hat einen Bachelor-Abschluss in Physik und einen Master-Abschluss in Erneuerbare Energien, beide von der Universität Khartum. Die Sudanesin hat unter anderem UN-Generalsekretär António Guterres zu seiner Klimawandelstrategie beraten. Mit einem „Richard von Weizsäcker Fellowship“ der Robert Bosch Academy lebt und arbeitet sie 2024 in Berlin.
„Der Klimawandel wartet nicht, bis der Krieg zu Ende ist“
Die sudanesische Klimaaktivistin Nisreen Elsaim berichtet im Interview mit akzente, wie sie aus ihrer Heimat flüchten musste und weiter für Klimagerechtigkeit kämpft.
Frau Elsaim, wann waren Sie zuletzt in Sudan?
Ich habe Sudan im Mai 2023 verlassen, sechs Wochen, nachdem der Krieg ausgebrochen war. Die meisten Häuser wurden zerstört. Wir haben alles verloren, was wir besaßen. Ich habe es nur mit einem Rucksack voller Windeln aus dem Haus geschafft. Ich habe einen kleinen Sohn. Als wir Sudan verließen, war er neun Monate alt. Der größte Teil meiner Familie musste auch fliehen, nur mein Schwager blieb. Vor zwei Monaten ist er gestorben, weil er erkrankt war und nicht rechtzeitig ins Krankenhaus gebracht wurde. Das ist Krieg. Er ist nicht der Erste und er wird nicht der Letzte sein.
Wie wirken sich die gewaltsamen Auseinandersetzungen auf Ihren Einsatz gegen den Klimawandel aus?
Es ist sehr frustrierend, weil jetzt über den Klimawandel in Sudan nicht mehr diskutiert wird. Aber ich weiß, dass der Klimawandel nicht wartet, bis der Krieg zu Ende ist. Wir haben vergangenes Jahr mit einer Dürre gerechnet und sie ist auch eingetreten. Sudan steht jetzt vor einer großen Hungersnot, und zwar aus zwei Gründen: wegen des Klimawandels, aber natürlich auch wegen der Kämpfe. Inzwischen hat die nordostafrikanische Entwicklungsorganisation IGAD (Intergovernmental Authority on Development) verkündet, dass in der Region demnächst mit mehr Niederschlägen gerechnet werden muss – 27-mal mehr als im Vorjahr! Das bedeutet Überschwemmungen. Stellen Sie sich die Menschen vor, die wegen des Krieges ihre Häuser verloren haben und bereits auf der Straße leben. Straßen, die bald auch noch voller Wasser sind.
Sie engagieren sich schon seit 2012 in der Klimabewegung. Was hat Sie damals motiviert?
In Sudan wurde früh deutlich, wie sehr die Menschen vom Klimawandel betroffen sind und dass sie dagegen nicht abgesichert sind. Es gibt keine Regierung, die sich um sie kümmert. Es gibt keine Strategien oder politischen Ansätze. Als junge Studentin wollte ich mit meinem Wissen einfach etwas tun.
Sie setzen bei Ihrem Kampf für Klimagerechtigkeit auf einen ganzheitlichen Ansatz. Was bedeutet das?
Wir sind in Bezug auf den Klimawandel mit so vielen und so großen Herausforderungen konfrontiert, dass es ganzheitliche Lösungsansätze braucht. Wenn wir uns für Klimagerechtigkeit einsetzen, ohne uns mit sozialer Gerechtigkeit und Menschenrechten zu befassen, dann ist es am Ende keine wirkliche Klimagerechtigkeit. Gerechtigkeit ist allumfassend. Der „Nexus Klima, Frieden und Sicherheit“ ist so ein Ansatz, der diese drei Bereiche zusammen betrachtet. Es geht dabei vor allem um drei Fragen: Wie löst der Klimawandel Konflikte aus? Wie verstärkt er bestehende Konflikte und deren Auswirkungen? Wo zwingt der Klimawandel Menschen zur Migration, die wiederum Konflikte verursachen kann?
Können Sie dafür ein Beispiel geben?
Der Mensch braucht Wasser zum Überleben, nicht nur zum Trinken, sondern auch für den Haushalt und die sanitären Einrichtungen, für die Bewässerung in der Landwirtschaft und so weiter. Wassersicherheit ist also ein zentrales und überlebenswichtiges Anliegen. Inzwischen herrscht aber wegen des Klimawandels vielerorts Wasserknappheit. Das ist auch der Grund, warum viele Konflikte um Wasser ausgetragen werden. Es gibt Ansätze, diese Probleme zu lösen. Aber um erfolgreich zu sein, braucht es verlässliche Strukturen der Regierungsführung. Aus diesem Grund engagiere ich mich in ganz verschiedenen Bereichen. Denn ohne Teilhabe oder starke Institutionen und Zivilgesellschaft, ohne bürgerorientierte Politik, wird alles, was man ansonsten tut, zunichtegemacht.
Wasserdiplomatie im Zeichen des Klimawandels
Klimainduzierte Wasserkonflikte und regionale Lösungsansätze standen im Mittelpunkt des GIZ-Side-Events auf der Münchner Sicherheitskonferenz 2024, unter anderem mit Nisreen Elsaim und GIZ-Vorständin Ingrid-Gabriela Hoven. Schon seit mehr als zehn Jahren fördert die GIZ im Auftrag des Auswärtigen Amts und des Bundesentwicklungsministeriums die grenzüberschreitende Zusammenarbeit von Anrainerstaaten am Nil und in Zentralasien.