Nachhaltige Landwirtschaft in Côte d’Ivoire

Neues Wissen mit Gewinn

Kein Land produziert mehr Kakao als Côte d’Ivoire. Mit Zertifizierungen und Fortbildungen verdienen die Landwirte besser und bauen nachhaltiger an.

Text
Katrin Gänsler
Fotos
Jakob Ganslmeier

Gaston Kouassi Yao sitzt auf einem Baumstamm und blinzelt in die Morgensonne. Der 40-jährige Bauer ist bestens gelaunt, die Gründe dafür stehen in großer Zahl um ihn herum: Kakaopflanzen. Ordentlich gereiht, in einem optimalen Abstand von zweieinhalb bis drei Metern. Einige besonders hohe Bäume geben den anderen Schutz vor zu viel Sonne. Auch der jüngste Baumschnitt ist Yao gelungen: Zweige und Äste, die ohnehin keine Früchte tragen würden, hat er entfernt. Ist eine Plantage so gepflegt und mit System angelegt wie diese, bringt sie dem Bauern einen guten Ertrag.

Der Familientradition treu – schon der Vater von Gaston Kouassi Yao baute in Côte d’Ivoire Kakao an. Der Sohn ist stolz darauf, die Erträge erhöht zu haben.
Der Familientradition treu – schon der Vater von Gaston Kouassi Yao baute in Côte d’Ivoire Kakao an. Der Sohn ist stolz darauf, die Erträge erhöht zu haben.

Hier in Kongokro, einer Siedlung in der Nähe der Departementshauptstadt Gagnoa, gehören Yao sechs Hektar Land, die er von seinem Vater geerbt hat. Fast ehrfürchtig fährt er mit der Hand über den Stamm einer der Pflanzen. „Sie ist mehr als 40 Jahre alt – älter als ich.“ Auf die Familientradition des Kakaoanbaus, die hier 1954 begann, ist Yao stolz. Nur eines bedauert er: Sein Vater hatte kaum Gelegenheit zur Weiterbildung. Deshalb wusste er nicht, wie wichtig die Pflege der Plantagen ist. „Die Erde ist müde geworden, deshalb war der Ertrag nicht mehr gut.“ Mittlerweile ist es Yao gelungen, zwei Hektar zu modernisieren, mit speziellen Techniken etwa beim Baumschnitt. Die übrigen vier Hektar sollen so schnell wie möglich folgen. Dabei erhält Yao gezielte Unterstützung. 

Das neue Wissen mit anderen Bauern teilen

Sie ist für den Bauern kostenlos und kommt aus einem Projekt der GIZ im Auftrag des Handelskonzerns Lidl, das den nachhaltigen Kakaoanbau in Côte d’Ivoire fördert. Dazu hat Lidl gemeinsam mit der GIZ die Landwirtschaftsschule PROCACAO aufgebaut. Die Förderung von Frauen und die Stärkung der Biodiversität stehen dabei besonders im Fokus. Seit 2012 erfahren Bäuerinnen und Bauern in der von der Nationalen Agentur für ländliche Entwicklung ANADER begleiteten Schule beispielsweise, welche Vorteile eine neue Kakaosorte mit dem klangvollen Namen Mercedes hat und wie man junge Pflanzen behandeln sollte. Neben den Seminarräumen bietet die Schule eine große Fläche mit Kakaopflanzen, auf der die Teilnehmer ihr neues Wissen probeweise anwenden können.

Gaston Kouassi Yao hat bereits zwei Fortbildungen von PROCACAO zum nachhaltigen Kakaoanbau besucht. Seine neuen Kenntnisse gibt er nun als sogenannter Multiplikator weiter. Jede Woche unterrichtet er in der kleinen Feldschule, die auf seiner eigenen Kakaoplantage liegt, zwischen 15 und 30 Teilnehmer. Mehr als 2.300 Bauern machen es bereits wie Yao und teilen ihr Wissen mit anderen. Bis Ende 2017 sollen auf diesem Wege rund 18.000 Landwirte in Côte d’Ivoire, dem größten Kakaoanbauland der Welt, erreicht werden.

