Essay: Klima

Klarmachen zur Wende

Der Klimawandel galt lange Zeit als abstrakte Größe und Problem der nächsten Generation. Doch die Folgen der Erderwärmung sind in vielen Ländern bereits erkennbar.

Text
Joachim Müller-Jung

Die Wende ist geschafft. Gerade noch rechtzeitig. Es sind diese beiden Sätze, die am Ende des Klimajahres 2015 und der Konferenz von Paris stehen sollen. Das politische Minimalziel. Den Klimagipfelsturz von vor sechs Jahren in Kopenhagen – mit Ach und Krach überlebt. So ist das mit dem Klimaschutz auf dem Papier, unter dem gemeinsamen Dach der Vereinten Nationen: ein zähes, undurchsichtiges Hängen und Würgen. Das hat Tradition.

Heißt aber auch nicht viel. Denn Scheitern war immer schon einkalkuliert in diesem diplomatischen Poker, der mit dem Erdgipfel von Rio 1992 begonnen hatte. Zu viel stand für die auf ökonomischen Erfolg eingeschworenen Akteure auf dem Spiel, zu groß war scheinbar auch der Spielraum für diplomatisches Taktieren. Die Klimakrise, eine Sorge vor allem der kommenden Generationen? Das war die politische Handlungsmaxime. Und dann waren da ja auch noch die Unsicherheiten der Wissenschaft. Die Frage etwa: Wieso stagniert die globale Durchschnittstemperatur seit anderthalb Jahrzehnten, wo doch der Gehalt an Treibhausgasen in der Luft seit Beginn der Industrialisierung immer schneller steigt?

Auch die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen werden neu justiert

Noch steigt die Konzentration der Treibhausgase in der Atmosphäre weiter. Schuld daran ist unter anderem die Verbrennung fossiler Energieträger. (Foto: Getty Images/National Geographic Creative)
Noch steigt die Konzentration der Treibhausgase in der Atmosphäre weiter. Schuld daran ist unter anderem die Verbrennung fossiler Energieträger. (Foto: Getty Images/National Geographic Creative)

Es sprach, kurz gesagt, lange Zeit nicht viel dafür, dass der globale Klimawandel im ökonomischen Leistungsmarsch der Nationen wirklich ernst genug genommen, dass er als konkrete Gefahr und nicht als statistisches Abstraktum wahrgenommen wurde. Die Klimapolitik schien vielmehr den Worten des Evolutionsbiologen Edward O. Wilson zu folgen: Es sei die Tragik unserer Gegenwart, so Wilson, dass wir Menschen inzwischen ausgestattet seien „mit gottgleichen Technologien, aber auch mit steinzeitlichen Gefühlen und mittelalterlichen Institutionen“.

Nun also, im letzten Drittel des Jahres 2015, in dem auch die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen neu justiert werden, soll sich alles ändern. Die Politik übt sich, je näher der Klimagipfel von Paris rückt, im Therapiemodus. Doch wie jede chronische Krankheit ist das Leiden des Planeten nicht mal schnell mit klimapolitischen Pflästerchen zu kurieren. Ein ausgeklügelter Therapieplan ist entscheidend, einer, der desto schneller greift, je größer der Leidensdruck wird. Da trifft es sich fast schon gut, dass das Fieber des Patienten plötzlich wieder steigt: 2015 steuert auf ein neues Rekordjahr der Klimaerwärmung zu.

Die vermeintliche Pause der Erderwärmung könnte also parallel zur klimapolitischen Stagnation in diesem Jahr – zumindest inoffiziell – enden. Der Grund ist schnell gefunden: El Niño, das „Christkind“ genannte, alle paar Jahre wiederkehrende Klimaphänomen, das sich durch ungewöhnlich warme Wassermassen im zentralen und östlichen Pazifik auszeichnet, sorgt für mehr warme Luftmassen und treibt die globalen Durchschnittstemperaturen in die Höhe. Wetterextreme rund um den Globus sind die Folge, Überschwemmungen im Westen Südamerikas beispielsweise und Dürren in großen Teilen Australiens sind schon spürbar. El Niño entwickelt sich nicht ganz unabhängig vom Klimawandel. Doch die Anomalie ist unbestritten eines der vielen natürlichen, schon Jahrtausende alten, zyklischen Naturphänomene.

