Flüchtlinge in Jordanien

Kostbares Wasser, große Chance

In Jordanien lernen Flüchtlinge das Handwerk des Klempners. Ihre Ausbildung hilft auch, das Wasserproblem zu lösen.

Text
Rolf Obertreis
Fotos
Thomas Imo

Asia Khaled Salamed floh 2011 aus Homs. Maryam Ahmad Hariri verließ Damaskus zwei Jahre später. Shatha Ahmad kehrte ihrer vom Bürgerkrieg geschundenen Heimat 2014 den Rücken. Fatima Ahmad Mubarak aus Daraa im Südwesten Syriens sah 2015 keinen Ausweg mehr. Heute leben die vier Frauen als Flüchtlinge in Jordanien. Erstaunlich gut gelaunt stehen sie in den Schulungsräumen der Hakam-Berufsschule in Irbid, einer der drei größten Städte des Landes, rund 70 Kilometer nördlich der Hauptstadt Amman. In graue Arbeitskittel gekleidet, berichten sie von den schrecklichen Ereignissen in ihrer Heimat. Doch sie erzählen auch von den neuen, positiven Erfahrungen in der Berufsschule.

Ließ alles zurück: Fatima Ahmad Mubarak aus Syrien. In Jordanien lernen sie und weitere Flüchtlinge einen neuen Beruf.
Ließ alles zurück: Fatima Ahmad Mubarak aus Syrien. In Jordanien lernen sie und weitere Flüchtlinge einen neuen Beruf.

Dort ist Praxis angesagt: Asia Khaled Salamed, 39 Jahre alt, und die drei Jahre jüngere Fatima Ahmad Mubarak heben ein Waschbecken auf die Seite. Maryam Ahmad Hariri, 34, und Shatha Ahmad, 24, drehen den Befestigungsring der Mischbatterie auf.

Hab und Gut im Krieg zerstört

Brigitte Schlichting schaut mit strengem, aber wohlwollendem Blick zu. „Gut so“, sagt sie und nickt den vier Syrerinnen zu. Khaled Salamed lächelt. Früher haben sie und die anderen als Schneiderin oder Friseurin gearbeitet, sie waren Hausfrau oder haben studiert. Alle sind Mütter von mehreren Kindern, sind mit ihrem Ehemann geflohen oder haben ihn zurücklassen müssen. So wie Haus, Wohnung, Hab und Gut, wenn es nicht schon im Krieg zerstört wurde.

Nun stehen die vier gemeinsam mit elf weiteren Syrerinnen und 14 Frauen aus Jordanien an den langen Werkbänken der Berufsschule. Schlichting, eine 53 Jahre alte Klempnermeisterin aus Berlin, ist ihre Lehrerin. Sie bringt den Frauen die Leidenschaft für den Beruf der „Sabaka“, der Klempnerin, nahe. Seit mehr als 30 Jahren übt sie selbst diesen Job aus, in Berlin führt sie ihre eigene Firma.

Neuer Mut nach der gefährlichen Flucht

Khaled Salamed will ebenfalls Klempnerin werden und – wenn sie hoffentlich bald in ihre Heimat zurückkehren kann – beim Wiederaufbau der zerstörten Stadt Homs helfen. „Wie die Trümmerfrauen damals in Deutschland“, sagt sie und schraubt weiter an der Armatur. „Und selbstständig arbeiten, unabhängig sein vom Einkommen eines Mannes“, fügt Fatima Ahmad Mubarak hinzu. Nach Europa zu flüchten, war für keine von ihnen eine Option. Jordanien liegt nahe ihrer Heimat, die Kultur ist ähnlich – und nach dem Ende des Krieges wollen sie schnell zurück.

