Kakaoanbau

Ernte mit Aussicht

Kakao ist in West- und Zentralafrika ein wichtiges Produkt. Damit Kleinbäuerinnen und -bauern nachhaltig wirtschaften, hat die GIZ mit Partnern ein Trainingsprogramm entwickelt: vier Stimmen, wie die „Farmer Business School“ in Nigeria Existenzen verändert hat.

 

Text und Fotos
Katrin Gänsler

„Als Kind habe ich viel Zeit auf den Feldern und im Wald meines Vaters verbracht. Meistens bin ich direkt nach der Schule zu ihm gegangen. Schon er hat Kakao angebaut. Es war immer klar, dass ich nach seinem Tod die Flächen bewirtschaften werde. Auch meine Geschwister sind Bauern geworden. Was ich wusste, habe ich von meinem Vater gelernt, bis ich 2014 an einer Farmer Business School am Unterricht teilnahm. Dabei habe ich gemerkt, wie wichtig fundiertes Wissen ist.

Karim Azees (35) bewirtschaftet mit seiner Frau vier Hektar Land in Afolu Ise in Nigerias südwestlichem Bundesstaat Ekiti.

Ich habe viel gelernt und angefangen, regelmäßig neue Kakaobäume zu pflanzen und die bestehenden zurückzuschneiden. An den alten hängen nur zwei oder drei Früchte und der Ertrag liegt bei etwa 300 Kilogramm pro Hektar. Nach und nach werde ich sie durch Hybrid-Züchtungen ersetzen. Das sind Kreuzungen von zwei optimalen Elternlinien. Die positiven Eigenschaften sollen vererbt werden. Die ersten der neuen Pflanzen hängen schon voll mit Früchten, weshalb ich eine Verdoppelung meiner Erträge erwarte. Gelernt habe ich auch, wie wichtig die Abstände zwischen den einzelnen Bäumen sind und wie sinnvoll es ist, nicht nur Kakao anzubauen. Ich pflanze zusätzlich Maniok, Kolabäume und Ölpalmen an. Schritt für Schritt wandle ich so das Land zu einem modernen Unternehmen um. Die ersten Gewinne haben meine Frau und ich in die Zukunft unserer vier Kinder gesteckt. Sie sind zwischen 15 und einem Jahr alt und sollen eine gute Ausbildung erhalten. Wir haben entschieden, dass sie Privatschulen besuchen, und zahlen dafür jährlich 126.000 Naira (rund 300 Euro). Mehr als die Hälfte macht die Schulgebühr für unsere älteste Tochter aus. Ohne die Farmer Business School hätten wir uns diese wichtige Investition nicht leisten können.“

„Ohne Wissen zahlen die Bauern einen hohen Preis.“

Fadeke Omolabake Adeoye (33) ist Agrarwissenschaftlerin und „Farmer Business School“-Trainerin in Nigeria.

„Ich habe Agrarwissenschaften studiert, weil ich gerne draußen in der Natur bin. Gleichzeitig kann ich mit Bäuerinnen und Bauern arbeiten. Keine Nation kann ohne Nahrungsmittel überleben, und diese kommen von landwirtschaftlichen Betrieben. Allerdings war mein Studium an der Technischen Universität von Akure im Südwesten Nigerias sehr theoretisch. Nach dem Abschluss war ich zunächst arbeitslos, bis ich 2017 einen Platz im staatlichen Programm N-Power Agro für junge Akademiker*innen bekam. Gemeinsam mit sieben weiteren Teilnehmer*innen aus dem Bundesstaat Ondo erhielt ich eine Ausbildung als Trainerin für die Farmer Business Schools. Wir haben gelernt, die Farmer*innen in Bereichen wie Anbautechnik, Betriebswirtschaft und gesunder Ernährung für die ganze Familie zu unterrichten. Anfangs saß ich selbst auf der Schulbank und habe erfahrene Trainerinnen und Trainer beobachtet, heute unterrichte ich selbst. Das macht mir viel Freude. Ich habe mehr Selbstvertrauen und kann mich besser ausdrücken. Gelernt habe ich auch, wie wichtig Erwachsenenbildung in Nigeria ist und wie man Erwachsene unterrichtet. Um qualitativ hochwertige Produkte zu erzeugen, brauchen Bäuerinnen und Bauern Wissen. Fehlt ihnen das, zahlen sie einen hohen Preis, etwa durch schlechte Ernten. Gleichzeitig lerne auch ich von den Landwirt*innen. Deshalb sehe ich mich nicht als klassische Lehrerin, sondern als jemand, der Wissensaustausch unterstützt. Meine Zukunft liegt in der Beratung von Farmer*innen. In Ondo gibt es 18 Landkreise, aber nur in elf von ihnen gibt es Farmer Business Schools. Es gibt also noch viel zu tun.“

„Durch genaueres Arbeiten setzen wir weniger Chemie ein.“

Sesan Bamigboye (49) ist Kakaobauer und Vorsitzender des Komitees für den Agro-Shop im Dorf Kajola im Bundesstaat Ekiti.