Pause oder keine Pause bei der Erderwärmung?

Macht also die von Treibhausgasen angefachte Erwärmung womöglich doch weiter Pause? Dafür spricht derzeit nicht viel. Einige Studien der jüngsten Zeit entlarven die unerwartete Stagnation als vorübergehend oder gar als insgesamt zweifelhaft, nachdem man bemerkt hatte, dass alte Messungen der Ozeantemperaturen von Schiffen nicht richtig mit Bojenmessungen abgeglichen worden waren. Von der überschüssigen Energie, die durch den Treibhauseffekt die Atmosphäre aufheizt, gelangt offensichtlich ein großer Teil in die Tiefe der Ozeane. Mit anderen Worten: Die Wärme ist nur zwischengelagert. Die Klimaforscher erwarten, dass die Ozeanpumpe diese Wärme früher oder später wieder an die Oberfläche transportieren und die Luft aufheizen wird.

An den Projektionen der Klimaforschung ändern die neuen Befunde ohnehin nichts. Nach der Erwärmung von im Mittel 0,85 Grad seit Ende des 19. Jahrhunderts ist dem Weltklimarat zufolge bis zum Jahr 2100 mit einem zusätzlichen Temperaturanstieg von 1,5 bis 4 Grad zu rechnen. Entscheidender Antrieb: der ungebrochene Ausstoß von Treibhausgasen, vor allem Kohlendioxid, und damit im Wesentlichen die Verbrennung von fossilen Brennstoffen – Kohle, Öl, Gas. Die Konzentration des Spurengases Kohlendioxid hat in diesem Jahr zum ersten Mal dauerhaft die Schwelle von 400 ppm (Anteile pro eine Million Luftpartikel) überschritten. Damit hat sie sich seit Beginn der Industrialisierung um mehr als 40 Prozent erhöht; und sie war vermutlich auch niemals so hoch in den vergangenen 800.000 Jahren.

In vielen Städten ist die Luftverschmutzung sicht- und spürbar; sie leiden, wie Santiago de Chile, regelmäßig unter Smog. (Foto: dpa/Sebastian Silva)"
In vielen Städten ist die Luftverschmutzung sicht- und spürbar; sie leiden, wie Santiago de Chile, regelmäßig unter Smog. (Foto: dpa/Sebastian Silva)"

Dass dies Folgen für den Energiehaushalt des Planeten hat, stellt heute nur noch eine kleine Randgruppe von „Klimaskeptikern“ infrage. Von knapp 14.000 wissenschaftlichen Artikeln, die zwischen 1991 und Ende 2012 veröffentlicht wurden und in der Onlinedatenbank „Web of Science“ erschienen, zweifelten 581 Publikationen den menschenverursachten Klimawandel an, ganze 0,17 Prozent lehnten diese Erklärung ausdrücklich ab. Damit ist die Erderwärmung unstrittig; sie hat auch nichts Abstraktes mehr, seitdem an immer mehr Stellen des Planeten die Folgen erkennbar sind. Die amerikanische Atmosphärenforscherin Katharine Hayhoe zählte jüngst 26.500 unabhängige Indikatoren, die zeigen, dass der globale Wandel bereits unterwegs ist. Das Wachstum der Korallen im Great Barrier Reef vor Australien etwa hat sich seit den 1970er Jahren um 40 Prozent verringert. Ursache ist die Versauerung des Meeres: Das Kohlendi oxid, das sich bei höheren Atmosphärenkonzentrationen stärker im Wasser löst, erschwert die Kalkbildung der Riffbildner. Ähnliches hat man vor Thailand und im Roten Meer beobachtet.