Schon jetzt nutzt Khaled Salamed, eine kleine, energische Frau, die Fähigkeiten, die sie im Kurs gewonnen hat. Sie hilft Freunden und Verwandten und verdient so noch etwas zu den 20 Dinar (umgerechnet rund 25 Euro) hinzu, die Hilfsorganisationen den Flüchtlingen in Jordanien pro Monat geben. Offiziell arbeiten dürfen sie nicht. Nach ihrer gefährlichen Flucht per Auto, zu Fuß und im Bus aus Homs hat Khaled Salamed eine kleine Wohnung in Irbid gefunden. Dort lebt sie seit 2011 zusammen mit ihren sechs Kindern. Zu Hause den Wasserhahn zerlegen und undichte Stellen reparieren – das kann sie inzwischen selbst. Längst wagt sie sich auch an andere Arbeiten in der Wohnung. „Als die Neonröhre defekt war, habe ich die Lampe demontiert – die Anschlussdrähte waren locker. Kein Problem.“

Den Wassermangel in Jordanien bekämpfen

Der Klempnerkurs ist eines der Projekte der GIZ in Jordanien. Er hat zwei Ziele: Er soll Flüchtlingen eine Berufsper­spektive eröffnen und zugleich helfen, eines der gravierendsten Probleme des Landes zu bekämpfen: den Wassermangel. Jordanien gehört zu den trockensten Ländern der Erde. 40 Prozent des Wassers, sagt der deutsche Experte Daniel Busche, gehen zudem durch defekte Armaturen und marode Leitungen verloren. Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung unterstützt nun die Ausbildung von Klempnern: Knapp 300 Frauen und Männer, davon etwa 40 Prozent syrische Flüchtlinge, werden unterrichtet. Am Ende erhalten alle eine Kiste voller Werkzeug. So können sie sich im Anschluss selbstständig machen oder zu einer Kooperative zusammenschließen.

Syrerinnen und Jordanierinnen lernen das Handwerk des Klempners.Syrerinnen und Jordanierinnen lernen das Handwerk des Klempners.Syrerinnen und Jordanierinnen lernen das Handwerk des Klempners.Im Flüchtlingscamp Zaatari leben rund 80.000 Menschen. Die meisten von ihnen sind Syrer.  Bildergalerie: Syrerinnen und Jordanierinnen lernen das Handwerk des Klempners.

Brigitte Schlichting ist ihr Vorbild. Zwei- bis dreimal im Jahr kommt sie für einige Wochen nach Irbid. Sie motiviert die Frauen, stärkt ihr Selbstbewusstsein und ihre Rolle in einer islamischen, von Männern dominierten Gesellschaft. Die Männer haben die Klempnerausbildung für Frauen erst belächelt, sagt Shatha Ahmad. „Das sei körperlich viel zu schwer für uns.“ Sie und die anderen hielten dagegen. Inzwischen haben sie sich den Respekt der Männer erarbeitet. „Nicht wenige von ihnen haben zwei linke Hände und machen beim Reparieren mehr kaputt als heil“, sagt Fatima Ahmad Mubarak und lacht.

Rasanter Bevölkerungszuwachs durch die Flüchtlingskrise

Größten Respekt zollt längst auch Hazim El-Naser den Frauen in Irbid. Er ist Minister für Wasser und Bewässerung und hält damit einen der wichtigsten Posten in der jordanischen Regierung. Pro Jahr stehen in Jordanien jedem Einwohner durchschnittlich 100 Kubikmeter Wasser zur Verfügung. In Deutschland sind es 20-mal so viel. 80 Prozent der Fläche Jordaniens sind Wüste. „Durch die Flüchtlinge aus Syrien hat sich das Wasserproblem massiv verschärft“, sagt El-Naser. „Der Bedarf ist mit einem Schlag um ein Viertel gestiegen. Im Norden, in den es wegen der nahen Grenze die meisten Syrer verschlagen hat, hat er sich fast verdoppelt.“ Der Grundwasserspiegel sinkt Jahr für Jahr im Schnitt um einen Meter, mitunter um bis zu fünf Meter. Alle, auch die Jordanier, müssten sich einschränken.

In Mafraq etwa, einer Stadt im Norden des Landes, hat sich die Bevölkerungszahl durch die Flüchtlingskrise auf rund 200.000 verdoppelt. Manche sagen sogar, sie habe sich verdreifacht. Etwa 80.000 Menschen leben zehn Kilometer östlich von Mafraq in dem rund 750 Fußballfelder großen Flüchtlingslager Zaatari. Nur durch dringende Appelle an die Bevölkerung, Preiserhöhungen und die Zerstörung von 800 illegalen Brunnen von Bauern konnten die Behörden den Zusammenbruch der Wasserversorgung verhindern, sagt der Minister.

