Den SDGs neuen Schub verleihen
Halbzeit bei den nachhaltigen Entwicklungszielen: Wo wir stehen und was das für die internationale Zusammenarbeit bedeutet, erklärt Julia Iversen.
Seit 2015 ist die Agenda 2030 mit ihren fünf Prinzipien und 17 Zielen die Richtschnur internationalen Handelns. Sie hat die alte Ära der Millenniumsentwicklungsziele (auf Englisch: Millennium Development Goals, kurz MDGs) abgelöst und markierte zugleich einen Neuanfang, denn anders als die MDGs gilt diese Agenda für alle Länder, sie ist universell. Zusammen mit dem Pariser Klimaabkommen bildet sie den Rahmen für die deutsche Entwicklungszusammenarbeit. Seither sind gut sieben Jahre vergangen und aus heutiger Sicht lässt sich festhalten: Das Zielsystem hat sich bewährt. Die SDGs sind sehr präsent; sie prägen längst nicht nur die Entwicklungszusammenarbeit, sondern an ihnen orientieren sich rund um den Globus auch Organisationen, Unternehmen und Institutionen aller Art.
Die Ziele liegen noch in weiter Ferne, deshalb wird beim SDG-Gipfel im September keine Feierstimmung aufkommen.
Deshalb kann es als großer Erfolg bezeichnet werden, die Welt 2015 auf diese gemeinsame Agenda eingeschworen zu haben. Sie ist letztlich nichts anderes als ein Plan zur Transformation, zur nachhaltigen Umgestaltung unseres Planeten und unserer Gesellschaften – hin zu mehr Gerechtigkeit, Nachhaltigkeit und Wohlstand.
Trotzdem wird bei dem bevorstehenden SDG-Gipfel im September keine Feierstimmung aufkommen. Zu weit entfernt ist das Erreichen der Ziele; zu viel an Arbeit steht noch aus. Setzt sich die derzeitige Entwicklung fort, wird bis 2030 nur ein kleiner Teil der 17 SDGs erfüllt sein. Von den rund 140 Unterzielen, zu denen eine ausreichende Datengrundlage vorliegt, sind nur 12 Prozent auf dem richtigen Weg, rund 30 Prozent sind sogar rückläufig.
Krisen und Fragilität als hemmende Faktoren
Gründe dafür gibt es viele: Die Corona-Pandemie spielt eine entscheidende Rolle. Aber auch der russische Angriffskrieg auf die Ukraine und die damit verbundene unsichere Nahrungsmittelversorgung, der Klimawandel, der Verlust an Biodiversität und die steigende Fragilität – das sind einige der Faktoren, die sich negativ auf die Arbeit an den SDGs auswirken.
Die Wechselwirkungen zwischen diesen Krisen und der Umsetzung der Agenda 2030, aber auch die Wechselwirkungen zwischen den einzelnen SDGs sind Gegenstand umfassender Forschung. So wissen wir, dass einige der SDGs eine besondere Hebelwirkung entfalten können. Wie zum Beispiel die Qualität der Regierungsführung: Inklusive, partizipative, rechenschaftspflichtige und transparente Institutionen – wie in SDG 16 beschrieben – haben eine positive Auswirkung auf alle anderen SDGs.
Dazu gehört auch SDG 5, Gleichberechtigung der Geschlechter, weil die Gleichstellung marginalisierter Gruppen insgesamt positive Entwicklungswirkungen mit sich bringt. Ähnliches gilt für SDG 17, Finanzierung und Partnerschaften. Denn die Frage nach ausreichend Finanzmitteln, inklusive Eigeneinnahmen und Geldern aus der Privatwirtschaft, wird für die weiteren Fortschritte bei den SDGs entscheidend sein. Bei alldem gilt es zudem die Potenziale der Digitalisierung zu nutzen, damit diese als Katalysator fungieren kann.
Agenda 2030 für die GIZ maßgeblich
Auch für die GIZ ist die Agenda 2030 handlungsleitend. Wir haben in den letzten sieben Jahren starke Anstrengungen unternommen, um beispielsweise das Prinzip „Leave no one behind“ („niemanden zurücklassen“) systematischer in unseren Projekten zu berücksichtigen. Zudem arbeiten wir in vielen unserer Vorhaben sektorübergreifend und berücksichtigen dabei positive und negative Wechselwirkungen zwischen den Zieldimensionen verschiedener SDGs.
Auch unsere Projektkonzepte sind auf die SDGs ausgerichtet; es wird genau festgehalten, auf welche der 17 Ziele – meist sind es mehrere – sie einzahlen. Darüber hinaus setzen wir im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung das „Initiativprogramm Agenda 2030“ um, eine Besonderheit in der internationalen Geberlandschaft. Denn es geht systemische Herausforderungen der Partnerländer bei der Umsetzung der Agenda 2030 an.
Einzigartiges Programm
Konkret arbeiten wir dabei in drei Bereichen: Strategie, Finanzierung und Überprüfung, weil sie besonders relevant sind für strukturelle Veränderungen und transformative Ansätze. In Madagaskar unterstützen wir Kommunen zum Beispiel dabei, ihr Finanzmanagement zu verbessern, damit sie erstens mehr Mittel zur Verfügung haben und diese zweitens gezielter zur Armutsreduzierung einsetzen können. Um ein Drittel sind die Budgets im Schnitt mittlerweile gestiegen.
Mit Mexiko wurde eine der weltweit ersten nationalen Strategien zur Umsetzung der Agenda 2030 verabschiedet und ein Rat für Entwicklung etabliert. Myanmar, Kambodscha und Kenia haben damit begonnen, ihre Statistiksysteme weiterzuentwickeln, um die SDG-Indikatoren verlässlich zu messen. Im Rahmen des Initiativprogramms unterstützen wir mittlerweile 32 Partnerländer und drei Regionalorganisationen mit einem Gesamtwert von fast 100 Millionen Euro bei der Umsetzung der Agenda 2030. Das ist einmalig.
Neues Bekenntnis, stärkeres Engagement
Erst vor kurzem hat UN-Generalsekretär António Guterres 500 Milliarden Dollar pro Jahr als „SDG-Stimulus“ gefordert. Diese Zahl zeigt eindrücklich, für wie groß er die Hürden noch hält auf dem Weg zu größeren Fortschritten bei den SDGs bis 2030. Die GIZ wird auch in den verbleibenden sieben Jahren hier nicht nachlassen und die Arbeit an der Agenda 2030 nach Kräften vorantreiben, weil es weiterhin einer großen gemeinsamen Anstrengung der Weltgemeinschaft bedarf, um die SDGs zu erreichen.
Vor diesem Hintergrund bietet der SDG-Gipfel im September eine günstige Gelegenheit, das globale Bekenntnis zu den SDGs zu erneuern und dem weltweiten (finanziellen) Engagement dazu neuen Schub zu verleihen. Denn die Agenda 2030 bleibt als Aktionsplan für die Transformation unserer Welt unverzichtbar.