15.000 Wetterextreme gab es zwischen 1994 und 2013, die meisten davon in Entwicklungsländern. Und ihre Zahl steigt. Quelle: Germanwatch

Mit der Verschiebung der Klimazonen verändern sich auch Lebensräume spürbar und dauerhaft. Vögel etwa reagieren auf diesen Wandel massiv. Inzwischen beginnen manche Arten, vor allem jene, die temperaturbedingt keine langen Wanderungen mehr auf sich nehmen müssen, Biotope zu dominieren. Dadurch verschiebt sich die Zusammensetzung der Arten, Populationen brechen schneller ein. Außerdem haben die Vögel bei veränderten Flugrouten verstärkt mit Parasiten zu kämpfen. Und schließlich werden Krankheitserreger, beispielsweise Influenzavirenstämme, mit wandernden Wasservögeln in nördlichere Regionen verbreitet. Solche Phänomene sind unter dem Begriff „Vogelgrippe“ bekannt und tauchten letzthin bereits in vielen Ländern auf.

Viele Tier- und Pflanzenarten vom Aussterben bedroht

Noch stärker beunruhigen Wissenschaftler allerdings die ökologischen Risiken, die sich aus dem Kollaps ganzer Biotope ergeben. Das Aussterberisiko vieler Pflanzen und Tiere steigt derzeit rapide an. Eine weitere Erwärmung von zwei Grad dürfte einer neuen Metaanalyse zufolge zum Aussterben von mindestens fünf Prozent der Arten führen, bei mehr als vier Grad wären dann auf jeden Fall 16 Prozent der heutigen Pflanzen- und Tierarten gefährdet – wahrscheinlich sogar deutlich mehr. So geht zum Beispiel den Adeliepinguinen im Südpolarmeer die Nahrung aus. Sie leben von winzigen Krebstieren, die sich unter den Eisflächen vermehren. Mit dem zunehmenden Abschmelzen des Eises sind sie gezwungen, lange Wege für die Futterbeschaffung zurückzulegen – dafür fehlen jedoch speziell den Jungtieren oft die Energiereserven. Immer wieder kommt es deshalb in einzelnen Kolonien zu Bestandseinbrüchen.

Doch der Trend trifft nicht nur Wildarten, sondern auch viele Nutzpflanzen. Kaffeepflanzen der Sorte Arabica, die etwa drei Viertel der Ernten weltweit ausmachen, sind nach einer neuen Studie in den wichtigsten Anbaugebieten in Brasilien, Vietnam, Indonesien, Kolumbien und Mittelamerika gefährdet. Zwei Grad oder mehr Erwärmung und ein veränderter Wasserkreislauf hemmen ihr Wachstum – und machen sie anfällig für Schädlinge. Demnach könnte allein die Ernte Brasiliens bereits in 15 Jahren um ein Viertel schrumpfen. Dadurch würde die weltweit zweitwichtigste Handelsware nach Erdöl massiv unter Druck geraten, viele der mehr als 25 Millionen Kaffeebauern kämen in existenzielle Nöte. Auch dem Weizen schaden höhere Temperaturen. Die Klimaerwärmung macht vielen Getreidesorten, speziell aber dem Weizen, einem wichtigen Teil der „grünen Revolution“, extrem zu schaffen. Jedes zusätzliche Grad verringert die Produktion im Schnitt um sechs Prozent. Nicht Dürren oder Nährstoffmangel, sondern allein die größere Wärme bewirkt massive Ertragseinbußen. Dadurch drohen nun die höheren Erträge, die man über die Jahrzehnte erzielt hat, wieder verloren zu gehen.

„Der Klimawandel (...) stellt eine der wichtigsten aktuellen Herausforderungen an die Menschheit dar.“
Papst Franziskus

Doch auch der Mensch ist unmittelbar bedroht. Durch die Häufung von Wetterextremen, Dürren und Überschwemmungen sowieso. Und er ist mehr und mehr auch indirekten Risiken ausgesetzt: Die Einwanderung der subtropischen Asiatischen Tigermücke und zuletzt der Buschmücke nach Europa sehen viele Mediziner als ernstes Infektionsrisiko. Diese Stechmücken können Erreger von Denguefieber, Chikungunyafieber oder West-Nil-Fieber übertragen. Im Jahr 2007 entdeckten Forscher Eier dieser Stechmücken an einer Autobahnraststätte in Baden-Württemberg. Mittlerweile sind alle Entwicklungsstadien der Mücken auch jenseits von Autobahnen nachgewiesen. Bislang freilich sind Infektionen im Land durch diese Überträger nicht zweifelsfrei nachgewiesen worden, aber die Gefahr steigt.

