Perspektiven

Sprießendes miteinander

Sie bauen Brücken zwischen Entwicklungszusammenarbeit und Außenwirtschaftsförderung: Fachkräfte, die lokale, ­deutsche und europäische Unternehmen in 30 Ländern beraten. Wie das aussehen kann, zeigt ein erfolgreiches Mentoring­programm in Südostasien.

Text
Mathias Peer
Fotos
Aung Naing Oo und Tim Wegner

„Austausch auf Augenhöhe“

Sophie Lwin-Waldschmidt (33)  verantwortete als Fachkraft des Programms Business Scouts for Development das Mentoringprogramm in Myanmar.
Sophie Lwin-Waldschmidt (33), verantwortete als Fachkraft des Programms Business Scouts for Development das Mentoringprogramm in Myanmar.

In Myanmar habe ich seit 2017 deutsche Unternehmen dabei unterstützt, sich mit nachhaltigen Projekten vor Ort zu engagieren. Im Rahmen des Programms Business Scouts for Development war ich bis Ende Februar 2021 als sogenannte Integrierte Fachkraft bei der Delegation der Deutschen Wirtschaft tätig. Zusammen mit meinen Kolleginnen und Kollegen im Delegiertenbüro habe ich darüber nachgedacht, wie wir den persönlichen Austausch zwischen myanmarischen und deutschen Unternehmerinnen und Unternehmern vertiefen könnten. Wir entwickelten die Idee, ein Mentoringprogramm zu starten, bei dem Vertreterinnen und Vertreter deutscher und anderer internationaler Firmen jungen lokalen Unternehmerinnen und Unternehmern als Ratgeber zur Seite stehen. Das ist in Myanmar ein relativ neuer Ansatz. Ich war deshalb überrascht davon, wie groß das Interesse war. Ursprünglich wollten wir nur fünf Jungunternehmerinnen und -unternehmer als Mentees aufnehmen, wir hatten aber so viele gute Bewerbungen, dass es am Ende zwölf wurden. Wir legten einen Fokus auf das Thema Industrie 4.0, weil Deutschland in dem Bereich international ein wichtiger Partner ist. Es war uns auch wichtig, gezielt Frauen anzusprechen. Das ist uns gelungen: Mehr als die Hälfte der Mentees ist weiblich. Es sind viele Branchen vertreten, neben der Lebensmittelproduktion etwa Dienstleistungen aus den Bereichen Tourismus, Medizin, Schiffsbau und Kommunikation.

Von Anfang an war klar, dass es ein Austausch auf Augenhöhe sein sollte: Die Mentees aus Myanmar sollen natürlich von den Erfahrungen der Mentorinnen und Mentoren profitieren. Aber auch umgekehrt kann die andere Seite in den Gesprächen mehr über die lokalen Marktverhältnisse lernen. Wir richteten dafür mindestens einmal pro Quartal eine gemeinsame Netzwerkveranstaltung aus. Den Großteil der Gespräche organisierten aber die Teilnehmerinnen und Teilnehmer selbst. Manche Mentorinnen und Mentoren sprachen mit ihren Mentees fast wöchentlich und trafen sich meist persönlich. Mich freut, dass die Idee nicht nur in Myanmar Anklang findet: Inzwischen werden ähnliche Formate auch in anderen Ländern ausprobiert. In Laos gibt es zum Beispiel seit knapp einem Jahr ebenfalls ein Mentoringprogramm für Unternehmerinnen.“


„Wir haben wertvolle Kontakte bekommen.“

PWINT PWINT SAN (29),  Mentee und Mitgründerin des Start-ups  „Hydroplant“ mit Sitz in Yangon
PWINT PWINT SAN (29), Mentee und Mitgründerin des Start-ups „Hydroplant“ mit Sitz in Yangon

„Ein großer Teil der Menschen in Myanmar lebt von der Landwirtschaft. Das ist aber alles andere als einfach. Oft sind zum Beispiel die Böden zu trocken. Auch die Anbaumethoden sind vielfach veraltet. Wie schwer es für viele Familien ist, genug zu erwirtschaften, habe ich mit eigenen Augen gesehen, als ich nach meinem MBA-Studium in Thailand an einem UN-Programm für Ernährungssicherheit beteiligt war und dafür viele Dörfer in meiner Heimat besucht habe.

Seitdem wollte ich technische Lösungen finden, die den Bauern helfen, ihre wirtschaftliche Situation zu verbessern. In einem Start-up-Förderprogramm habe ich mich mit zwei anderen Gründern zusammengetan. Wir entwickelten innerhalb weniger Monate ein Gerät, das Farmen smarter macht: Es handelt sich um einen Kontrollkasten mit mehreren Sensoren, um etwa die Temperatur oder die Luftfeuchtigkeit zu messen oder auch, wie trocken der Boden gerade ist. Die Daten verwenden wir dann für die Berechnung einer automatischen Bewässerung – oder um einen Ventilator einzuschalten, wenn es in einem Gewächshaus zu warm ist. Die Einstellungen lassen sich per Smartphone-App anpassen. Das System spart nicht nur händische Arbeit bei der Bewässerung, sondern hilft auch, die Ernte zu optimieren, indem etwa die Temperatur in Gewächshäusern genau geregelt wird: Pilzfarmen produzieren mit unserem Gerät nun zum Beispiel auch in Monaten, in denen früher wegen zu großer Hitze nichts wuchs. Unsere Technik eignet sich aber auch für den Einsatz im Freien: Dann überwacht unser System etwa die Bodenfeuchtigkeit und steuert je nach Pflanzenart die Wasserzufuhr.

