Perspektiven

Das Land, wo Milch und Honig fließen

Georgien rückt wirtschaftlich näher an die Europäische Union. Damit davon auch kleine Unternehmen profitieren, werden Imkerinnen und Imker in der Kaukasus-Republik fit für den Export gemacht.

Text
Christina Iglhaut

„Als ich 16 Jahre alt war, schenkte mir ein guter Freund ein Buch über Bienen und die Imkerei und seither hat mich das Thema nicht mehr losgelassen. 2009 beschloss ich, mein Hobby zum Beruf zu machen. Zusammen mit dem Freund, der mich zu den Bienen lockte, gründete ich die Firma Geo Naturali und nun arbeite ich als Honigproduzent. Mich interessiert, wie wir die Imkerei in Georgien modernisieren, alte Methoden abschaffen und neue einsetzen können. Wie Bienen bewegt werden, welche medizinischen Behandlungen sie bekommen und auf welche Art und Weise der Honig verarbeitet wird. Das alles ist entscheidend – besonders wenn man sein Produkt in die EU exportieren will! Denn das ist seit drei Jahren unser Ziel. Die größte Herausforderung war es, alle europäischen Standards zu erfüllen.

Giorgi Iashvili (46), Imker, Gründer und Direktor von Geo Naturali, einem Honigunternehmen
Giorgi Iashvili (46), Imker, Gründer und Direktor von Geo Naturali, einem Honigunternehmen

„Die erste Charge unseres Honigs wurde 2019 nach Berlin exportiert. Das macht mich stolz.“

Vorgeschrieben ist zum Beispiel, dass Honig keine anderen Stoffe als Honig zugefügt werden dürfen, dass ihm weder Pollen noch andere honigeigene Stoffe entzogen werden dürfen und was alles auf das Etikett muss. Wir hatten zum Glück Hilfe. Unsere deutschen Beraterinnen und Berater sind mit uns unsere ganze Produktionskette durchgegangen und haben wichtige Hilfestellungen geleistet. Sie haben uns gezeigt, wie man Kontaminationen etwa durch Milben oder Pestizide vermeidet. Wir haben alle unsere Waben testen lassen, um zu sehen, ob einige von ihnen bereits kontaminiert sind. Ein weiteres Problem, das wir gemeinsam angehen mussten: Wir arbeiten mit Wildbienen und produzieren in der Ratscha-Region im nordöstlichen Westgeorgien multifloralen Honig aus dem Nektar verschiedener Pflanzen. Wir kannten also die genaue Zusammensetzung unseres Produkts nicht. Deshalb haben wir Proben nach Deutschland geschickt, wo sie an der Universität Bayreuth ausgewertet wurden. Durch das Wissen der Fachleute und deren wertvolle europäische Perspektive haben wir viel Zeit und Geld gespart und konnten 2019 die erste Charge an TAPLI, so heißt unser Honig, nach Berlin exportieren. Das macht mich sehr stolz.“

Nino Glonti (26), Geschäftsführerin des Georgischen Imkerverbandes
Nino Glonti (26), Geschäftsführerin des Georgischen Imkerverbandes

„Bienen sind für die ganze Menschheit von entscheidender Bedeutung.“

„Mein ganzes Leben dreht sich um Bienen. Ich wurde in eine Imkerfamilie hineingeboren: Mein Vater und mein Bruder sind Imker und unser ganzer Hof zu Hause ist voll mit Bienenstöcken. Bienen sind aber nicht nur für meine Familie, sondern für die ganze Menschheit von entscheidender Bedeutung. Ohne sie hätten wir weder Pflanzen noch Lebensmittel. Als junges Mädchen habe ich meinem Vater mit seinen Bienen geholfen – mittlerweile bin ich Doktorandin an der Georgischen Landwirtschaftsuniversität in Tiflis und Geschäftsführerin des Georgischen Imkerverbandes. Er wurde 2018 gegründet und vereint neun georgische Imkereiverbände mit insgesamt rund 4.000 Mitgliedern. Wir versuchen he-rauszufinden, welche Probleme die Imker in den verschiedenen Regionen haben, und wollen diese dann auf die politische Agenda unserer Regierung setzen. Außerdem wollen wir die Popularität des georgischen Honigs in seiner Heimat und auf der ganzen Welt erhöhen. Das Projekt hat unseren Imkern sowie unserer Honigindustrie sehr geholfen. Die deutschen Expertinnen und Experten  unterstützten uns dabei, bei internationalen Importeuren Anerkennung zu bekommen und Kontakte zu knüpfen. Unser Honig hat einen ganz besonderen Geschmack und eine gute Qualität und braucht deshalb auch einen besonderen Platz auf dem europä­ischen Markt. Wir können keine riesigen Mengen an Honig exportieren – laut den letzten Statistiken produziert Georgien etwa 2.500 Tonnen Honig pro Jahr. Aber wir können ein Premiumprodukt für Honigliebhaber anbieten. Georgischer Wein ist auf der ganzen Welt sehr beliebt, auch unser Honig hat dieses Potenzial.“