Imame und Seelsorgerinnen als Wasserbotschafter

Doch El-Naser weiß, dass das alles nicht reicht – zumal nicht absehbar ist, wie lange die rund 640.000 Flüchtlinge noch in Jordanien mit seinen 6,5 Millionen Einwohnern bleiben. Deshalb wird jede Möglichkeit zum Wassersparen genutzt. Imame und Seelsorgerinnen werden über Möglichkeiten des Wassersparens informiert und Moscheen mit neuen Armaturen ausgestattet. Bei der rituellen Waschung vor dem Gebet und bei der Reinigung der Moscheen werden allein in Amman jedes Jahr 500 Millionen Liter Wasser verbraucht. Mindestens um ein Drittel soll diese Menge verringert werden. Khaled Al Khatib, Imam der Usama Ibn Zaid Moschee in Mafraq, verweist in Gebeten auf die Bedeutung des sparsamen Umgangs mit Wasser, er zitiert entsprechende Verse aus dem Koran. Er und die anderen Imame werden in den Schulungen auch mit Anlagen zum Sammeln von Regenwasser und mit der Nutzung von Brauchwasser vertraut gemacht, das in der Landwirtschaft oder in anderen Betrieben verwendet werden kann. „Mehr als 90 Prozent der Jordanier und Syrer kommen in die Moschee“, sagt der deutsche Experte Björn Zimprich. Imame und Seelsorgerinnen sind daher wichtige Multiplikatoren. Bereits 800 von ihnen wurden seit 2015 zu „Wasserbotschaftern“ geschult, weitere knapp 1.000 sollen folgen.

Ein Video zum Unterricht der künftigen Klempner in Jordanien.

In jordanischen Häusern und Wohnungen wartet derweil viel Arbeit auf die Frauen, die von Brigitte Schlichting zu Klempnerinnen ausgebildet werden. Ihr großer Vorteil: Sie können die Reparaturen auch dann erledigen, wenn nur die Frauen zu Hause sind. Käme ein männlicher Klempner, müsste nach islamischem Verständnis auch der Hausherr zugegen sein. Ob sie in der Moschee ebenfalls Arbeiten an der Installation  erledigen könnten? Imam Al Khatib nickt. „Natürlich“, sagt er. Seine Miene verrät dennoch, dass dies einer kleinen Revolution gleichkommt. Eine Einschränkung macht der 56 Jahre alte Geistliche mit den freundlichen Augen und dem dunklen Vollbart denn auch: Das gehe nur, wenn keine Männer in der Moschee seien. Die Frauen aus dem Kurs würde das nicht stören. Und wohl auch nicht die mehr als 100 anderen, deren Namen auf der Warteliste für den nächsten stehen.

Ansprechpartner: Thomas Schneider > thomas.schneider1@giz.de

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Jordanien Karte

GEFRAGTE PROFIS

Projekt: Unterstützung jordanischer Gemeinden durch die Ausbildung von Flüchtlingen zu Klempnern
Land: Jordanien
Auftraggeber: Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
Politischer Träger: Jordanisches Ministerium für Wasser und Bewässerung
Laufzeit: 2014 bis 2016

Jordanien gilt als eines der trockensten Länder der Welt. Zudem wird viel Wasser vergeudet – weil Leitungen lecken oder schlecht verlegt sind. Nachdem Hunderttausende Syrer vor dem Krieg in ihrer Heimat in das Nachbarland geflohen sind, müssen die knappen Ressourcen nun für noch mehr Menschen reichen. Die Ausbildung von Flüchtlingen zu Klempnern lindert das Problem: Die Wasserverluste in den Gouvernements Amman und Irbid werden verringert. Bislang gibt es zu wenige Fachkräfte, die Leitungen installieren, warten und reparieren können. Durch die Ausbildung erhalten die Schutzsuchenden zudem eine berufliche Perspektive und können eigenes Geld verdienen. Wichtige Partner bei dem Projekt sind der staatliche Berufsbildungsanbieter Vocational Training Corporation und je zwei Berufsschulen in den Gouvernements Amman und Irbid.