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Reportage
01/2022

Quelle der Zusammenarbeit

Wasser ist ein kostbares Gut in Zentralasien. Ein Besuch in Usbekistan zeigt, wie es nachhaltig und fair verteilt wird. Und welchen Mehrwert das hat: für Stabilität in der Region in Zeiten des Klimawandels.

Text und Fotos
: Edda Schlager

Es ist nur ein kleiner Handgriff, aber Solizhon Matmurodov weiß exakt, was passiert, wenn er einen der Schieber am Wasserwerk bedient. Von einem Rückhaltebecken gehen kleine Kanäle ab, sogenannte Aryks, jeweils getrennt durch bewegliche Sperren. „Wenn ich die hier öffne“, erklärt er, „bekommen 72 Hektar Land Wasser, dort wird vor allem Wein angebaut. Die hier dagegen leiten das Wasser auf 122 Hektar, dort stehen Tomaten, Gurken und Äpfel.“

Matmurodov ist leitender Ingenieur beim staatlichen Wassernutzerverband, der den Distrikt Asaka der Provinz Andijan ganz im Osten von Usbekistan mit Wasser versorgt. Alle Bäuerinnen und Bauern erhalten so das für die Bewirtschaftung ihrer Felder nötige Wasser. Seit jeher ist derjenige, der die Zuteilung verantwortet, eine der angesehensten Persönlichkeiten in der usbekischen Gesellschaft. Denn Wasser bedeutet Verantwortung. Auch Matmurodov ist eine solche Respektsperson. Und die umstehenden Landwirte schauen ihm anerkennend zu, als er ein spezielles Messgerät, den Smart-Stick, erklärt und schließlich in das rauschende Wasser eines Kanals hält.

Bildergalerie Accordion

„Hier am Rand des Aryks fließen nur neun Liter pro Sekunde durch. Und hier in der Mitte sind es schon 450 Liter.“ Der Smart-Stick ist ein etwa einen Meter langer Stab, am unteren Ende rechtwinklig gebogen, am oberen mit einem kleinen weißen Kästchen samt Display versehen. Er ist eines der wichtigsten Arbeitsmittel von Matmurodov – und eines, an dem enormes Vertrauen hängt. Der Ingenieur kann so genau bestimmen, wie viel Wasser in welchem Zeitraum auf welches Feld fließt. Durch die Übertragung an eine Datenbank werden die Werte gespeichert.

„Früher haben die Bauern manchmal zu viel oder zu wenig Wasser bekommen“, sagt Matmurodov, „und das hat zu Unfrieden geführt. Jetzt akzeptieren sie, was ich ihnen zuteile, denn sie sehen, dass sie tatsächlich so viel erhalten, wie sie benötigen.“

Wasser ist ein knappes Gut in Zentralasien. Durch den Klimawandel und die wachsende Bevölkerung wird sich die Wasserknappheit in der Region in den kommenden Jahren noch deutlich verschärfen. Im Auftrag des Auswärtigen Amts hat die GIZ deshalb bereits von 2009 bis 2020 das Programm „Grenzüberschreitendes Wassermanagement in Zentralasien“ umgesetzt. Für Usbekistan übernahm die EU zwischen 2016 und 2020 eine Kofinanzierung.

Kasachstan, Kirgisistan, Tadschikistan, Turkmenistan und Usbekistan erhielten die Möglichkeit, das Management ihrer natürlichen Wasserressourcen besser aufeinander abzustimmen: auf politischer Ebene, aber auch ganz konkret bei der Bewässerung landwirtschaftlicher Flächen. So wurden Beschäftigte des Wassernutzerverbands in Asaka und in anderen Regionen in modernen Methoden geschult und mit Instrumenten wie dem Smart-Stick ausgestattet.  

„Die Arbeit war ausgesprochen erfolgreich“, erklärt Caroline Milow, Programmmanagerin in Usbekistan, „doch nach zehn Jahren war ein innovativer Schub nötig.“ Mit der Initiative „Green Central Asia“ des Auswärtigen Amts, die 2020 in Berlin angestoßen wurde, wird die länderübergreifende Zusammenarbeit auf ein neues Niveau gehoben. Auf dem Fundament des Wassermanagements ist ein „diplomatischer Dialog zu Klima, Umwelt und Sicherheit gestartet worden“, sagt Milow. Ziele sind die stärkere regionale Zusammenarbeit, verbesserter Informationsaustausch und die Vernetzung mit Wissenschaft und Zivilgesellschaft angesichts des Klimawandels.

Der Klimawandel kennt keine Grenzen und unsere Antworten sollten wir auch grenzüberschreitend finden.

Caroline Milow
GIZ-Programmmanagerin von „Green Central Asia“

Die Länder der Region sind durch die Flüsse Amudarja und Syrdarja eng verbunden. Sie sind die Lebensadern des Aralseebeckens, eines Gebiets von rund 1,8 Millionen Quadratkilometern, das sich von Kasachstan im Norden bis nach Afghanistan und in den Iran hinein über ganz Zentralasien erstreckt.

Einen Bruchteil davon verwaltet Shukhratjon Ergashev. „Von hier aus versorgen wir alle Länder Zentralasiens mit Obst und Gemüse“, sagt der Vizechef der Flusseinzugsgebietsverwaltung in Andijan. Dieses usbekische Gebiet liegt im Ferganatal, das sich über den Osten Usbekistans sowie Teile von Kirgisistan und Tadschikistan erstreckt. Es ist eines der fruchtbarsten und deshalb am dichtesten besiedelten Gebiete in ganz Zentralasien. Seit Jahrhunderten wird hier Bewässerungslandbau betrieben.

