Die Initiative für Transparenz in der Rohstoffwirtschaft (Extractive Industries Transparency Initiative – EITI) wurde 2003 als Reaktion auf eine Kampagne internationaler NGOs gegründet. Diese kritisierten die verbreitete und tiefgreifende Korruption in den großen Förderländern der Welt. Tony Blair, der damalige britische Premierminister, rief zur Gründung einer globalen Initiative auf, um dieses Problem durch mehr Transparenz in der Branche anzugehen. Die EITI startete mit 9 Ländern, darunter Deutschland, und hat heute 56 Mitglieder. Das internationale Sekretariat hat seinen Sitz in Oslo. Die EITI beschäftigt weltweit rund 800 Mitarbeiter*innen, etwa 50 davon in Norwegen, die übrigen in den EITI-Mitgliedsländern. Sie wird von einem geschäftsführenden Direktor geleitet und vom EITI-Vorstand verwaltet, dessen 20 Mitglieder aus Regierungen, der Zivilgesellschaft, der Industrie und institutionellen Anlegern stammen. Sie treffen ihre Entscheidungen im Konsens. Aufgabe der EITI ist es, das Verständnis für die gute Bewirtschaftung natürlicher Ressourcen zu fördern, die öffentliche und unternehmerische Führung und Rechenschaftspflicht zu stärken und Daten bereitzustellen, um das öffentliche Verständnis in Bezug auf den Rohstoffsektor zu verbessern.
„Unsere Mission ist relevant und wirksam“
Interview mit Mark Robinson, Geschäftsführer der Extractive Industries Transparency Initiative (EITI), einer internationalen Organisation und Partnerin der GIZ, die sich gegen Korruption in einer hochprofitablen Branche engagiert
Herr Robinson, bitte erklären Sie uns in ein paar Sätzen, worum es Ihrer Organisation geht.
Die EITI ist eine globale Initiative, die das Ziel verfolgt, Regierungshandeln und Unternehmensführung in der Rohstoffindustrie zu verbessern. Sie tut dies vor allem, indem sie Daten und Informationen zu allen Aspekten der Wertschöpfungskette bereitstellt. So versuchen wir, Korruption zu erkennen und zu verhindern und diesen Wirtschaftssektor zu verbessern, denn wir glauben, dass die natürlichen Rohstoffvorkommen den Bürgerinnen und Bürgern eines Landes gehören und ihnen zugutekommen sollten. Unsere Arbeit basiert auf einem Multi-Stakeholder-Ansatz: In jedem EITI-Mitgliedsland werden Regierungen, Privatunternehmen und die Zivilgesellschaft zusammengebracht, um eine Vorgehensweise für die Nutzung der jeweiligen Daten zu erarbeiten.
Sie versuchen also, einen Sektor zu verbessern, indem Sie seine Praktiken beleuchten?
Genau, es geht um Transparenz und Informationsaustausch – wie der Titel unserer Initiative schon verrät. Indem wir Praktiken sichtbar machen, stoßen wir Veränderungen an.
Das Herzstück der EITI sind die Multi-Stakeholder-Gruppen. Wie arbeiten die?
Vertreter verschiedener Interessengruppen kommen zusammen, bilden eine Multi-Stakeholder-Gruppe und entscheiden über die Modalitäten und das Niveau der Berichterstattung in jedem Land. Es steht ihnen frei zu entscheiden, wie sie das tun wollen; es muss allerdings im Einklang mit dem EITI-Standard stehen. Gemeinsam stellen sie die entsprechenden Informationen über den Sektor zusammen und reichen sie bei der EITI ein.
Welchen Anteil an der Rohstoffindustrie decken Sie grob geschätzt in jedem Land ab?
Im Durchschnitt werden 99 Prozent, aber nicht weniger als 95 Prozent des Sektors abgedeckt. Was wir tun, ist also relevant und wirksam.
Was passiert, wenn ein Land den EITI-Standard nicht einhält? Können Sie Sanktionen verhängen?
Nicht unmittelbar. Aber der Vorstand kann Länder vorübergehend ausschließen. Das kann auf zwei Arten geschehen: entweder als Reaktion auf politische Instabilität und gewaltsame Konflikte, wie zum Beispiel einen Militärputsch oder einen Aufstand, wodurch der öffentliche Raum eingeschränkt wird. Dann kann die EITI nicht richtig funktionieren, weil zum Beispiel die Multi-Stakeholder-Gruppe nicht zusammentreten darf. So eine Situation kann zu einem dauerhaften Ausschluss führen, wie im Falle von Myanmar und Afghanistan geschehen. Die andere Art der Aussetzung ist in der Regel vorübergehend, wenn ein Land seinen Bericht nicht rechtzeitig vorlegt, wie es derzeit bei Albanien oder Peru der Fall ist. Sie wird jedoch in der Regel wieder aufgehoben, sobald die Berichte vorliegen.
Treten Länder auch aus eigenem Entschluss aus der EITI aus?
Auch das geschieht. Die USA haben sich zum Beispiel unter der Trump-Regierung aus der Initiative zurückgezogen. Aserbaidschan zog sich 2017 zurück, weil man wusste, dass es wegen zivilgesellschaftlicher Beschränkungen ohnehin zum Ausschluss kommen würde. Aber Länder können auch wieder einsteigen, wie Niger es beispielsweise getan hat. Wir halten die Türen immer offen und hoffen, dass die Länder zurückkehren.
