zusammenarbeit in der Region und darüber hinaus möglich.“

Oberst André Stirnimann
Berufssoldat in der Schweizer Armee

Zu den Personen

Teresa Krafft leitet seit 2,5 Jahren in Accra das Team zur Unterstützung des KAIPTC unter dem Vorhaben „Beratung der ECOWAS-Kommission im Bereich Frieden und Sicherheit“ des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, mit Ko-Finanzierung der Europäischen Union. Vor ihrer Zeit bei der GIZ war sie viele Jahre in verschiedenen Friedensmissionen der Vereinten Nationen tätig.

Oberst André Stirnimann ist Berufssoldat in der Schweizer Armee und seit gut einem Jahr am Peacekeeping Training Centre in Accra tätig. Er ist dort zuständig für die Trainingsevaluierung und Entwicklung von Kursen. Außerdem ist er der oberste militärische Repräsentant der Schweiz in der Region.

Die Region gilt als fragil, ist letzthin von zahlreichen Putschen in Nachbarländern heimgesucht worden, unter anderem in Mali und Burkina Faso. Stärkt oder schwächt diese Entwicklung die Bedeutung des KAIPTC?

TK: Meiner Ansicht nach hat es definitiv an Bedeutung gewonnen. Angesichts der aktuellen Herausforderungen in Westafrika sind Orte wichtig, an denen viele Akteure aus unterschiedlichen Ländern und Zusammenhängen – militärische und zivile, politische und technische, regionale, nationale und lokale – zusammenkommen und sich austauschen. Nur so können Lösungen für die drängenden Friedens- und Sicherheitsprobleme der Region gefunden werden. Das KAIPTC ist ein solcher Ort, es ist deshalb in der jetzigen Lage noch wertvoller als bisher.

Wie geht es weiter? Soll das Centre international bleiben oder doch irgendwann vollkommen in ghanaische Hände übergehen?

TK: Ich denke, das Centre hat alles, was es braucht, und arbeitet erfolgreich. Gerade wegen der Sicherheitslage in der Region sollte der Fokus meines Erachtens künftig noch stärker auf der Vernetzung mit anderen Trainingszentren in Afrika und mit der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft ECOWAS liegen.

AS: Ich würde mir wünschen, dass das KAIPTC finanziell eigenständiger wird, aber seinen internationalen Charakter behält, weil wir genau das in der heutigen Welt brauchen.

Was ist Peacekeeping?

Peacekeeping bezeichnet den internationalen Einsatz von Streitkräften, Polizei und zivilen Expert*innen, um Frieden und Stabilität in Konfliktgebieten zu sichern. Besonders die Vereinten Nationen nutzen es als wichtiges Instrument der internationalen Friedenssicherung. Der erste Einsatz von sogenannten Blauhelmen fand 1949 statt, um die Umsetzung der israelisch-arabischen Waffenstillstandsvereinbarungen im Nahen Osten zu überwachen. Seither gab es 71 Friedensmissionen, bei denen mehr als zwei Millionen Frauen und Männer aus 125 Ländern ihren Dienst versahen, die Mehrzahl davon aus Entwicklungs- und Schwellenländern. Die Missionen sind international zusammengesetzt und können, je nach Mandat, ganz verschiedene, auch zivile Aufgaben übernehmen. In der Regel werden Friedenstruppen vom UN-Sicherheitsrat autorisiert.