Gastbeitrag

Gesundheit von Mensch, Tier und Umwelt

BMZ-Staatssekretärin Dr. Maria Flachsbarth erklärt in einem Gastbeitrag, warum der One-Health-Ansatz zur Vorbeugung weiterer Pandemien unerlässlich ist und wie ihn die Bundesregierung fördert.

Maria Flachsbarth

In der globalisierten Welt kann ein lokales Infektionsgeschehen in kürzester Zeit zu einer Pandemie mit katastrophalen Auswirkungen führen. Das SARS-CoV-2 Virus zeigt das in aller Dramatik. Bei COVID-19 handelt es sich um eine Zoonose – eine Infektionskrankheit, die wechselseitig zwischen Tier und Mensch übertragen wird. Rund drei Viertel aller neu auftretenden Infektionskrankheiten beim Menschen haben ihren Ursprung im Tierreich.

Enge Kontakte zwischen Mensch und Tier, aber auch industrielle Tierhaltung erhöhen das Risiko, dass neue Zoonosen entstehen. Die Lage ist kritisch angesichts einer wachsenden Weltbevölkerung, dem Vordringen des Menschen in unberührte Lebensräume und der industriellen Landwirtschaft. Auch der Klimawandel, globale Mobilität, Biodiversitätsverlust und nicht zuletzt antimikrobielle Resistenzen begünstigen die Ausbreitung von Erregern.

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So wird klar: Unsere Gesundheit hängt eng mit der Gesundheit unserer Umwelt zusammen. Gesundheitsschutz ist eine komplexe Aufgabe, bei der neben der Humanmedizin auch die Veterinärmedizin und die Umweltwissenschaften interdisziplinär zusammenarbeiten müssen. Hier setzt der ganzheitliche One Health-Ansatz an – mit dem Ziel, Krankheiten vorzubeugen und Gesundheit unter Berücksichtigung der Wechselbeziehungen zwischen Menschen, Tieren und Umwelt zu bewahren. Der One Health-Ansatz ist nicht neu, wird aber bislang leider nur punktuell berücksichtigt.

Deshalb sind wir im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) dabei, den One Health-Ansatz stärker in der deutschen Entwicklungszusammenarbeit zu verankern. Unser Ziel ist eine bessere Kommunikation und Kooperation auf allen Ebenen, vom Schulkind über Nichtregierungsorganisationen und die Wissenschaft bis zu politischen Entscheidungsträgerinnen und -trägern. Wir stärken Gesundheitssysteme und widmen uns vor allem den Themen Zoonosen und Antibiotikaresistenzen.

In einigen unserer Partnerländer, wie Vietnam oder Ghana, hat sich bereits eine enge interdisziplinäre Zusammenarbeit im Gesundheitsbereich entwickelt, von der wir auch in Deutschland lernen können. Diese Erfolgsgeschichten beruhen nicht zuletzt auf der Anerkennung der ökonomischen Vorteile, die eine frühzeitige Prävention im Vergleich zur späteren Bekämpfung von Infektionsausbrüchen bietet.

Damit Prävention im Sinne des One-Health-Ansatzes gelingt, braucht es vor allem eines: Die Zusammenarbeit über die Grenzen der Disziplinen hinweg. Human- und Veterinärgesundheit, Umwelt, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften gehören zusammen. Deshalb unterstützen wir mit 15 Millionen Euro das „One Health Research, Education and Outreach Center in Africa“ (OHRECA). Unter der Leitung des „International Livestock Research Institute“ leistet das Zentrum einen signifikanten Beitrag, der Entstehung von Zoonosen vorzubeugen bzw. sie frühzeitig zu erkennen und deren Ausbreitung einzudämmen.

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Wie bereits gesagt: Ein solches koordiniertes Vorgehen erfordert erhebliche Investitionen in Präventionsmaßnahmen. Aber diese Mittel zahlen sich mehrfach aus. Laut Schätzungen wären jedes Jahr 30 Milliarden US-Dollar nötig, um Krankheitsübertragungen zwischen Menschen und Tieren zu reduzieren. Das ist aber immer noch 20 bis 30 Mal kostengünstiger als die Verluste der Weltwirtschaft auf Grund der Covid-19-Pandemie, die allein für das Jahr 2020 auf 5,6 Billionen US-Dollar geschätzt werden.

Um den One-Health-Ansatz erfolgreich umzusetzen, braucht es neben verschiedenen Wissenschaftszweigen auch die Einbindung von Privatwirtschaft und Politik. One Health kann so die Gerechtigkeit und Effektivität von Maßnahmen auf nationaler und subnationaler Ebene erhöhen. Ein kontinuierlicher Dialog, eine transparente Projektkommunikation sowie eine achtsame, kultur- und gendersensible Herangehensweise sind in jedem One-Health-Projekt elementar.

Auch in der multilateralen Zusammenarbeit engagieren wir uns für den One-Health-Ansatz. In der Entwicklung der neuen Strategie des „Globalen Fonds zur Bekämpfung von AIDS, Tuberkulose und Malaria“ (GFATM) wird der One Health-Ansatz ab 2023 bereits stärker berücksichtigt. Hierfür hat sich das BMZ im Strategiekomitee und im Verwaltungsrat aktiv eingesetzt. One-Health ist für die gesamte Arbeit des GFATM – für die Bekämpfung der drei Krankheiten, die Antwort des Fonds auf die Covid-19-Pandemie sowie für die nachhaltige Stärkung von Gesundheitssystemen und zukünftige Pandemievorsorge – von hoher Relevanz.

Das BMZ verfolgt den One Health-Ansatz durch weitere konkrete Programme: zur Reduzierung von Gesundheitsrisiken, zur Stärkung der Human- und Veterinärgesundheitssysteme und für bessere Frühwarnsysteme. Ab diesem Jahr werden wir dafür jährlich bis zu 150 Millionen Euro einsetzen. Dabei ist uns der Aufbau effizienter Strukturen wichtig – bei aller Komplexität soll auf die Kohärenz von Maßnahmen und Steuerungsgremien geachtet werden; deshalb unterstützen wir nachdrücklich die Arbeit des „One Health High Level Expert Panel“ (OHHLEP) der vier auf UN-Ebene maßgeblichen Institutionen, der Weltgesundheitsorganisation (WHO), der Welternährungsorganisation (FAO), des UN Entwicklungsprogramms (UNDP) und der Weltorganisation für Tiergesundheit (OIE).

August 2021