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In Zentralamerika sind viele junge Menschen arbeitslos, gleichzeitig suchen Unternehmen nach Fachkräften. Eine Initiative erleichtert Jugendlichen den Berufsstart. Vier Stimmen aus Costa Rica

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Klaus Ehringfeld
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César Arroyo

„Ich bin verliebt in mein Fach Elektromechanik, obwohl es eine männliche Domäne ist.“

Naomi Quesada (17) ist Fachschülerin für Elektromechanik am Berufsgymnasium Colegio Técnico Don Bosco im Centro de Educación Salesiana (CEDES) Don Bosco in San José (Costa Rica).

„Ich spezialisiere mich in Elektromechanik und bin so in einer männlichen Domäne unterwegs. In meinem Kurs sind wir drei Mädchen und 16 Jungen. Aber mir macht das nichts, mich fasziniert das. Obwohl es noch ganz schön schwer ist als junge Frau in der Elektromechanik. Selbst meine Eltern fanden am Anfang komisch, was ich mache. Aber ich bin richtig verliebt in mein Fach. Später will ich unbedingt draußen arbeiten, Büro ist nichts für mich. Große Anlagen sollen es sein, das gefällt mir sehr: große Elektromotoren oder Stromanlagen und -systeme. Und ich stecke in der Planung für meine Universitätsausbildung. Entweder will ich Mechatronik studieren oder Elektroingenieurwesen. Ich habe mich schon an zwei Unis erkundigt. Das Tolle an unserer Schule ist, dass sie uns hier Türen in viele Richtungen öffnen und wir eine um­fassende Ausbildung bekommen. Ich habe an einem zweiwöchigen Schüleraustausch mit Chicago in den USA teilge­nommen. Außerdem haben wir Umweltschutz-Exkursionen ­gemacht. So erweitern wir unseren Horizont. Und für eine private Schule sind die Gebühren sehr moderat, meine Eltern können die 60.000 Colón (nach aktuellem Kurs 85 Euro) pro Monat gerade bezahlen. Auch die Kosten für die Ausflüge und anderen Angebote sind vergleichsweise niedrig.“ —

„Unser Abschluss öffnet den Jugendlichen die Türen bei vielen Firmen.“

Chrisitan Jiménez (42), Verwaltungsdirektor des CEDES Don Bosco in San José

„Unsere Zusatzausbildung, das ,Diplomado‘, gibt unseren Absolventinnen und Absolventen auf dem Arbeitsmarkt ein Alleinstellungsmerkmal. Die Jungs und Mädchen haben zwar nicht das Niveau von Ingenieur*innen, aber sie haben doch deutlich mehr Wissen gesammelt als Facharbeiter*innen. Sie sind besser vorbereitet als Gleichaltrige. Man könnte unsere Absolvent*innen als qualifizierte Facharbeiter*innen bezeichnen. Das hat den Schülerinnen und Schülern die Tür bei vielen Firmen geöffnet. Von unseren Absolvent*innen sind 82 Prozent in Lohn und Brot gekommen. Sie sind schnell in der Lage, selbst Prototypen im Rahmen der digitalen Fertigung für die Industrie herzustellen. Der Großteil unserer Studierenden stammt aus einfachen Verhältnissen. Daher hat die Ausbildung bei uns auch eine hohe soziale Wirkungskraft. Viele Absolvent*innen verdienen mit kaum 20 Jahren schon mehr Geld als ihre Eltern. Sie tragen so zur Verbesserung des Familieneinkommens bei und helfen auch langfristig, die Lebenssituation ihres Viertels zu verbessern. Unsere Zusammenarbeit mit der GIZ ging weit über eine finanzielle Komponente und die Ausrüstung des Labors hinaus. Die GIZ hat sich auch aktiv an der Entwicklung des Projekts und seiner Inhalte beteiligt. Das fand ich beeindruckend, und das hat vor allem sehr viel Spaß gemacht.“ —

„Ich habe richtig Lust bekommen, weiterzulernen.“

María José Fallas (20), Feinmechanikerin und Maschinenbaustudentin in Costa Rica

„Ende 2015 habe ich bei der Firma MircoVention als Praktikantin angefangen. Daraus wurde Anfang 2016 ein festes Anstellungsverhältnis. Heute arbeite ich als ausgebildete Feinmechaniker-Technikerin und Industriedesignerin im Ideenlabor ,Tool-Shop‘ und setze die Gedanken der Ingenieur*innen und Maschinenführer*innen am Computer um. Ich bin die einzige Industriedesignerin hier in der Abteilung, daher ist die Kooperation mit den Kolleg*innen sehr eng. Sie sagen mir, was sie brauchen, und ich suche und entwerfe am Computer eine Lösung. Meine Aufgabe ist es, aus den Ideen etwas Brauchbares und vor allem Baubares zu machen. Meis­tens muss es schnell gehen, weil Lösungen gesucht werden für Probleme, die plötzlich aufgetreten sind. Mir haben dabei das Colegio Técnico Don Bosco und die Zusatzausbildung zur Industriedesignerin mit dem Schwerpunkt digitale Fertigung sehr geholfen. Jetzt kann ich Handwerk und Kreatives kombinieren. Und ich habe richtig Lust bekommen, weiterzulernen. Inzwischen studiere ich Maschinenbau und will mich später selbstständig machen. Ich arbeite in meinem Job 30 Stunden die Woche und den Rest widme ich dem Studium. Als Teilzeitkraft verdiene ich 120 Dollar die Woche. Das lässt mir Freiheiten, zumal ich noch zu Hause lebe. Ich möchte später gerne einmal etwas mit erneuerbaren Energien machen. Costa Rica ist ja reich an alternativen Energiequellen.“ —

„Die deutsche duale Ausbildung ist ein Erfolgsmodell.“

Roland Bolaños (58), Koordinator der Kommission für Innovation an Costa Ricas Industriekammer.

„Wir finden die Idee der Ausbildung, so wie sie an der Berufsbildungsschule CEDES funktioniert, beispielhaft und würden das gerne auch anderenorts wiederholen. Also eine theoretische Ausbildung mit anschließendem Praktikum, über das die Absolvent*innen oft einen guten Job finden. So kann auch das Familieneinkommen steigen und die soziale Situation der Menschen verbessert sich. Was uns an der Kooperation mit der GIZ gefällt, ist der Wissenstransfer. Die Teilnehmer*innen erwerben Kenntnisse, die sonst schwer zu bekommen wären. Wir von der Kammer haben uns in der Welt umgeschaut – zum Beispiel in Taiwan. Auch sie haben gute Modelle, aber die deutsche duale Ausbildung ist nun einmal ein Erfolgsmodell. Ein großes Plus des Projekts sind die Ausrüstung der Labore und die Maschinen. Allerdings macht eine gute Ausrüstung nur Sinn, wenn sie jemand bedienen kann. Das Projekt bietet eine Win-win-Situation: für uns, die Unternehmer*innen und vor allem die CEDES-Schüler*innen. Hier in Costa Rica sind sich Unternehmer*innen ihrer sozialen Verantwortung bewusst. Deshalb ist das Colegio von Don Bosco das Sozialprojekt der Industriekammer. In den vergangenen zwanzig Jahren haben wir die Schule mit Ausbildungs- und Lehrmaterial sowie direkten Spenden im Umfang von 25 Millionen Dollar unterstützt.“ —

DAS PROJEKT IN ZAHLEN

7.600 Jugendliche
zählten die Ausbildungsprogramme von „Facilidad“.

 

Für 3.000 Menschen
hat sich die Beschäftigungssituation verbessert.

 

53 Prozent
davon sind Frauen.

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