Afrika kommt!

„Von unserer Vielfalt berichten“

Authentische afrikanische Stimmen gegen simple Stereotypen – darauf setzt die Simbabwerin Farirai Mubvuma mit ihrem Buch „Memoirs Of An African Child”. Im akzente-Interview beschreibt die frühere Stipendiatin der „Afrika Kommt!“-Initiative ihre Motivation unter die Autorinnen zu gehen und spricht davon, wie alle profitieren, wenn sie einander zuhören.

Text
Brigitte Spitz

Frau Mubvuma, wie sind Sie auf die Idee gekommen, ein Buch mit Lebensgeschichten Ihrer Alumni der „Afrika kommt!“-Initiative zu veröffentlichen?

Während der ersten drei Monate in Deutschland lernten wir alle zusammen Deutsch in Bonn, gingen auf Studienreisen und nahmen an einem Managementtraining teil. „Afrika kommt!“ hat uns verbunden, gleichzeitig hatten wir 22 Männer und Frauen aus zehn verschiedenen afrikanischen Ländern bis dahin sehr unterschiedliche Erfahrungen im Leben gemacht und konnten viel voneinander lernen. Als wir einmal im Zug unterwegs waren und einander zuhörten, entstand die Idee, diese spannenden Geschichten aufzuschreiben – erzählt aus unserer Perspektive, mit einer afrikanischen Stimme.

Farirai Mubvuma  © Privat

Waren alle davon überzeugt?

Die Reaktion war gemischt. Nicht alle wollten ihren persönlichen Werdegang auch veröffentlich sehen. Das ist auch völlig in Ordnung. Ich lasse also jene zu Wort kommen, die ihre Geschichte mit der Welt teilen wollen. Ich habe von Anfang an klar gemacht, dass in dem Buch ausdrücklich Menschen im Zentrum stehen, die sich im Leben nicht bereits etabliert haben oder sogar berühmt sind. Über Nelson Mandela oder Michelle Obama etwa gibt es ja schon viel zu lesen. Nein, es geht gerade darum, über die Lebenswege von ganz normalen Menschen zu hören, die sozusagen noch auf der Reise sind. Geschichten, mit denen sich andere identifizieren können.

Warum gerade diese Geschichten?

Weil ich sie in der Vergangenheit vermisst habe. Ich war schon immer eine begeisterte Leserin, aber ich kann mich nicht erinnern, als Jugendliche Bücher von Afrikaner*innen in die Hand bekommen zu haben. Die meisten kamen aus Europa und den USA. Afrika wurde und wird oft noch von außen beschrieben, mit einer Wahrnehmung, die oft nicht stimmt. Dies ändert sich zwar langsam und es gibt mehr interessante afrikanische Geschichten als früher, aber es besteht noch viel Nachholbedarf: in der Literatur, beim Film, Theater oder bei der Musik.

Die Teilnehmer*innen bei einem Hamburg-Besuch © Zeit Stiftung

Was hat Sie bei den Geschichten Ihrer Kolleg*innen besonders überrascht?

Wie viel ich noch über andere afrikanische Länder lernen durfte. Wir kommen aus Angola, Botswana, Burundi, Côte d‘Ivoire, Ghana, Kenia, Mali, Nigeria Uganda und Simbabwe. Und obwohl wir alle etwa um die Dreißig sind, haben wir sehr unterschiedliche Erfahrungen gemacht. Das lag zum einen an persönlichen Dingen wie der familiären Situation oder unserer Kultur. Es hing aber auch von der Lage im jeweiligen Land ab, etwa von Bürgerkriegen oder Wirtschaftskrisen. Gleichzeitig haben wir ähnliches erlebt, etwa Schwierigkeiten das Schulgeld aufzutreiben oder gleich nach dem Studienabschluss einen angemessenen Job zu finden.

Gibt es schon interessante Reaktionen von Lesern?