"Zertifizierung bedeutet Transparenz"

Auch das Thema Beschäftigung kommt bei den Schulungen zur Sprache. Jahrzehntelang haben Mädchen und Jungen auf den Feldern schwere körperliche Arbeiten übernommen, statt zur Schule zu gehen. Sie hantierten ohne Schutz mit Macheten und Düngemitteln. Noch 2015 kam eine Studie der Tulane University aus New Orleans zu dem Ergebnis, dass rund zwei Millionen Minderjährige in Côte d’Ivoire und dem Nachbarland Ghana auf Kakaoplantagen arbeiten. Diese Praxis lehnt Lidl ab und engagiert sich gemeinsam mit der GIZ dafür, die Situation zu ändern. Auch die Kunden fragen inzwischen Kakao aus ethisch unbedenklichem Anbau nach. Mit Hilfe eines Zertifikats kann Lidl diesen nun belegen. „Zertifizierung bedeutet Transparenz“, sagt die Agrarwissenschaftlerin An­drea Göddecke, die das Projekt leitet. 

Bauer Yao möchte ebenfalls zertifizierten Kakao anbauen. Er arbeitet konsequent daran, die Kriterien für das Gütesiegel zu erfüllen, das unter anderem von den Organisationen Fairtrade und Rainforest Alliance vergeben wird. Auch die Organisation UTZ gehört dazu, die ihren Namen aus der Mayasprache bezieht, wo er so viel wie „gut“ bedeutet. Um die Zertifizierung zu erhalten, müssen die Bauern auch nachweisen, dass sie bestimmte ökologische Standards einhalten. Unter anderem darf Dünger nur in Maßen eingesetzt werden. Verteilen dürfen ihn nur Bauern mit spezieller Ausbildung.

Unternehmerisch denken und langfristig planen

Für die umweltschonenden Techniken macht Yao gern Werbung, am liebsten in seiner Kooperative, in der sich mehr als 1.600 Kleinbauern zusammengeschlossen haben. Das System der Kooperativen gibt es in Côte d’Ivoire seit Jahrzehnten, aber in jüngster Zeit erlebt es eine Renaissance. Schließlich sind es die Kooperativen, über die sich die Landwirte zertifizieren lassen können. Und die Zertifizierung bedeutet ein höheres Einkommen. Denn damit kann ein Kakaobauer neben dem staatlich festgelegten Preis von rund 1,50 Euro pro Kilo Kakao zusätzlich eine Prämie erwirtschaften, die zwischen 150 und 200 US-Dollar pro Tonne liegt. Über die Kooperativen – rund 30 sind es derzeit, bis Ende 2016 sollen15 hinzukommen – werden auch die Schulungen angeboten. 

In der Departementshauptstadt Gagnoa schnürt Simone Pelagie Bouabre ihre schweren Stiefel. Die Tasche ist gepackt, das Moped steht bereit. Heute will sie das Dorf Toutoubré besuchen, in dem sie vor einiger Zeit Landwirte ausgebildet hat. Die 50-Jährige arbeitet für ANADER, die Nationale Agentur für ländliche Entwicklung. Deren Mitarbeiter können ebenfalls Multiplikatoren werden. Mehr als 160 Mitarbeiter wie Bouabre hat die GIZ bereits dafür ausgebildet, Landwirte zu schulen. Weitere 100 stehen in den Dörfern, in denen sie leben, den Bauern bei Fragen zur Verfügung. Seit Beginn des Projekts in Côte d’Ivoire im April 2010 haben mehr als 66.000 Kleinbauern gelernt, stärker unternehmerisch zu denken und längerfristiger zu planen. Auftraggeber des Projekts ist das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung.

