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Moldawiens Innenministerin Ana Revenco dpa
Interview

„Manipulation und Störung von Informationen höhlen unsere Demokratien aus“

Wie begegnet Moldau der Bedrohung durch komplexe Desinformationskampagnen? Die ehemalige moldauische Innenministerin Ana Revenco gibt Einblicke in Strategien und internationale Kooperationen.

Interview: Kim Berg

Frau Revenco, inwiefern beeinflussen Fake-News-Kampagnen seit Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine Ihr Land?

Desinformation und ausländische Einflussnahme haben sich seit dem Beginn des russischen Angriffskrieges in der Ukraine massiv verstärkt und stellen nun eine direkte Bedrohung für unsere nationale Sicherheit dar. Russland ist die größte externe Gefahr für die Demokratie und die Sicherheit innerhalb des Landes. Russische und auch inländische Desinformationskampagnen werden dazu genutzt, die moldauische Gesellschaft zu verunsichern und zu spalten, unsere Demokratie zu untergraben und unseren Weg in die Europäische Union zu verhindern.

Welche Falschinformationen treten im Kontext von Moldaus Annäherung an die Europäische Union auf und wie begegnen Sie diesen?

Ein häufiges Narrativ ist, dass Moldau seine Souveränität verlieren würde, wenn es der EU beitritt. Ein anderes, dass die EU am Ende ist und bald zerfallen wird. Das neueste und aggressivste Narrativ ist, dass die EU Krieg bedeutet. Wir begegnen diesen Falschinformationen mit einer starken kommunikativen Gegenstrategie, die die Vorteile der EU-Mitgliedschaft hervorhebt, wie etwa wirtschaftliche Freiheiten, Sicherheit und politische Stabilität. Unsere Botschaft lautet, dass die EU nachhaltigen Frieden und Wohlstand bringt.

Welche Rolle spielen Social Media bei der Verbreitung von Desinformation?

Soziale Medien sind ein zweischneidiges Schwert. Einerseits ermöglichen sie schnelle und breite Kommunikation, andererseits können sie leicht missbraucht werden für die Verbreitung von Falschinformationen. In letzter Zeit haben wir gesehen, dass Russland mit seinen lokalen Verbündeten aggressive Desinformationskampagnen in sozialen Netzwerken durchführt. Diese sind oft KI-gestützt, um ein größeres Publikum zu erreichen.

Unser Ansatz hier ist es, mit Plattformbetreibern zusammenzuarbeiten, um Richtlinien zu entwickeln, die das Verbreiten von Falschinformationen erschweren. Zudem fördern wir Initiativen, die helfen, die Glaubwürdigkeit von online geteilten Informationen besser einzuschätzen und Inhalte kritisch zu hinterfragen.

Welche Maßnahmen ergreifen Sie, um Desinformationskampagnen entgegenzuwirken?

Wir setzen auf Aufklärung und Bewusstseinsbildung, um unsere Gesellschaft widerstandsfähiger zu machen. Dafür haben wir gemeinsam mit der GIZ das Zentrum für Strategische Kommunikation und Bekämpfung von Desinformation gegründet, das sich darauf konzentriert, die öffentliche Wahrnehmung durch klare und transparente Informationen zu stärken.

Durch Partnerschaften mit Medienorganisationen, Bildungseinrichtungen, Hochschulen und der Zivilgesellschaft unterstützen wir die Aufklärung und Sensibilisierung der Gesellschaft. Die Förderung von kritischem Denken, um Fake News besser erkennen zu können, ist von größter Bedeutung. Alle Maßnahmen sind darauf ausgerichtet, die Bevölkerung zu befähigen, Informationen selbstständig zu bewerten und sich gegen manipulative Inhalte zu wehren.

