Armut weltweit: Wie ungerecht ist die Welt?
Die verschiedenen Krisen der letzten Jahre haben vor allem Ländern des Globalen Südens zugesetzt und die Kluft zwischen Arm und Reich vergrößert.
- Wie viele Menschen in Armut gibt es auf der Welt?
- Wo sind die Unterschiede zwischen Arm und Reich besonders groß?
- Sind die Armutszahlen genderunabhängig?
- Haben alle Armutsprogramme der vergangenen Jahrzehnte nichts geholfen?
- Welche Auswirkungen ergaben sich durch die Corona-Pandemie auf die weltweite Armut?
- Welche Rolle spielt der Klimawandel in Bezug auf Armut?
- Lässt sich SDG 1 – keine Armut – bis 2030 erreichen?
Wie viele Menschen in Armut gibt es auf der Welt?
Aktuell leben nach Berechnungen der Weltbank rund 712 Millionen Menschen in extremer Armut. Das entspricht etwa 9 Prozent der Weltbevölkerung. Sie haben weniger als 2,15 US-Dollar am Tag zur Verfügung.
Wie ungerecht ist die Welt?
Die Unterschiede zwischen und innerhalb von Ländern sind nach wie vor groß und haben sich zuletzt sogar noch verstärkt. Das geht aus dem jüngsten World Inequality Report der Weltbank hervor. Demnach verfügt die untere Hälfte der Weltbevölkerung nur über 8,5 Prozent des Einkommens, während die oberen 10 Prozent mehr als die Hälfte für sich beanspruchen können.
Gilt das auch für Vermögen?
Hier sind die Unterschiede noch krasser: Die reichsten 10 Prozent verfügen über rund 76 Prozent allen Vermögens, während die unteren 50 Prozent gerade einmal einen Anteil von zwei Prozent am globalen Vermögen besitzen. Die Kluft zwischen unten und oben hat zuletzt weiter zugenommen: So konnten die reichsten fünf Männer (tatsächlich alles Männer) der Welt ihr Vermögen seit 2020 sogar verdoppeln.
Wo sind die Unterschiede zwischen Arm und Reich besonders groß?
Am gerechtesten geht es in Europa zu. Danach kommt Ostasien vor Nordamerika. Die größten Unterschiede zwischen Arm und Reich beim Einkommen verzeichnen Nordafrika und der Nahe Osten, gefolgt von Subsahara-Afrika und Lateinamerika. Dabei ist der Graben größer innerhalb von Staaten als zwischen Staaten. Das heißt, die Welt hat sich auf Staaten-Niveau in den vergangenen vier Jahrzehnten angenähert, Unterschiede innerhalb von Ländern aber bisher schlechter beseitigen können. Diese sind im Gegenteil sogar noch gewachsen.
Sind die Armutszahlen genderunabhängig?
Frauen sind häufiger von Armut betroffen und haben einen geringeren Anteil am globalen Einkommen. Er liegt heute bei 35 Prozent gegenüber 31 Prozent im Jahr 1990. Eigentlich müsste er ihrem Bevölkerungsanteil entsprechend bei 50 Prozent liegen. Hier hat sich in den vergangenen dreißig Jahren wenig getan. Der Fortschritt ist zu langsam, um in absehbarer Zeit Gleichheit zu erreichen. Besonders gravierend sind die Einkommensunterschiede zwischen Männern und Frauen in Nordafrika und dem Nahen Osten sowie in Asien.
Haben alle Armutsprogramme der vergangenen Jahrzehnte nichts geholfen?
Tatsächlich haben sie sogar viel bewirkt: Zwischen 1990 und 2019 reduzierte sich die extreme Armut von knapp 38 Prozent auf etwa 9 Prozent. Zu dem Zeitpunkt lebten insgesamt 1,3 Milliarden Menschen weniger in extremer Armut als dreißig Jahre zuvor. Das ist ein großer Erfolg und auch internationalen Unterstützungsprogrammen zu verdanken. Dieser positive Trend wurde durch die Corona-Pandemie jedoch gestoppt.
Welche Auswirkungen ergaben sich durch die Corona-Pandemie auf die weltweite Armut?
Covid-19 brachte zum ersten Mal seit Jahrzehnten wieder einen Anstieg extremer Armut mit sich. Obwohl die Pandemie mittlerweile weitgehend abgeklungen ist, wurde das Vorkrisenniveau bei den Armutsraten seither, global betrachtet, noch nicht wieder erreicht. Geschätzte 23 Millionen Menschen mehr (letzte verfügbare Zahlen aus dem Jahr 2022) leiden unter extremer Armut als vorher. Getrieben wurde diese Entwicklung vor allem von Subsahara-Afrika und anderen fragilen, oft von Konflikten betroffenen Gebieten. Ein anderes Bild ergibt sich für die wohlhabenden Weltregionen: Dort ist die Zahl wieder auf das Niveau von vor der Pandemie gefallen.
Sind Geld und Einkommen ein gutes Maß, um Ungleichheit und Armut zu messen?
Armut sollte aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet werden und nicht nur finanzielle Kriterien berücksichtigen, obwohl diese natürlich wichtig sind. Man spricht dann von mehrdimensionaler Armut, weil hier neben unzureichendem Einkommen auch Faktoren wie mangelnde Bildung, Gesundheit oder fehlender Zugang zu sozialer Sicherung erfasst werden.
Wie hoch ist die Armut bei dieser Betrachtungsweise?
Es leben wesentlich mehr Menschen in mehrdimensionaler Armut als in extremer, monetärer Armut, derzeit rund 1,1 Milliarden, darunter knapp 570 Millionen Kinder. Sie erhalten beispielsweise zu wenig Schulbildung, haben keine angemessene Unterkunft oder keine Toiletten und Waschgelegenheiten. Dadurch können sie kaum Perspektiven für eine bessere Zukunft entwickeln. Die meisten leben in Subsahara-Afrika oder Südasien.
Welche Rolle spielt der Klimawandel in Bezug auf Armut?
Die Folgen der Erderwärmung treffen Arme besonders hart. Das hat mit geografischen Gegebenheiten zu tun, aber auch mit sozialen. Arme Menschen können sich beispielsweise weniger gut vor Überschwemmungen oder Hitze schützen. Ungerecht ist dies auch deswegen, weil sie am wenigsten zum Klimawandel beigetragen haben: So emittieren die ärmsten 74 Staaten nur 10 Prozent aller Treibhausgase, haben aber überproportional mit den Folgen zu kämpfen. Ohne konsequenten Klimaschutz werden die Armutszahlen bis zur Mitte des Jahrhunderts ansteigen.
Lässt sich SDG 1 – keine Armut – bis 2030 erreichen?
Wenn nicht gravierende Änderungen eintreten, werden sich weder monetäre noch mehrdimensionale Armut bis 2030 beseitigen lassen. Dazu ist der Fortschritt nicht schnell genug, zumal sich die Zahlen zuletzt in Teilen der Welt wieder verschlechtert haben.
Was sind die wichtigsten Faktoren, um Armut zu beseitigen?
Armut ist ein komplexes Phänomen und daher nicht durch eindimensionale Maßnahmen zu lösen. Aber unstreitig ist, dass Zugang zu sozialer Sicherung, Bildung und zu fairer Beschäftigung – „decent work“ – einen beträchtlichen Beitrag zur Befreiung aus der Armut leisten können.