Senegal
Strom aus Kuhmist
Omar Kata Faye und Samba Deme schütteln sich ausgiebig die Hände. Um sie herum stehen 100 Rinder in der Abendsonne. Seit einigen Monaten trifft sich der Viehbesitzer regelmäßig mit Omar Kata Faye, dem Nachwuchsforscher. Die Männer sind seit kurzem Geschäftspartner. Den ganzen Tag über haben die Tiere rund um die Stadt Ziguinchor im ländlichen Süden Senegals geweidet. Am Abend werden sie zur Sicherheit in ihren Pferch getrieben. Die Nacht verbringen sie hier in der Obhut von Samba Deme. Er sammelt den Kuhdung ein, denn dafür interessiert sich Omar Kata Faye: Der Mist ist die Hauptzutat für sein Forschungsprojekt.
Der Wissenschaftler von der Assane-Seck-Universität in Ziguinchor hat eine Biogasanlage entwickelt, die aus Kuhdung Strom erzeugt. Solche Anlagen sollen entlegene Dörfer in der Casamançe mit Strom versorgen. Samba Deme liefert einen Teil des Rohstoffs und bekommt dafür Geld.
Junge Leute in Arbeit bringen
Erneuerbare Energien spielen im Senegal, wo rund 15 Millionen Menschen leben, eine immer größere Rolle. Im Mai 2017 erklärte Präsident Macky Sall, dass die Solarenergie bereits ein Fünftel der Stromversorgung sichert. Solarpaneele sind vielerorts sichtbar, immer mehr Firmen bieten ihre Installation an. Doch der Ausbau des Energiesektors soll nicht auf Solarenergie beschränkt bleiben. Mehrere Universitäten haben Studiengänge entwickelt, um genügend Fachkräfte für den wachsenden Markt der erneuerbaren Energien auszubilden.
Das „Hochschulprogramm zu erneuerbaren Energien und Energieeffizienz“ der GIZ im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung bereitet seit 2015 Studenten auf ihre Integration in den Arbeitsmarkt und auf Existenzgründungen vor. Politischer Träger ist Senegals Ministerium für Hochschulbildung und Forschung. An der Kooperation nehmen vier Hochschulen in Thiès, Bambey, Saint Louis und Ziguinchor sowie die TH Köln als deutscher Partner teil. Der Deutsche Akademische Austauschdienst betreut die Kooperation. Im Senegal haben sich bisher rund 100 Studierende eingeschrieben.
Mit dem „Master Interuniversitaire en Energies Renouvelables“ sollen Studenten und Dozenten künftig leichter zwischen den Hochschulen wechseln und die Infrastruktur und jeweiligen Stärken der Hochschulen gemeinsam nutzen können. Bei Sommerschulen haben deutsche und senegalesische Studenten bereits vom Wissen der anderen profitiert. Unterstützung erhalten die Hochschulen vor allem bei der Überarbeitung des gemeinsamen Curriculums. „Der interuniversitäre Ansatz ist im Senegal einzigartig“, sagt GIZ-Programmleiterin Cornelia Seck. Hochschulen können so eigene Schwerpunkte setzen, im Verbund aber das ganze Spektrum der erneuerbaren Energien abdecken.
Eine bessere Vernetzung hat sich auch Omar Kata Faye im Studium immer wieder gewünscht. Er machte im Frühjahr 2017 seinen Masterabschluss. Auf die Frage nach dem Ergebnis lächelt er und sagt, er sei zufrieden. Dafür hat er viele Stunden des Forschens und Ausprobierens auf sich genommen. Jetzt sitzt der 31-Jährige an einem kleinen Holztisch, der zwischen Versuchsraum und Biogasanlage steht. Sein Arbeitsplatz liegt am Rande der Campus-Universität in Ziguinchor, die 2007 gegründet wurde. Die Region Casamançe im Südwesten ist vom Rest Senegals durch das Nachbarland Gambia getrennt. Die isolierte Lage hatte Anfang der 1980er Jahre eine Unabhängigkeitsbewegung hervorgebracht. Inzwischen hat sich die Situation beruhigt, doch langjährige gewalttätige Auseinandersetzungen haben die Entwicklung der Region behindert. „Für mich war es manchmal schwierig, an das Material zu kommen. Ein Messgerät für den PH-Wert war nirgendwo hier aufzutreiben“, sagt der Wissenschaftler. Fündig wurde er erst in Dakar, der 270 Kilometer entfernten Hauptstadt des Senegal.