Enger Zusammenhang von Klima- und Gesundheitsrisiken

Die Tigermücke bildet keine Ausnahme: Hunderte von Studien zur Ausbreitung von Krankheiten, angefangen von Malaria bis zu Schädlingen bei Nutzpflanzen, haben in den vergangenen Jahren den engen Zusammenhang von Klima- und Gesundheitsrisiken verdeutlicht. In Südostasien sowie in Peru und Kolumbien hat man nachweisen können, dass die Zahl der Malariainfektionen mit El Niño um ein Vielfaches steigt. Die Weltgesundheitsorganisation rechnet mit einer weiteren Ausbreitung wärmeliebender Parasiten und Überträger etwa der Leishmaniose in Südamerika und an der Mittelmeerküste. Die Infektionskrankheit kann Mensch und Tier befallen und tödlich verlaufen.

Nirgendwo freilich ist der Klimawandel augenfälliger als am Rande der Eispanzer von Nord- und Südpol sowie in den Gletscherregionen der Großgebirge. Die Temperatur in der Nordpolarregion steigt derzeit doppelt so schnell wie etwa in den mittleren Breiten. Seit 1975 hat sich die Meereisdecke rund um den Nordpol im Jahresschnitt um 65 Prozent verringert. Im Februar 2015 wurde mit knapp 14 Millionen Quadratkilometern Ausdehnung der arktischen Eisfläche ein Allzeit-Negativrekord für den Winter festgestellt. Nordwest- und Nordostpassage sind inzwischen einen Großteil des Jahres nahezu eisfrei. Ähnliche Schmelzrekorde werden längst auch auf der Antarktischen Halbinsel ausgemacht.

Weltklimarat prognostiziert deutlichen Anstieg des Meeresspiegels

Eine Konsequenz der Gletscherschmelze ist ein höherer Meeresspiegel. Der Weltklimarat prognostiziert einen Anstieg zwischen einem Viertel- und etwas weniger als einem ganzen Meter bis zum Jahr 2100. Auf jeden Fall beschleunigt sich der Anstieg von derzeit 2,6 Millimetern pro Jahr weiter. Auch beim Wetter verdichten sich die Hinweise auf eine Zuspitzung der Lage in weiten Teilen der Welt. Vor allem bei den Hitzewellen herrscht inzwischen Klarheit: Ihre Zahl hat sich seit Beginn der Industriellen Revolution vervierfacht. Bei einer Erwärmung von vier Grad dürfte sie um das 62-fache steigen.

Viele Schritte in die richtige Richtung sind im Umgang mit dem Klimawandel bereits getan. Doch der Weg zu mehr Klimaschutz ist bisweilen unbequem. (Foto: Getty Images/Moment Open/Jean-Philippe Tournut)
Viele Schritte in die richtige Richtung sind im Umgang mit dem Klimawandel bereits getan. Doch der Weg zu mehr Klimaschutz ist bisweilen unbequem. (Foto: Getty Images/Moment Open/Jean-Philippe Tournut)

Die entscheidende Frage, die schon auf dem Kopenhagener Klimagipfel 2009 die politischen Gemüter bewegt hat, lautet daher: Wie realistisch ist ein Temperaturanstieg von maximal zwei Grad? Und selbst wenn dies gelingen sollte: Wird damit das international vereinbarte Ziel eingehalten, eine „gefährliche Erwärmung“ zu vermeiden? Um sich an den Klimawandel anzupassen, wenn er sich denn tatsächlich nicht verhindern lässt, sind in vielen Ländern mittlerweile private, regionale und kommunale Initiativen angelaufen. Doch dazu braucht es Geld, viel Geld: Nach Berechnungen der Weltbank dürften die nötigen Anpassungsmaßnahmen bis zur Mitte des Jahrhunderts bei einer Erwärmung von zwei Grad zwischen 70 und 100 Milliarden Euro jährlich kosten.