Unser Mentor Manfred Gand hat uns bei der Produktentwicklung sehr geholfen. Wir wollten das Gerät ursprünglich nur per Smartphone steuern. Manfred ermutigte uns, das Produkt mit einem eigenen Display auszustatten, und hatte damit recht. Die Nutzung ist jetzt viel einfacher. Wir haben uns eine Zeit lang mehrmals im Monat mit Manfred getroffen. Er hat uns auch viele wertvolle Kontakte vermittelt – zum Beispiel zu Elektronikzulieferern, die für hohe Qualität bekannt sind. Ich glaube, dass er auch von uns etwas gelernt hat: Er war oft überrascht, wie schnell wir mit begrenzten Ressourcen Ideen in die Tat umsetzen konnten.“


„Ich war sehr beeindruckt, was das Team auf die Beine gestellt hat.“

Manfred gand (58),  Mentor und Elektroingenieur
Manfred Gand (58), Mentor und Elektroingenieur

„Ich habe die vergangenen sieben Jahre in Myanmar gelebt und am Aufbau von Telekominfrastruktur mitgearbeitet. Insgesamt arbeite ich seit mehr als drei Jahrzehnten als Ingenieur. Mein Wissen möchte ich gerne weitergeben. Als ich gefragt wurde, ob ich Interesse hätte, an dem Mentoringprogramm für junge Gründerinnen und Gründer in Myanmar mitzumachen, habe ich deshalb sofort zugesagt.

Schon bei unserem ersten Treffen war ich sehr beeindruckt, was Pwint Pwint San und ihr Team bereits auf die Beine gestellt hatten: Der mit Sensoren ausgestattete, smarte Controller von ,Hydroplant‘ würde in Europa sicherlich einige Hundert Euro kosten. Den Start-up-Gründern ist es hingegen gelungen, das System für einen Bruchteil zu entwickeln. Sie haben dabei auf Open-Source-Software gesetzt und auf günstige Hardware-Module. Ich fand es reizvoll, mich da einzubringen.

Am Anfang war es für mich wichtig, vor allem zuzuhören: Denn in einem Land wie Myanmar gibt es für mich noch immer viel zu lernen – nicht nur, weil das Thema Landwirtschaft für mich neu war. Es geht auch um einen Perspektivwechsel. Als deutscher Ingenieur geht es einem immer um höchstmögliche Qualität. In Myanmar bringt aber die beste Technik nichts, wenn sie in der Landwirtschaft keiner bezahlen kann. Kostenoptimierung bei den einzelnen Komponenten war deshalb in meinen Gesprächen mit Pwint Pwint San ein zentrales Thema.

Künftig werden wir uns leider nicht mehr so oft im Kaffeehaus treffen können wie bisher: Ich ziehe nämlich aus beruflichen Gründen auf die Philippinen. Während der Coronavirus-Pandemie haben wir aber gesehen, dass auch der Austausch über Videoanrufe gut klappt. Wir haben schon vereinbart, dass wir so weiter in Kontakt bleiben werden.“


„Ich kann mein Einkommen bald fast verdoppeln.“

KO LAY (40),  Landwirt im Norden von Yangon
KO LAY (40), Landwirt im Norden von Yangon

„Ich hatte schon immer ein großes Interesse an Pflanzen, als Bauer arbeite ich aber erst seit kurzem: Früher habe ich mich als Händler mit einem kleinen Geschäft durchgeschlagen. Vor anderthalb Jahren habe ich damit begonnen, im Norden von Yangon Gemüse anzubauen – hauptsächlich Kohl und Salate, inzwischen auch Basilikum und Paprika. Es hat mir von Anfang an Spaß gemacht, aber ich merkte auch schnell, dass Landwirtschaft ein schwieriges Geschäft ist: Die Preise am Markt schwanken stark, Werkzeuge und Düngemittel gehen ganz schön ins Geld.

Ich habe mich in meiner Nachbarschaft umgesehen, was man besser machen kann, und auf dem Bauernhof eines Freundes das System von ,Hydroplant‘ gesehen. Die Idee hat mich sofort überzeugt und ich habe meine zwei Gewächshäuser mit der Technik ausgestattet. Die Kosten dafür – knapp 500 Dollar – habe ich zusammen mit einem Geschäftspartner aufgebracht. Das entspricht etwa dem Einkommen von zwei Monaten.

Die Bewässerung läuft jetzt komplett automatisch – wenn es nicht gerade wieder mal einen Stromausfall gibt. Dann muss ich ausnahmsweise selbst ran. Ich kann jetzt auch die Temperatur exakt steuern. Diese kontrollierte Umgebung hat es mir ermöglicht, auf ein Anbauverfahren ohne Erde umzusteigen. Bei der sogenannten Hydroponik wachsen die Pflanzen im Wasser, in dem Nährstoffe gelöst sind. Diese Technik kannte ich vor kurzem noch nicht – wichtig ist dabei die genaue Dosierung von Wasser und Dünger. Es ist damit viel weniger Arbeitseinsatz nötig und die Erträge sind deutlich höher als früher. Ich denke, dass ich mein Einkommen bald fast verdoppeln kann. Vielleicht errichten wir bald noch ein weiteres Gewächshaus.

Inzwischen kommen regelmäßig andere Bäuerinnen und Bauern zu Besuch und wollen von meinen Erfahrungen lernen. Das freut mich sehr. Wenn sie sehen, dass etwas funktioniert, sind die Landwirte in Myanmar sehr offen für neue Ideen.“

Zu folgenden Nachhaltigen Entwicklungszielen (SDGs) der Vereinten Nationen trägt das Vorhaben bei:

 

 

 

 

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