Erfolgreiches Experiment mit Cashewäpfeln
Der junge Mann holt sein Notizbuch. Den 13. Juni 2017 hat er als wichtigstes Datum eingetragen. An diesem Tag gelang sein Experiment zum ersten Mal: Die Mischung aus 85 Prozent Kuhdung und 15 Prozent Fruchtfleisch des Cashewapfels erzeugte Strom. Cashewäpfel sind in Westafrika weit verbreitet; sie wachsen am Acajoubaum. In ihrem Innern liegen die in Deutschland so beliebten Cashew-Nüsse. Ein Teil des Fruchtfleisches wird zu Saft verarbeitet, doch das meiste verrottet. Omar Kata Faye nutzt jetzt beide Rohstoffe. Er hat verschiedene Mischungsverhältnisse ausprobiert, bis die Biogasanlage endlich lief. „Es hat mich wahnsinnig gefreut, dass das gelungen ist,“ sagt der Wissenschaftler und strahlt noch Monate später.
Bildergalerie: Auch das Fleisch von Cashewäpfeln kommt in die Biomasse.
Omar Kata Faye hat auf diese Weise viel praktische Erfahrung gesammelt. Er zeigt auf die Grube, die er für seine Anlage ausgehoben hat, und auf das kleinere Vorläufermodell. Zuvor hat er im Internet recherchiert und Anleitungen nachgebaut. An Praxiserfahrung, so kritisieren viele Unternehmen, fehle es Hochschulabsolventen im Senegal meistens. „Einige Studenten sind wirklich nur an der Universität“, bestätigt Faye. Ganz lässt er die Kritik aus der Wirtschaft aber nicht gelten: „Längst nicht alle Firmen nehmen Praktikanten.“
Bessere Energieversorgung auf dem Land
Das soll sich mit dem neuen Studiengang der vier Partneruniversitäten ändern. „Wir geben unseren Studenten die Möglichkeit, zusammen mit Berufspraktikern zu arbeiten. Deshalb absolvieren sie nicht mehr nur eine universitäre Ausbildung“, erklärt Professor Lat Grand Ndiaye. Er leitet den Fachbereich Physik und ist in Ziguinchor zuständig für den neuen Masterstudiengang. Er forscht zu Biomasse und hat die Arbeit von Omar Kata Faye betreut.
Beiden ist es auch wichtig, Forschungsergebnisse direkt zu nutzen und damit die Energieversorgung auf dem Land zu verbessern. Omar Kata Faye, der in der Hauptstadt Dakar bei seinem Vater aufgewachsen ist, hat seine Ferien immer bei seiner Mutter in der Casamançe verbracht. Diese Region ist das Schlusslicht im Senegal. Landesweit gilt rund die Hälfte der Bevölkerung als arm, in der Casamance sind es mehr. „Familien haben hier Schwierigkeiten, 3800 CFA (5,79 Euro) für die Gasflaschen auftreiben, die sie zum Kochen brauchen“, sagt Professor Lat Grand Ndiaye.
Genau auf diesen Mangel zielt Omar Kata Fayes Forschung. „Die Menschen müssen das, was sie haben, besser nutzen“, sagt er. „Immer, wenn ich herkam, ist mir aufgefallen, dass es überall Rinder gibt, die Kuhfladen hinterlassen. Ich dachte: Daraus muss man etwas machen.“ Eine Biogasanlage mit einem Volumen von zehn Kubikmetern ist die Lösung.
Strom zum Kochen und für Hausaufgaben
Noch steht das Projekt am Anfang. Doch Omar Kata Faye hat bereits eine Kalkulation aufgestellt, wie sich Biogasanlagen in ländlichen Regionen rechnen können. Die Anfangsinvestition liegt bei umgerechnet rund 1100 Euro und ist abhängig vom Material, das verbaut wird. Sie rentiert sich für einen Haushalt mit acht bis neun Kühen. Dass Biogas im Trend liegt, zeigt auch ein nationales Biogas-Programm des Senegal, das Hilfen bei der Finanzierung von Anlagen für den Hausgebrauch gibt.
Das Gas von Fayes kleiner Biogasanlage reicht, um täglich für die ganze Familie zu kochen und um abends fünf Stunden Licht zu haben. Das ist Omar Kata Faye besonders wichtig: „Nur so können die Kinder auch abends ihre Hausaufgaben machen und für die Schule lernen.“ Weiter zu studieren, das ist auch sein nächstes Ziel: Wenn alles klappt, will er im kommenden Jahr mit seiner Doktorarbeit beginnen. Thema: Erneuerbare Energien.
Ansprechpartnerin: Cornelia Seck > cornelia.seck@giz.de
Januar 2018