Chancen im Freihandel fördern

Seit 2014 gibt es eine vertiefte und umfassende Freihandelszone (DCFTA) zwischen der EU und Georgien. Diese hat die Handelsbeziehungen intensiviert. Damit in Georgien auch kleine und mittlere Unternehmen (KMUs) von den Chancen der Freihandelszone profitieren und ihre Wettbewerbsfähigkeiten ausbauen können, hat die EU das Projekt „KMU-Entwicklung und DCFTA in Georgien“ ins Leben gerufen. Die GIZ hat im Auftrag des Bundesentwicklungsministeriums die Aufgabe übernommen, dieses Projekt zu begleiten und seine Umsetzung zu unterstützen. Finanziert wird es aus der EU4Business-Initiative. Partner aus Politik, Wirtschaft und Forschung unterstützen das Projekt bei einer wissenschaftlich fundierten Qualitäts- und Echtheitsgarantie sowie einer Marketingstrategie, die auf die Verbraucher in der EU abgestimmt ist. Die Honigwirtschaft ist ein Beispiel dafür. Den ersten Kontakt zu deutschen Importeuren stellten die georgischen Honigproduzenten auf der Internationalen Grünen Woche 2019 in Berlin her. Die erste Bestellung eines deutschen Importeurs nach der Grünen Woche umfasste 3.000 Gläser. Die GIZ unterstützte die Hersteller bei der Einfuhr nach Deutschland und der Zollabfertigung.

Kontakt: Philipp Steinheim, philipp.steinheim@giz.de

Professor Stephan Schwarzinger (49), Lebensmittelwissenschaftler an der Universität Bayreuth
Professor Stephan Schwarzinger (49), Lebensmittelwissenschaftler an der Universität Bayreuth

„Durch Honig-Profiling konnten wir analysieren, wo die Probleme liegen.“

„Als ich 2016 das erste Mal in Georgien war und durch das Land fuhr, fielen mir unzählige Honigverkaufsstände am Straßenrand auf. Man merkt sofort, wie wichtig dieses Produkt in der täglichen Kultur der Menschen ist. Georgien ist quasi das Land des Honigs – hier wurden die ältesten Funde der Menschheit von Honig gemacht. Leider gibt es keine lange Tradition an ausführlichen Analysen. Die Universität Bayreuth war deshalb ein wertvoller Partner für das Projekt. Wir haben vor Jahren die Entwicklung einer Technologie angestoßen, mit der man herkunftsbezogene Eigenschaftsprofile von Lebensmitteln und in diesem Fall Honig entwickeln und diese im Einzelfall zuverlässig nachweisen kann – die magnetische Kernresonanzspektroskopie (NMR, nuclear magnetic resonance). Wir können damit schnell Aussagen über die Qualität, Echtheit und Herkunft eines Honigs treffen, indem die Bestandteile des Honigs – und zwar sehr viele davon – quantitativ ermittelt werden. Diese Technologie wird heute als NMR-Honey-Profiling bezeichnet.

Ich wurde als Experte für Honiganalytik und als Gutachter in Georgien eingesetzt. Wir haben vor Ort die Strukturen untersucht, Imkereien und Honigabfüllungen geschult und auditiert sowie die Laboranalytik von Honig wissenschaftlich begleitet. Letzteres ist ein wesentlicher Schritt, um aufzuklären, wo die Probleme liegen und welche Fehler bei der imkerlichen Praxis womöglich bisher gemacht wurden. Wir haben untersucht, welche Tierarzneimittel eingesetzt werden, wie die Bienen in den Stöcken gefüttert werden und wie die Räume beschaffen sind, in denen der Honig weiterverarbeitet wird. Bisher wurde in Georgien immer viel mit Tierarzneimitteln in den Bienenstöcken gearbeitet und leider fand man aufgrund der heute verwendeten höchst empfindlichen Analysemethoden entsprechende Rückstände auch häufig im untersuchten Honig.

Ein wichtiger Partner war das Institut für Bienenkunde und Imkerei in Bayern. Die Gespräche mit den georgischen Imkerinnen und Imkern vor Ort und die Proben, die wir im Labor analysiert haben, verrieten uns letztendlich, was wir ändern müssen, um die internationalen Standards zu erfüllen. Gemeinsam haben wir Guidelines entwickelt und versucht, TAPLI als Marke für georgische Premiumhonige zu etablieren: für alle georgischen Honige, die eine besondere Qualität haben, also rückstandsfrei und artgerecht geimkert werden. ,TAPLI – Premium Georgian Honey‘ soll zukünftig eine Art Qualitätssiegel werden.“

 

Der Rüssel als Geheimwaffe

Die Kaukasische Biene (Apis mellifera caucasica) ist dafür bekannt, Nektar sehr effektiv zu sammeln, auch unter schwierigen Bedingungen, etwa bei Regen. Die Bienenunterart zeichnet sich aber vor allem durch ihren besonders langen Rüssel oder auch ihre Zunge aus — bis zu 7,2 mm lang. Damit erreichen die Bienen den Nektar fast aller Blüten, auch wenn diese tiefe Kelche haben. In Georgien können die Bienen Nektar und Honigtau fernab von menschlichen Eingriffen und den in der modernen Landwirtschaft verwendeten Chemikalien sammeln. Dieses unberührte Ökosystem, die besonderen Eigenschaften der Kaukasischen Biene und die große biologische Vielfalt Georgiens schenken dem ­Honig ein einzigartiges Aroma.

GEORGIEN

 

Hauptstadt: Tiflis / Bevölkerung: 3,7 Millionen / Bruttoinlandsprodukt pro Kopf: 4.068 US-Dollar / Wirtschaftswachstum:4,7 Prozent / Rang im Human Development Index: 70 (von 189)

Quelle: Weltbank 2018

Das Bild zeigt eine Informationsgrafik, die sich auf zwei spezifische Nachhaltige Entwicklungsziele (SDGs) der Vereinten Nationen bezieht: SDG 8

 

 

 

aus akzente 1/20