Hintergrund

Diversität auf dem Teller

Um Ernteerträge trotz fortschreitenden Klimawandels langfristig zu sichern und gegen Hunger anzukämpfen, setzen Forschende auf widerstandsfähige, neue und neu entdeckte Nutzpflanzen. Wir präsentieren fünf „Supercrops“ im Profil.

Text: Miriam Hoffmeyer

Ernährungssicherheit: Nutzpflanzen mit Zukunft

Der Klimawandel gefährdet die Ernährung der wachsenden Weltbevölkerung. Besonders in Subsahara-Afrika, Süd- und Südostasien sinken die Ernteerträge aufgrund von Hitze, Dürren und Überflutungen. Umso wichtiger werden uralte und neu gezüchtete Nutzpflanzen, die besser an den Klimawandel angepasst sind als die derzeit gängigen Weizen-, Reis- und Maissorten, von denen die Welternährung heute größtenteils abhängt. Um verbesserte Sorten zu entwickeln, nutzen Forschende die genetische Vielfalt der Samenmuster, die internationale Forschungszentren mit Unterstützung des Global Crop Diversity Trust in ihren Genbanken aufbewahren.

Salztolerante (Süß-)Kartoffel

Der steigende Meeresspiegel und häufige Überflutungen lassen die Böden in der Deltaregion Bangladeschs immer weiter versalzen. Dadurch geht dort die Reisproduktion zurück, die für die Versorgung des ganzen Landes enorm wichtig ist. Einen wichtigen Beitrag zur Ernährungssicherheit können fünf neue, nährstoffreiche Kartoffel- und Süßkartoffelsorten leisten, die auch auf salzreichen Böden und bei hohen Temperaturen gut wachsen. Ein positiver Nebeneffekt der Neuzüchtungen, die von Forschenden des International Potato Center (CIP) entwickelt wurden: Die orangefleischigen Süßkartoffelsorten enthalten Betacarotin, die Vorstufe von Vitamin A. Sie helfen daher, bestimmten Mangelerkrankungen vorzubeugen, die bei Kindern unter fünf Jahren zur Erblindung führen können. Die neuen Sorten werden bereits in rund 10.000 kleinbäuerlichen Betrieben der Deltaregion angebaut.

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Salztolerante

Amaranth

Seit Jahrtausenden wird Amaranth in Subsahara-Afrika kultiviert. Die robuste, schnell wachsende Pflanze verträgt nicht nur Hitze und bis zu einem gewissen Grad auch Trockenheit, sondern ist auch besonders nährstoffreich: Die Blätter enthalten Vitamine und Mineralien wie Kalzium, Eisen und Zink, die Körner viel Protein. Trotz ihres immensen Potenzials für Ernährungssicherheit und Gesundheit wird Amaranth in Afrika noch zu wenig genutzt. Um Produktion und Verbrauch zu steigern, haben Forschende des World Vegetable Center durch Versuche gemeinsam mit Landwirten in Kenia und Tansania nahrhaftere, Oxalat-arme und stressresistente Sorten entwickelt. Im Rahmen des Projekts „Amazing Amaranth“ wurde auch ein Kochbuch mit Rezepten für leckere und besonders nährstoffreiche Amaranth-Gerichte veröffentlicht.

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Amaranth

Reis

In den Reisanbaugebieten Südostasiens ist mehr als eine halbe Milliarde Menschen für ihre Ernährung auf Reis angewiesen. Extreme Hitzeperioden, eine Folge des Klimawandels, lassen die Erträge jedoch schrumpfen. Darüber hinaus schaden gerade die höheren nächtlichen Temperaturen der Kornqualität: Der Anteil brüchiger und kreidiger, nicht vollständig ausgereifter Reiskörner steigt drastisch. Bei Versuchsanbauten traditioneller und verbesserter Reissorten im Nordwesten von Bangladesch konnten Forschende des International Rice Research Institute (IRRI) mehrere Zuchtlinien identifizieren, die auch in Hitzeperioden hohe Erträge liefern. Zudem wurden Daten zur Kornqualität dieser „MAGICheat“-Sorten ermittelt. Auf dieser Basis sollen nun neue hitzeresistente Sorten gezüchtet werden, die bei den Verbraucher*innen gut ankommen.

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Reis

Weizen

Die Weizenernten in Nordwest- und Zentralindien fallen wegen zunehmender Hitze und Trockenheit magerer aus als früher. Wird das Getreide aber schon im Oktober statt wie üblich im November ausgesät, wird der größte Hitzestress kurz vor der Ernte vermieden. Ein weiterer Vorteil: Die Restfeuchtigkeit der Böden, auf denen die Bäuerinnen und Bauern in der Monsunzeit zwischen Juni und Oktober Reis anbauen, wird genutzt. Gängige Weizensorten sind für die frühere Aussaat jedoch nicht geeignet. Neue hitzetolerante und ertragreiche Sorten, die in einer umfangreichen Versuchsreihe des International Maize and Wheat Improvement Center (CIMMYT) gezüchtet wurden, haben es den Landwirt*innen nun ermöglicht, schon im Oktober Weizen auszusäen. Die neuen „Elite Wheat“-Sorten sind in Indien sehr beliebt.

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Weizen

Augenbohne

Die Augen- oder Kuhbohne (auf Englisch Cowpea) ist eine der ältesten Nutzpflanzen der Welt. Sie ist sehr genügsam und wächst praktisch überall. Wie alle sogenannten Leguminosen (Hülsenfrüchtler) bindet sie Stickstoff in ihren Wurzeln und verbessert so die Bodenqualität. Das macht sie zu einer idealen Zwischenfrucht – insbesondere auf Böden, die infolge des Anbaus von Monokulturen ausgelaugt sind. Die in Afrika heimische Pflanze ist in der Küche vielseitig verwendbar: Die jungen Blätter und Triebe können als Gemüse gegessen, die sehr proteinreichen Bohnen gekocht, in Öl geröstet oder gemahlen werden. Trockenheit und sandige Böden sind kein Problem, weil die lange Pfahlwurzel Wasser aus tieferen Erdschichten zieht. Allerdings ist die Pflanze anfällig für Insektenschäden und Krankheiten. Darum arbeitet das International Institute of Tropical Agriculture (IITA) an der Entwicklung neuer, widerstandsfähigerer Sorten.

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Augenbohne