Das Buch wird über Amazon vertrieben und eine der ersten Rezensentinnen schreibt, dass das Buch mit seinem Titel „Memoirs Of An African Child” spielt. Denn genau das gibt es nicht: das afrikanische Kind. Die Geschichten unterscheiden sich von Mensch zu Mensch. Ich hatte diesen Widerspruch im Titel ursprünglich nicht absichtlich so gewählt, aber ich musste lächeln als ich den Kommentar las, denn genau darum geht es: Stereotypen zu überwinden und Dinge von einer anderen Seite zu betrachten. Das Buch berichtet von der afrikanischen Vielfalt.

Teilnehmer*innen während eines Wochenendseminars © Robert Bosch Stiftung"

Wurden Sie während ihrer Zeit in Deutschland mit Klischees über Afrika und Afrikaner konfrontiert?

Wir waren 2017/2018 in Deutschland und Einwanderung war gerade ein heißes Thema in der Öffentlichkeit. Mal abgesehen von dem ein oder anderen unfreundlichen Kommentar im Bus, ist mir vor allem ein eher konservativer Blick auf Afrika in Erinnerung. Deutsche haben mich oft gefragt, ob es denn sicher sei, nach Afrika zu reisen. Und sie waren überrascht, als ich von den vielen Orten berichtete, die alles bieten, was Reisende erwarten. Und viele waren erstaunt, dass ich fließend Englisch spreche. Sie fragten: „Bist du wirklich Afrikanerin.“ Das war auch eine gute Gelegenheit, ihnen zu erklären, dass wir auch gute Schulen und ein gutes Bildungssystem haben. Ich habe einen MBA, bin eine Projektmanagement-Expertin und habe bei internationalen Firmen in Afrika gearbeitet. Aber dann fand ich mich kurz darauf am Bahnhof wieder und sah in den Zeitungen am Kiosk die Schlagzeilen über Armut in Afrika. Und ich wusste, woher die einseitigen Bilder kommen. Dem soll mein Buch etwas entgegensetzen und Stereotypen entmystifizieren.

Haben Sie den Eindruck, dass sich etwas in der Wahrnehmung Afrikas ändert?

Nicht so schnell wie wir es uns wünschen, aber es tut sich etwas. Auch „Afrika kommt!“ ist ein kleiner Beitrag dazu, das Narrativ von Afrika zu verändern. Diese veränderte Wahrnehmung afrikanischer Länder und Menschen ist auch wichtig für deutsche Firmen, die auf dem globalen Markt agieren. Wenn wir uns austauschen, dann ergibt das ein ganz anderes Bild als wenn nur zehn Europäer oder zehn Amerikaner oder auch zehn Afrikaner am Tisch sitzen. Wir brauchen uns gegenseitig, um produktiv und wettbewerbsfähig zu sein. Ganz gleich in welchem Bereich wir arbeiten.

Interview: Brigitte Spitz

Farirai Mubvuma (33) war Teilnehmerin des „Afrika kommt!“-Programms 2016-2018. Die gebürtige Simbabwerin war Assistant Manager für die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young, ehe sie im Zuge des „Afrika kommt!“-Programms in der SAP-Konzernzentrale in Walldorf, Deutschland arbeitete. Derzeit ist sie bei SAP in London beschäftigt.

„Afrika kommt!“ ist eine Initiative der Deutschen Wirtschaft für Führungsnachwuchs aus Subsahara-Afrika. Große deutsche Unternehmen bieten mit „Afrika kommt!“ Nachwuchsführungskräften Einblicke in ihre Arbeitsabläufe und Managementmethoden. Die GIZ plant, organisiert und evaluiert das Stipendienprogramm im Auftrag der Firmen. Das Programm wird vom Auswärtigen Amt und den deutschen Botschaften in Afrika südlich der Sahara unterstützt.

Kontakt: Lydia Jebauer-Nirschl lydia.jebauer-nirschl@giz.de

 

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