Mehr Frauen für die Landwirtschaft begeistern

Toutoubré liegt nur eine halbe Stunde von Gagnoa entfernt. Oft ist die Reise in die Dörfer für Bouabre wesentlich länger und mühsamer. In vielen Feldschulen gibt es zudem weder Strom noch Duschen. Wie alle anderen auch, schläft Bouabre dann auf einer geflochtenen Matte auf dem Boden. Die Agrartechnikerin nimmt es gelassen. „Das ist mir viel lieber, als den ganzen Tag in einem klimatisierten Büro zu sitzen.“ 

In ihrem Gepäck fehlen nie die braun und dunkelgrün eingeschlagenen Hefte, die gespickt sind mit Tipps und Übungen: zum Beispiel zur Reinvestition von Gewinnen und zu gesunder Ernährung. Rund ein Dutzend Themen behandelt die Expertin in den jeweils knapp einwöchigen Kursen in den Dörfern. Auch praxisnahe Rechenübungen gehören dazu, das Erstellen von Wirtschaftsplänen und die Abwägung, wann ein Kredit sinnvoll ist. Bouabre erklärt den Landwirten immer auch, warum etwas wichtig ist. Zum Beispiel das Ausmessen der Felder: „Viele kannten die Größe ihrer Plantagen vorher gar nicht. Dabei kann man nur mit diesem Wissen die richtige Menge Dünger einsetzen.“

Eines liegt der Ausbilderin besonders am Herzen: Sie möchte Frauen für die Landwirtschaft begeistern. „Bei einigen Schulungen sind sie bereits in der Überzahl. Ich setze sie immer nach vorne und sage ihnen, dass sie mitmachen und sich einbringen sollen.“ Bislang ist der Kakaoanbau in Côte d’Ivoire eine Männerdomäne. Dabei besitzen auch Frauen Plantagen, weil sie sie geerbt haben oder ihr Geld ebenfalls in Kakao investieren wollen. Auch Bouabre selbst baut Kakao an. „Meine Eltern waren Farmer, und schon während der Schulzeit hatte ich mein eigenes Feld.“ Nach dem Tod des Vaters kämpfte sie dafür, dass das Land nicht nur unter den Brüdern aufgeteilt wurde. Der Einsatz hat sich gelohnt. „Es tut gut“, sagt sie, „immer auf das eigene Land zurückkehren zu können.“

Ansprechpartner:
Andrea Göddecke (Lidl-Projekt) > andrea.goeddecke@giz.de 
Annemarie Matthess > annemarie.matthess@giz.de

aus akzente 2/16

Côte D’Ivoire Karte

WISSEN UND EINKOMMEN

Projekte: Mehrere Projekte zum nachhaltigen Kakaoanbau
Land: Côte D’Ivoire
Auftraggeber: Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Lidl

Côte d’Ivoire ist das größte Kakao-Anbauland der Welt. Viele Bauern können von ihren Einnahmen jedoch kaum leben. Die GIZ engagiert sich deshalb dafür, ihre Situation zu verbessern. Neben der im Auftrag von Lidl eingerichteten Landwirtschaftsschule PROCACAO und dem zweiten vorgestellten Projekt gibt es drei weitere Projekte zum nachhaltigen Kakaoanbau in dem Land. Auf den Schutz der Artenvielfalt in den Nationalparks Taï und Comoé konzentriert sich ein Projekt im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Der Zustand der Parks ist entscheidend für eine erfolgreiche Landwirtschaft. Rund 10.000 Bauern wurden bereits trainiert. Auch in Kooperation mit dem französischen Unternehmen Touton stärkt die GIZ das Wissen von Farmern. Gemeinsam mit der Firma Biopartenaire, einer Tochter des Schokoladenherstellers Barry Callebaut, und der französischen Entwicklungsagentur AFD führt die GIZ eine Krankenversicherung für Bauern und ihre Familien ein. Bereits 5.000 Menschen sind nun abgesichert. Darüber hinaus koordiniert die GIZ das Forum Nachhaltiger Kakao, in dem sich die Bundesregierung, die deutsche Süßwarenindustrie, der Handel und die Zivilgesellschaft zusammengeschlossen haben.