Die Flussgebietsverwaltungen sind wichtige staatliche Ansprechpartner für die GIZ in Usbekistan. „Die Menschen vor Ort haben das technische Wissen, das wir fördern und erweitern möchten, um vorhandene Ressourcen effektiver zu nutzen“, erklärt Caroline Milow. Die GIZ und ihre Partner hätten sich in den vergangenen Jahren ein besonderes Vertrauen in allen beteiligten Ländern erworben. „Deshalb wollen wir mit ihnen und anderen Beteiligten bei ‚Green Central Asia‘ unser Engagement erweitern und einen regionalen Klimawandelanpassungsplan erarbeiten.“ Dieser soll langfris­tige Strategien für die Wassernutzung bieten, dabei werden Klimaprognosen und andere Umweltveränderungen berücksichtigt.  

„Wir wissen um die Probleme, die wir bewältigen müssen“, sagt Wassermanager Ergashev. „Die Kanalsysteme stammen aus den 1970er Jahren. Die müssen dringend saniert werden.“ Umso mehr schätzen er und seine Kolleginnen und Kollegen die Unterstützung durch die GIZ. „Wichtig ist auch, dass die Bauern selbst lernen, wie sie Wasser sparen können.“

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Gerechte Verteilung von Wasser ist die Basis für ein friedliches Zusammenleben.

Nächstes Level

Der Klimawandel hat in Zentralasien besonders starke Auswirkungen auf Wasserversorgung und Bodenqualität – etwa durch Dürren und abschmelzende Gletscher. Das bedroht die Lebensgrundlagen von Millionen Menschen und hat damit hohes Konfliktpotenzial. Mit der Initiative „Green Central Asia“ brachte das Auswärtigen Amt Anfang 2020 zentralasiatische Staaten an einen Tisch. Die Gründungskonferenz in Berlin war Anstoß zu grenzüberschreitenden politischen Dialogen über Klima und Sicherheit. Daneben vernetzen sich auch Akteure aus Wissenschaft und Zivilgesellschaft in der Region, aber auch aus Deutschland. Die Initiative steht im Einklang mit der EU-Zentralasienstrategie. Das Fundament für die Kooperation gibt es bereits seit über zehn Jahren – dank der Zentralasien-Wasserinitiative, dem sogenannten „Berliner Prozess“. Wesentliche Teile hat die GIZ in verschiedenen Ländern umgesetzt. Jetzt unterstützt sie die Vermittlung von wissenschaftlichen Erkenntnissen, damit die Herausforderungen der Zukunft angepackt werden.

Kontakt: Caroline Milow, caroline.milow@giz.de

Das können sie beispielsweise in einer sechs Hektar großen Obstplantage in Andijan. Mohammad Sadiq Hidayatov ist einer der Bauern, die in diesem Modellgarten eine Weiterbildung erhalten haben. Er führt durch die Reihen von Apfel- und Birnbäumen. „Wir haben hier auf jeweils zwei Hektar Tröpfchenbewässerung, Sprinkler und die normale Furchenbewässerung.“ So hätten er und die anderen gesehen, welchen Unterschied im Wasserverbrauch die verschiedenen Bewässerungsmethoden ausmachten. Die Erkenntnisse setzen sie auf ihren landwirtschaftlichen Flächen um.

Der Modellgarten, Traktoren, ein Wasserbecken und eine Pumpenanlage wurden von der GIZ mittlerweile an die Flusseinzugsgebietsverwaltung übergeben. Geht es nach Shukhratjon Ergashev, soll es nicht bei diesen ersten praktischen Schritten bleiben. Der usbekische Wasserexperte wünscht sich, dass auf oberster politischer Ebene erkannt werde, dass der Klimawandel unmittelbar spürbar sei. „Früher hatten wir hier etwa alle 30 Jahre ein Dürrejahr“, sagt er, „heute passiert das alle sieben oder acht Jahre.“

Er habe erlebt, wie über die Ressource Wasser erbitterter Streit entstanden sei: zwischen den Bauern in seinem Verwaltungsgebiet, aber auch zwischen den Ländern. Dabei hätten die Menschen im nur zehn Kilometer entfernten Kirgisistan genau die gleichen Probleme. „Aber egal, welche Politik in den vergangenen Jahren gemacht wurde“, sagt Ergashev, „wir Wasserleute auf beiden Seiten der Grenze haben den Kontakt nie verloren.“ Diesen Pragmatismus hofft Programmmanagerin Milow auch künftig nutzen zu können. „Denn wir müssen die Probleme in Zentralasien jetzt lösen, sonst steht die Sicherheit in dieser Region in Zukunft wirklich auf dem Spiel.“

Ziele für nachhaltige Entwicklung
Zu folgenden Nachhaltigen Entwicklungszielen (SDGs) der Vereinten Nationen trägt das Vorhaben bei:
SDG 6: Sauberes Wasser und Sanitäreinrichtungen SDG 12: Nachhaltige/r Konsum und Produktion SDG 13: Maßnahmen zum Klimaschutz SDG 15: Leben an Land