Schutzwände und Deiche sollen New York vor Fluten schützen

In New York City, einer der am dichtesten bevölkerten Metropolen überhaupt, rechnete man bisher mit einer Jahrhundertflut etwa alle 80 Jahre; ab Mitte des Jahrhunderts dürften solche Überschwemmungen alle 19 Jahre passieren. Deshalb hat die Stadt unter Beteiligung der Bevölkerung einen Maßnahmenkatalog beschlossen, genannt „One New York“, der Dutzende Neuerungen aufführt – von neuen Schutzwänden und Deichen bis hin zum Anpflanzen von 950.000 Bäumen, die den grünen Kern der Stadt bilden und zusätzlich vor Hochwasser schützen sollen.

Auch in der UNESCO-Stadt Cusco, mitten in den peruanischen Anden gelegen, wird derzeit ein ehrgeiziges Anpassungsprogramm in Kraft gesetzt. Peru, das 2014 sogar einen nationalen Plan zur Minderung des Katastrophenrisikos gesetzlich verankerte, muss seine Städte vor der wachsenden Gefahr von Erdrutschen und Überflutungen schützen. Die Region Cusco erlebt solche Bedrohungen inzwischen mit zunehmender Regelmäßigkeit. Die Schmelzwasser der Andengletscher und in der Regenzeit anschwellende Flüsse reißen fast jedes Jahr Häuser mit sich und legen das Wirtschaftsleben lahm. Die Andengletscher sind bereits deutlich geschmolzen; steigt die Temperatur um zwei Grad, geht bis zu 90 Prozent der Gletschermasse verloren – in kürzester Zeit. Cusco erfindet sich deshalb städtebaulich neu. Der Plan enthält Dutzende Maßnahmen, von Umsiedlungen und einer neuen Kanalisation bis zum Erosionsschutz an den Hängen und Flutwehren in der historischen Altstadt.

Kyoto-Protokoll läuft 2020 aus

Angesichts solcher und anderer Beispiele stellt sich die Frage, wie es gelingen kann, den Klimawandel doch noch zu entschleunigen. Das Kyoto-Protokoll, das als bisher einziges rechtsverbindliches Instrument eine Begrenzung der Treibhausgas-Emissionen zum Ziel hat und 2020 ausläuft, wurde zwar übererfüllt – die 36 betroffenen Staaten reduzierten die Kohlendioxid-Emissionen zusammen um 24 statt der vereinbarten knapp 4 Prozent. Aber das meis te davon war auf den wirtschaftlichen Zusammenbruch der ehemaligen Ostblockstaaten zurückzuführen. Global betrachtet sind die Emissionen hingegen um ein bis zwei Prozent jährlich gestiegen.

Ein echter strategischer Umbau der Energiesysteme kommt erst allmählich in Gang. Der G7-Gipfel 2015 in Elmau hat zumindest Hoffnungen genährt: Noch im Laufe dieses Jahrhunderts wollen die mächtigen Industriestaaten, verantwortlich für ein Viertel aller Treibhausgas-Emissionen, den Verbrauch fossiler Energien auf null kappen. Von einer „großen Transformation“, einer energetischen Industrierevolution zugunsten regenerativer Quellen, ist die Rede. Dem Weltklimarat zufolge soll sie sogar mit einer Minderung von lediglich 0,06 Prozent der weltweiten Wirtschaftsleistung zu stemmen sein. Faktisch ist man von diesem Radikalumbau weit entfernt. Die weltweit rund 1.800 Energiekonzerne investieren massiv in Solar- und Windenergie – 2014 mehr als 200 Milliarden Dollar –, aber ebenso ungebrochen in die Nutzung von Öl, Gas und Kohle. Die Folge: Der von Treibhausgasen angetriebene Klimawandel läuft ungebremst weiter.