„Die Farmer Business School hat uns auf die Idee gebracht: Wir Bäuerinnen und Bauern sind stärker und erreichen mehr, wenn wir uns in Gruppen zusammenschließen. In unserem Dorf Kajola im Westen Nigerias sind so in den vergangenen Jahren sechs Kooperativen entstanden, die jeweils 30 bis 35 Mitglieder haben. 2016 haben wir uns entschieden, einen Agro-Shop zu eröffnen, und ein Komitee gegründet. Dessen Vorsitzender bin ich. Jeden Morgen zwischen acht und zehn Uhr und am Nachmittag zwischen 16 und 18 Uhr bin ich im Laden und verkaufe Dünger und Pflanzenschutzmittel an die Farmer*innen. Das ist eine große Erleichterung, denn davor mussten sie dafür in die Provinzhauptstädte Akure oder Ado-Ekiti fahren. Die Straßen sind schlecht und die Fahrt dauert über zwei Stunden. Durch unseren Laden sparen sie viel Zeit, aber vor allem Geld. Wir regeln den Transport zusammen, können größere Mengen abnehmen und sie zu günstigeren Preisen anbieten. Wir verkaufen zum Beispiel einen Wirkstoff gegen Schwarzfäule. Diese Pilzkrankheit kann riesige Schäden anrichten. Ist eine Frucht befallen, verfärbt sie sich nach und nach schwarz. Wir verkaufen das Mittel gegen Schwarzfäule für 5.200 Naira (12,50 Euro). Anderswo kostet es 400 bis 500 Naira mehr. Der Agro-Shop bedeutet aber nicht, dass die Farmer*innen nun mehr Dünger und Pestizide einsetzen, im Gegenteil. Wir haben gelernt, unsere Flächen genau auszumessen und die Bäume zu schneiden. So können wir die exakte Menge an Dünger bestimmen. Ich baue selbst Kakao an und habe die Erfahrung gemacht: Durch genaueres Arbeiten spare ich chemische Mittel. Damit schaffen wir es, mehr und besseren Kakao zu produzieren.“

„Farmer können heute auch Dienstleistungen anbieten.“

Olubunmi Ajayi (43) ist Ausbilderin in den Programmen „Farmer Business School“, „Good Agricultural Practice“ und „Cooperative Business School“.

„Ich arbeite für das Agricultural Development Programme des Landwirtschaftsministeriums in Nigerias Bundesstaat Ekiti. 2013 wurde ich ausgewählt, um an einer Trainerfortbildung teilzunehmen. Am Anfang war ich skeptisch, da ich schon an verschiedenen Ausbildungen teilgenommen hatte. Doch bei dieser Fortbildung war mir schnell klar: Sie ist sehr umfassend, wird mich fordern und hat eine andere Dimension. Knapp drei Wochen hat sie gedauert. Neben dem regulären Unterricht mussten wir Gruppenaufgaben lösen und Übungen einreichen. Manchmal habe ich bis ein Uhr morgens daran gearbeitet. Seit dem Ende der Fortbildung habe ich selbst 320  Bäuerinnen und 621 Bauern in drei verschiedenen Programmen unterrichtet. Das Verhältnis ist freundschaftlich. Manchmal werde ich sogar bei persönlichen Dingen um Rat gefragt. Besonders freue ich mich aber über Ideen, die die Teilnehmer*innen nach der Ausbildung entwickeln. Im Dorf Kajola hat eine Gruppe beispielsweise eine kleine Mühle für die Weiterverarbeitung von Palmölfrüchten aufgebaut. Wir empfehlen den Farmer*innen, nicht nur Kakao anzubauen. So entstehen neue Geschäftszweige in der Landwirtschaft und die Kooperativen können Dienstleistungen anbieten. Das kann die großflächige Bekämpfung von Schädlingen sein oder Beratung anderer Farmer. Auch ich habe meinen Haushalt neu aufgestellt. Um Buchhaltung habe ich mich früher nie gekümmert. Heute notiere ich meine Einnahmen und Ausgaben. So ist es mir gelungen, meine eigene Maniok- und Maisfarm aufzubauen. Die ersten Gewinne habe ich in ein Auto investiert. Das ist kein Luxus, sondern erleichtert mir die Arbeit für die Schulungen in entlegenen Dörfern enorm.“

 

Wege aus bitterer Armut

West- und Zentralafrika liefern mehr als 70 Prozent des weltweit produzierten Kakaos. Das „braune Gold“ ist dort die wichtigste Einkommensgrundlage für über zwei Millionen Kleinbäuerinnen und –bauern. Doch die Weltmarktpreise für Kakao schwanken stark und sind in den vergangenen Jahrzehnten gesunken: Von rund 5.000 US-Dollar pro Tonne im Jahr 1980 auf rund 2.300 US-Dollar Anfang 2019. Davon können die kleinbäuerlichen Familien kaum überleben. Sie müssen durchschnittlich mit weniger als zwei US-Dollar pro Person und Tag auskommen. Einen Weg aus der Armut hat das Programm für nachhaltige kleinbäuerliche Kakao- und Nahrungswirtschaft in Côte d’Ivoire, Ghana, Kamerun, Nigeria und Togo angestoßen. Im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung führt es die GIZ mit mehr als 50 internationalen und lokalen Partnern in Afrika durch. Im Zentrum steht die sogenannte „Farmer Business School“ (FBS). Dort lernen die Landwirte, wie sie Kakao und Grundnahrung besser produzieren und damit mehr Einkommen erzielen können. Zudem erhalten sie in „Business Service Centers“ Saatgut, Dünger und Pflanzenschutzmittel, Know-how, Finanzkontakte und Markt­informationen. Und sie lernen mehr über andere Einkommensquellen. Die Erfahrungen nutzen 21 andere Programme der deutschen Entwicklungszusammenarbeit in Afrika. Die Resonanz ist groß: 2018 hat das panafrikanische Master-Trainerprogramm begonnen, damit die Nachfrage nach FBS gedeckt werden kann.

Kontakt: Annemarie Matthess, annemarie.matthess@giz.de
www.ssab-africa.net

 

DAS PROJEKT IN ZAHLEN

1,1 Millionen Kleinbäuerinnen und -bauern wurden mit dem Programm der „Farmer Business School“ in 19 afrikanischen Ländern ausgebildet. Ein Drittel der insgesamt 300.000 Menschen bei den Trainings in Nigeria waren Frauen.

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