Werden die von den Ländern übermittelten Informationen überprüft?
Durchschnittlich alle drei Jahre bewerten wir unter Leitung unseres Sekretariats die Fortschritte in Richtung unserer EITI-Standards; wir nennen das Validierung. Das ist ein sehr intensives Verfahren, bei dem wir alle beteiligten Interessengruppen befragen und manchmal auch Ortstermine vereinbaren. Dann erstellen wir einen Bericht, den wir mit der Multi-Stakeholder-Gruppe teilen, arbeiten ihr Feedback ein, legen den Bericht unserem Vorstand vor und veröffentlichen dann das Resultat. Diese Fortschrittsberichte finden in den Medien große Beachtung. Sie sind ein wichtiges Instrument der Rechenschaftslegung. Die Länder bekommen nicht gerne schlechte Zeugnisse ausgestellt, deshalb ermutigen wir sie zu kontinuierlichen Fortschritten und dazu, sich um die besten Ergebnisse zu bemühen.
Sie haben jetzt 56 Länder an Bord. Würden Sie sagen, dass die wichtigsten Länder mit Rohstoffindustrie dabei sind?
Es fehlen einige wichtige rohstoffreiche Länder wie Australien, Südafrika, Brasilien, Russland und China. Allerdings gibt es zusätzlich zu den 56 zehn weitere Länder, die derzeit einen Beitritt erwägen. Chile zum Beispiel hat kürzlich seine Absicht erklärt und wird hoffentlich noch in diesem Jahr beitreten.
Kann man sagen, dass Autokraten und Diktaturen der EITI fernbleiben?
Die EITI verlangt als Voraussetzung für die Mitgliedschaft die Achtung zivilgesellschaftlicher Freiheiten. In den meisten autoritären Systemen gibt es keinen Raum für solche Freiheiten, weshalb es für diese Länder schwierig ist, beizutreten.
Was ist Ihr Ziel bezüglich der Mitgliedschaft für die nächsten Jahre?
Wir wollen die wichtigsten Produzenten natürlicher Ressourcen in die EITI einbinden. Das wären etwa 70 Länder. Mit 56 Mitgliedern haben wir jetzt gut zwei Drittel davon.
Was haben Sie in den 20 Jahren Ihres Bestehens erreicht?
Wir haben schon einiges bewegt, aber unsere Arbeit ist noch nicht getan. Gibt es immer noch Probleme mit Regierungshandeln, Unternehmensführung und Korruption im Rohstoffsektor? Bedauerlicherweise ja. Aber wir sehen in einer ganzen Reihe von Ländern echte Fortschritte, unter anderem im Senegal und in Armenien. Unser Ziel ist es auch, Länder dabei zu unterstützen, die Einnahmen aus ihrem Rohstoffsektor zu erhöhen – zum Nutzen ihrer Bürgerinnen und Bürger. Das gehört ebenfalls zu unserem Kernauftrag. Hier haben wir einige echte Verbesserungen erzielt: Gemeinsam mit der GIZ haben wir in Ghana eine Studie in Auftrag gegeben, die über 700 Millionen Dollar an Einnahmen zu ermitteln half, welche in den Unternehmensbüchern nicht erfasst waren. In der Demokratischen Republik Kongo hatte ein chinesisches Unternehmen seine Investitionsverpflichtungen, nämlich den Bau von Straßen und Krankenhäusern, im Rahmen eines großen Bergbauvertrags nicht erfüllt. Dies wurde durch die EITI-Berichterstattung aufgedeckt, woraufhin sieben Milliarden Dollar zusätzlich investiert wurden.
Welche Rolle spielt die GIZ für Sie?
Die GIZ ist ein wichtiger Partner für uns, weil sie über große technische Kapazitäten vor Ort verfügt. Sie hat in verschiedenen Ländern bei der Berichterstattung im Rahmen der EITI geholfen. Es gibt ein hervorragendes Beispiel aus Mauretanien, wo das technische Team der GIZ die Regierung dabei unterstützt hat, wohl eins der effektivsten und fortschrittlichsten Systeme datengestützter Berichterstattung zu entwickeln, die wir kennen. Und es gibt auch einen regen Austausch und die Weitergabe von Erkenntnissen und Erfahrungen zwischen unseren beiden Organisationen.
Was sind einige Ihrer künftigen Herausforderungen?
Neben der Gewinnung weiterer Mitglieder müssen wir lokale Gemeinschaften in den Fokus nehmen und schauen, wie sie als potenzielle Nutznießer aktiv einbezogen werden können. Ein Großteil des Landes, auf dem Bergbau betrieben wird, gehört indigenen Gemeinschaften oder solchen, die von diesem Land leben. Sie müssen in die Diskussionen über Arbeitsplätze, Dienstleistungen und die Verteilung der Einnahmen einbezogen werden. Zudem tauschen wir uns mit Ländern und Unternehmen über erneuerbare Energien aus und profitieren dabei von den Erfahrungen aus dem Rohstoffsektor. Das zeigt: Die EITI ist nicht statisch, sondern entwickelt sich als Antwort auf Veränderungen stetig weiter.