Zudem ist das Zentrum in der Forschung aktiv, indem es die neuesten Trends und Taktiken in der Desinformationslandschaft analysiert. Die Erkenntnisse fließen direkt in unsere Strategien ein und ermöglichen es uns, proaktiv auf neue Bedrohungen zu reagieren. Durch die Zusammenarbeit mit internationalen Expert*innen und Partnern können wir sicherstellen, dass unsere Maßnahmen auf dem neuesten Stand der Technik sind und gleichzeitig den demokratischen Werten und den rechtlichen Rahmenbedingungen Moldaus entsprechen.

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Moldawiens Innenministerin Ana Revenco dpa

Ana Revenco leitet das Nationale Zentrum für Strategische Kommunikation und Bekämpfung von Desinformation der Republik Moldau.

Gemeinsam gegen Desinformation

Seit 2023 unterstützt die GIZ im Auftrag des Auswärtigen Amts die moldauische Regierung dabei, die Gesellschaft widerstandsfähiger gegen Desinformation zu machen. Mit dem neuen Zentrum für Strategische Kommunikation und Bekämpfung von Desinformation (Center for Strategic Communication and Countering Disinformation) möchte die moldauische Regierung der Verbreitung von Fake News entgegenwirken. Die GIZ berät moldauische Partner dabei, Verfahren für die Krisenkommunikation zu entwickeln. Dafür entwickelt sie Kommunikationspläne und begleitet Testkampagnen, um die zielgruppenspezifische Ansprache durch die Regierung zu verbessern. Zudem schult die GIZ staatliche Fach- und Führungskräfte, so dass diese Falschinformationen besser identifizieren, analysieren und überwachen können.

Welche Partner haben Sie im Kampf gegen Desinformation?

Wir haben mehrere internationale Partnerschaften, besonders mit EU-Ländern und Organisationen wie der GIZ, die uns technisch und finanziell unterstützen. Unsere Zusammenarbeit mit der GIZ ist ein zentrales Element unserer Strategie zur Stärkung der Cybersicherheit und zur Bekämpfung von Desinformation. Beim Aufbau des Zentrums für Strategische Kommunikation und Bekämpfung von Desinformation hat die deutsche Regierung beispielsweise nicht nur finanzielle Mittel bereitgestellt, sondern auch Fachwissen. Das ermöglicht uns, effektive Kommunikationsstrategien und Bildungsprogramme zu entwickeln.

Darüber hinaus arbeiten wir gemeinsam an Workshops und Trainings für Beamt*innen, Medienvertreter*innen und Mitglieder der Zivilgesellschaft, um die Gefahren von Desinformation zu vermitteln und praktische Fähigkeiten im Umgang mit Desinformationskampagnen aufzubauen.

Wie bewerten Sie die Zusammenarbeit zwischen Moldau und der Europäischen Union im Hinblick auf das bevorstehende EU-Referendum in Moldau?

Die Unterstützung der EU ist entscheidend für unsere demokratische Entwicklung und die Vorbereitung auf das Referendum. Die EU hat nicht nur finanzielle und technische Unterstützung geleistet, sondern auch strategische Beratung, um sicherzustellen, dass unser Referendum transparent und gerecht abläuft. Diese Zusammenarbeit zeigt, wie internationale Solidarität konkret dazu beiträgt, unsere gesellschaftlichen und politischen Strukturen zu stärken.

Welche langfristigen Ziele verfolgt Moldau im Kampf gegen Desinformation?

Langfristig zielt Moldau darauf ab, eine informierte und widerstandsfähige Gesellschaft zu entwickeln, die in der Lage ist, Desinformation selbstständig zu erkennen und zu bekämpfen. Internationale Kooperationen sind dabei unerlässlich, da Fake News keine Grenzen kennen und oft von externen Akteuren gefördert und verbreitet werden. Durch den Austausch mit unseren Partnern, insbesondere Deutschland und anderen EU-Staaten, stärken wir unsere Kapazitäten und bauen ein robustes Netzwerk auf, das zur Sicherung unserer Informationslandschaft beiträgt.