„Die meisten Frauen wissen überhaupt nicht, worauf sie sich einlassen. Sie kommen im Libanon an und ihre Ausweispapiere werden ihnen unter Zwang abgenommen“, sagt Reem Mroueh von der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH. Nur wenige Menschen im Land hinterfragen diese Praxis, denn eine Haushaltskraft wird in der Mittelschicht als notwendige Annehmlichkeit betrachtet.
„Ihre Unterdrückung ist so alltäglich geworden, dass man sie gar nicht mehr als moderne Sklaverei wahrnimmt“, fährt Mroueh fort. Gemäß Amnesty International reichen die Misshandlungen, die Arbeitsmigrantinnen erleiden, von extremen Arbeitszeiten und fehlenden Ruhetagen über schwere Einschränkungen der Kommunikations- und Bewegungsfreiheit bis hin zu Nahrungsentzug, mangelhafter Unterbringung und psychischer oder physischer Gewalt.
Passant*innen hörten Njoki aus dem Fenster rufen und verständigten die Polizei. Sie wurde zu ihrer Agentur zurückgebracht, die sie überredete, eine weitere Stellung anzunehmen, diesmal bei einer Kanadierin. Leider geriet Njoki auch hier in eine missbräuchliche Lage und hatte nun monatelang keinen Lohn erhalten. Schließlich packte sie ihre Taschen und ging, hielt sich fortan mit Gelegenheitsjobs und der Unterstützung von hilfsbereiten Menschen über Wasser. Eine Freundin lud sie schließlich zu einem von der GIZ angebotenen Kurs zu psychischer Gesundheit ein. „Hier wurden uns so viele Hilfsmöglichkeiten aufgezeigt. Früher fühlten wir uns hilflos, gestresst, gestrandet. Jetzt weiß ich, wo ich um Hilfe bitten kann.“
In den letzten Jahren haben sich die Probleme für Arbeitsmigrantinnen im Libanon durch die Corona-Pandemie und die Wirtschaftskrise verstärkt. Es gibt schockierende Aufnahmen von ausgesetzten Angestellten, die vor ihrer jeweiligen Botschaft abgeladen wurden, weil ihre Arbeitgeberfamilien sie nicht mehr bezahlen konnten.
GIZ-Initiative setzt sich für Hausangestellte ein
Im Gegensatz zu anderen Ländern des Nahen Ostens, wo das Kafala-System greift, setzt sich im Libanon eine aktive Zivilgesellschaft für Veränderungen ein. Das Problem sei, sagt Mroueh, die Betroffenen zu erreichen. „Die meisten von ihnen sind mittellos, kennen ihre Rechte nicht und wissen nicht, wer ihnen helfen könnte“, sagt sie.
Und hier kommt die GIZ ins Spiel. Im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung unterstützt sie migrantische Hausangestellte dabei, ihre Erlebnisse zu verarbeiten, um anschließend andere auf diesem Weg begleiten zu können. Letzten Sommer startete die Initiative mit einer Reihe von Workshops zur psychischen Gesundheit und psychosozialen Unterstützung. Die Frauen lernten viel über Selbstfürsorge und kollektive Fürsorge und um was es in der Peer-Beratung – also der Hilfe von Betroffenen für Betroffene – ankommt. Zudem inszenierten die Teilnehmerinnen ein Theaterstück, das sie bei einer Lobbyveranstaltung aufführten, an der die Botschaften ihrer jeweiligen Herkunftsländer teilnahmen, und erarbeiten eigene Projekte, um andere Frauen zu unterstützen. So verbreiten sich das Wissen und die neu gelernten Fähigkeiten nun Schritt für Schritt in der gesamten Gemeinschaft weiter.
Njoki haben die Seminare zur psychischen Gesundheit „ein Gefühl der Hoffnung und einen anderen Blick auf das Leben“ ermöglicht. Inzwischen schult sie selbst andere Frauen darin, wie sie Arbeitsmigrantinnen beraten und unterstützen können. „Wenn man allein in so einer Situation ist, ist man einfach verloren; man denkt, so ist das Leben, das ist normal.“ Heute weiß sie, dass schmerzhafte Erfahrungen mit Hilfe der Gemeinschaft überwunden werden können. „Jetzt habe ich Mut und Zuversicht und weiß, an wen ich mich wenden kann, um Hilfe zu erlangen“, sagt Njoki.