Zwei Grad maximale Erwärmung

Schon deshalb hoffen viele auf den Klimagipfel in Paris. Ein neuer globaler Klimavertrag soll 2020 in Kraft treten. Dessen Fundament sind nationale Klimapläne, Selbstverpflichtungen aller Unterzeichnerstaaten, die die weltweiten Kohlendioxid-Emissionen in der Summe künftig auf maximal 32 bis 44 Milliarden Tonnen jährlich begrenzen sollen. Geht es nach dem Weltklimarat, liegen die Emissionen bis 2050 um 70 Prozent niedriger als heute. Spätestens in der zweiten Jahrhunderthälfte müsste man dann Energie ganz ohne die Verbrennung fossiler Reserven gewinnen. Käme es so, wäre die Politik theoretisch sogar im Soll. Zwei Grad maximale Erwärmung wären zu schaffen. Faktisch jedoch steuert die Welt derzeit noch auf eine Temperatur zu, die unseren Urenkeln eine gut vier Grad wärmere Atmosphäre bringt – mit all den gravierenden Folgen, die dieser galoppierende Wandel für den Planeten mit sich bringt. Umso wichtiger, dass es in Paris heißt: Klarmachen zur Wende.

aus akzente 3/15

 

Aus der Arbeit der GIZ

ENERGIEEFFIZIENZ

Projekt: Klimafreundliches Bauen im südlichen und östlichen Mittelmeerraum
Land: Mittelmeerländer
Auftraggeber: Europäische Kommission
Politischer Träger: Energieministerien und Energieagenturen in verschiedenen Ländern der Region
Laufzeit: 2006 bis 2016

Die GIZ unterstützt Ägypten, Algerien, Israel, Jordanien, den Libanon, Marokko, die Palästinensischen Gebiete und Tunesien dabei, die Bedingungen für energieeffizientes Bauen zu verbessern. Außerdem identifiziert sie mit den Partnern Potenziale für einen stärkeren Einsatz erneuerbarer Energien.

 

WALDSCHUTZ

Projekt: Nachhaltige Forstwirtschaft und Schutz vor Entwaldung
Land: Indonesien
Auftraggeber: Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
Politischer Träger: Forstministerium Indonesiens
Laufzeit: 2009 bis 2020

Indonesien beherbergt einige der größten und vielfältigsten tropischen Regenwälder der Erde: Sie zu schützen und den Waldbauern zugleich ein angemessenes Auskommen zu ermöglichen, ist Ziel dieses Vorhabens. Denn Wald speichert Kohlendioxid, sein Erhalt dient dem Klima.

 

WASSERVERSORGUNG

Projekt: Die Wasserversorgung den veränderten klimatischen Bedingungen angleichen
Land: Peru
Auftraggeber: Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
Politischer Träger: Nationale Wasserbehörde Perus
Laufzeit: 2014 bis 2019

Durch den Klimawandel ändert sich Perus Wasserhaushalt; in manchen Gegenden kommt es häufiger zu Überschwemmungen, in anderen zu Wasserknappheit. Die GIZ unterstützt das Land, sich auf die Gegebenheiten einzustellen, etwa durch die Wiederverwendung von gereinigtem Abwasser.

 

VERKEHR

Projekt: Einführung klimafreundlicher Transporttechnologien
Land: Global
Auftraggeber: Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit
Politischer Träger: Verkehrsministerien in verschiedenen Ländern
Laufzeit: 2013 bis 2016

Der Transportsektor weist mit 27 Prozent den zweithöchsten Anteil an den weltweiten Kohlendioxid-Emissionen auf. Um hier gegenzusteuern, berät die GIZ verschiedene Länder – wie China, Peru oder Indonesien – dabei, ihre Verkehrssysteme in Richtung Klimafreundlichkeit umzubauen.

 

Weitere Beiträge zum Schwerpunkt

Faktor Stadt

Infografik: Klima

Die Zukunft des Klimas entscheidet sich in den Städten.