Die GIZ verknüpft in den Sundarbans den Schutz der Biodiversität mit der Stärkung der Lebensgrundlagen der Menschen. Die örtliche Bevölkerung ist dabei in den Erhalt des riesigen Mangrovenwalds eingebunden. Das Projekt „Förderung des Managements der Sundarbans-Mangrovenwälder“ und das Folgevorhaben werden vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) finanziert. Politisch unterstützen es das Ministerium für Umwelt, Wald und Klimawandel in Bangladesch und die Forstbehörde des Landes. Während der Corona-Pandemie wurden Gemeinden am Rande der Sundarbans gezielt mit Lebensmitteln unterstützt und Bildungsprogramme für Kinder initiiert.
„Mein Nachbar, das Weltnaturerbe Sundarbans“
Der größte Mangrovenwald der Erde liegt an der Grenze von Bangladesch und Indien. Unterwegs bei Menschen, die mit und von dem UNESCO-Weltnaturerbe Sundarbans leben.
Rehana Begum ist in Bodhomari zu Hause. Das Dorf liegt am Rande der Sundarbans – auf Bengalisch heißt das „schöner Wald“. Hier, an der Küste vor Bangladesch und Indien, liegt der größte Mangrovenwald der Welt, ein UNESCO-Weltnaturerbe. Seit über 30 Jahren steuert Begum ihr Boot durch das verästelte Flussdelta im Südwesten von Bangladesch. Vorbei an einer Inselwelt, die vom Ganges und anderen Flüssen geformt wird.
Alle sechs Stunden steigen oder sinken hier am Golf von Bengalen enorme Wassermengen. Das Hin und Her von Süß- und Salzwasser hat ein faszinierendes Ökosystem geschaffen. Die Sundarbans gehören zu den letzten Lebensräumen des bedrohten Bengalischen Tigers, der gefährdeten Flussdelfine und vieler weiterer Tier- und Pflanzenarten. Eine Schatzkammer der Biodiversität.
Zudem ist der Mangrovengürtel ein effektiver Küstenschutz, der die Wucht von Tropenstürmen und Tsunamis abwehrt. Das verflochtene Wurzelsystem der Mangroven bewahrt den Boden davor, weggespült zu werden.
Lebensspendende Sundarbans
Die Sundarbans bilden die Lebensgrundlage für mehr als 3,5 Millionen Menschen, die in Dörfern am Rand des Schutzgebiets wohnen. Menschen wie Rehana Begum, die schon als Kind ihre Eltern beim Fisch- und Krabbenfang begleitete. Eine Schule, die sie hätte besuchen können, gab es damals nicht, erzählt die 40-Jährige.
Die Fischerei, die Holzernte und das Sammeln von Honig bildeten und bilden die wichtigsten und meist auch die einzigen Einkommensquellen. Eine arme Gegend in einem der ärmsten Länder der Welt.
Rehana Begum lebt seit ihrer Geburt in Bodhomari und erinnert sich, wie früher oft mit Gift gefischt wurde. Dabei werden Pestizide ins Wasser gekippt. Die gelähmten Fische treiben dann an die Wasseroberfläche und werden eingesammelt. „Wir haben nicht daran gedacht, dass die Verwendung giftiger Chemikalien Flüsse und Teiche verschmutzt und andere Tiere tötet“, erzählt Begum. Auch kostbarer Wald wurde abgeholzt: „Um unsere Öfen zu befeuern oder damit zu handeln, haben wir große Waldgebiete zerstört.“
Neues Bewusstsein für das UNESCO-Weltnaturerbe
Doch seit einigen Jahren erlebt die Bangladescherin einen Wandel im Bewusstsein und im Verhalten. Bei sich und anderen. Sie ist inzwischen Mitglied einer Frauengruppe und eines Forums zur Dorferhaltung. Zusammen mit lokalen Partnern hat die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH seit 2015 Menschen in den Schutz des Ökosystems Mangroven eingebunden. In Workshops und Fortbildungen ging es darum, wie die Natur genutzt werden kann, ohne sie zu zerstören. Besonders Frauen wurden dabei unterstützt, eine größere Rolle innerhalb der Gemeinden einzunehmen. Rund 35.000 Haushalte und über 2.000 Frauen wurden so erreicht.
Rehana Begum und ihr Mann fischen nun seit sieben Jahren ohne Chemie. Außerdem kochen sie nicht mehr mit Holz aus den Sundarbans, sondern meistens mit Gas. Die Flaschen gibt es auf dem örtlichen Basar zu kaufen. Oder sie verwenden Holz von Bäumen in unmittelbarer Umgebung ihres Hauses. Familie Begum baut Gemüse vor ihrem Haus an, hält Kühe, Ziegen und Hühner. Damit deckt sie ihren eigenen Lebensmittelbedarf und hat noch etwas übrig für den Verkauf. Das ist ein wichtiger Aspekt für die Anwohnerinnen und Anwohner wie Familie Begum: „Durch die Beteiligung etwa der örtlichen Forstämter und anderer Gruppen ist es für uns leichter, alternative Verdienstmöglichkeiten zu finden.“
Der Kontakt zu Forstbehörden habe sich insgesamt verbessert, berichtet Rehana Begum: „Wenn wir Wildtiere an oder in unserem Dorf sehen, informieren wir jetzt die Forstbehörde, damit sie eingefangen und in den Wald zurückgebracht werden.“
Ihr Bruder hat sich von ihren Aktivitäten motivieren lassen und arbeitet jetzt als Freiwilliger in der Gemeindewacht, der Community Patrol Group in der Region. Er hilft bei der Walderhaltung, indem er zusammen mit Mitarbeitern der Forstbehörde Patrouille läuft, um Bäume und Wildtiere zu schützen.
Rehana Begum hat nicht nur einen anderen Umgang mit der Natur entwickelt. Seit sie aktiv in die dörfliche Gemeinschaft eingebunden ist, traut sie sich mehr zu. Sie hat gelernt, ihren Namen zu schreiben und den Koran zu lesen. „Vorher war ich zu hilflos und verletzlich, um zu träumen. Die Frauen hier haben ihr ganzes Leben mit ihren Männern zusammengearbeitet, aber sie wurden nie am Einkommen oder an den familiären Entscheidungen beteiligt. Das hat sich jetzt geändert.“
Ihr Mann Khaleq Hawlader hat zugehört und nickt. Die Entschlossenheit seiner Frau nach den Workshops und Trainings hat ihn überzeugt. Er unterstützte sie dabei, mehr zu lernen. Und er schätzt es, dass sie inzwischen Kinder in der Nachbarschaft im Koranrezitieren unterrichtet und damit sogar etwas Geld verdient.
Wissen mit der nächsten Generation teilen
„Als wir noch Analphabeten und nur vom Wald abhängig waren, konnten wir uns gar keine andere Tätigkeit vorstellen. Je mehr Wissen ich erworben habe, desto wichtiger wurde es mir, auch meiner jüngsten Tochter Lamia und meinen Enkelinnen Sumaiya und Mariyam Bildung zu ermöglichen“, sagt Begum. Lamia (13) und Sumaiya (10) gehen jeden Tag drei Kilometer zur nächsten öffentlichen Schule. Mariyam ist mit ihren zwei Jahren noch zu klein. Aber auch sie wird in Zukunft vom Wissen ihrer Großmutter profitieren: „Ich lehre sie alles, was ich im Projekt gelernt habe. Ich teile mein Wissen und hoffe, dass alle verstehen, wie wichtig es ist, die Schätze des Waldes zu bewahren.“