Cashew-Anbau in Ghana

Der Kern der Lösung

Der Anbau von Cashewnüssen hat das Leben vieler Bauern in Ghana verbessert. Dabei wussten sie lange Zeit nicht, welchen Wert die Kerne haben.

Text
Philipp Hedemann
Fotos
Thomas Imo

Diese Bäume haben mein Leben verändert, sie haben mich zu einer glücklichen Frau gemacht“, sagt Victoria Ataa und tätschelt liebevoll die Rinde des Baumes, der ihr in der Mittagshitze Schatten spendet. Die ghanaische Bäuerin sitzt im Dorf Congo unter einem Cashewbaum. Seine Früchte haben die heute 66-Jährige nicht nur aus bitterer Armut befreit. Sie haben sie auch zu einem Vorbild für Tausende andere Bäuerinnen und Bauern in Afrika gemacht. 

„Sonderbare Früchte“: Mit Cashew konnte in Ghana lange niemand etwas anfangen. Nun haben die Bauern das Potenzial der Pflanze erkannt.
„Sonderbare Früchte“: Mit Cashew konnte in Ghana lange niemand etwas anfangen. Nun haben die Bauern das Potenzial der Pflanze erkannt.

Vor 14 Jahren saß Ataa noch am Straßenrand und verkaufte in Plastikbeutel abgefülltes Wasser. Ein unwürdiger Job für eine Bäuerin, fand die stolze Frau, doch ihre Felder gaben einfach nicht genug her. Immer häufiger blieb der Regen aus, immer geringer wurden die Ernten. Nur den Bäumen mit den seltsamen, nierenförmigen Nüssen schien die Trockenheit nichts anzuhaben. Doch dort, wo schon Ataas Großvater  Yams, Maniok und Mais angepflanzt hatte, wusste niemand etwas mit den sonderbaren Früchten anzufangen. Nur ein paar „komische Inder“ kauften den Kindern die Nüsse für einen Spottpreis ab, erinnert sich Ataa. 

Während die Bäuerin noch darüber nachdachte, wie sie ihre fünf Kinder satt kriegen und zur Schule schicken konnte, sprach ein Mann sie an. „Eine Frau wie du sollte nicht hier an der Straße sitzen. Eine Frau wie du sollte Cashewnüsse anbauen“, sagte der Kunde. Es war der Vorsitzende der Vereinigung der ghanaischen Cashewbauern. Er berichtete ihr, dass die weltweite Nachfrage nach den süßlichen Nüssen jedes Jahr um rund zehn Prozent steige, die Preise sogar noch viel schneller. Er sagte, dass ein Ende des Trends nicht in Sicht sei und Ghana eines der besten Anbaugebiete der Welt. 

Bis heute nicht auf dem ghanaischen Speiseplan

Ataa versuchte, alles herauszufinden, was man in Ghana über Cashewnüsse in Erfahrung bringen konnte. Viel war es nicht. Die meisten Bauern wussten damals nicht, wie man die Erträge der Bäume steigert, wie man die Nüsse lagert und weiterverarbeitet. Zudem hatten die Landwirte keine Ahnung, an wen sie die Nüsse für welchen Preis verkaufen konnten – und so setzte kaum jemand auf die Kerne, die auch heute noch nicht auf dem ghanaischen Speiseplan stehen. Doch nicht nur Ghana machte wenig aus seinen Cashewbäumen. Auch in vielen anderen afrikanischen Staaten vergammelten die Nüsse auf den Feldern, während Nachfrage und Preise weltweit immer weiter stiegen.

Um das riesige, brachliegende Potenzial zu nutzen, wurde 2009 die Cashewinitiative ins Leben gerufen. Im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung und in Zusammenarbeit mit der Bill-und-Melinda-Gates-Stiftung sowie mit mehr als 30 Partnern aus der Privatwirtschaft setzte die GIZ das Programm in Benin, Burkina Faso, Côte d’Ivoire, Ghana und Mosambik um.

Von der Produktion bis zum Export 

Die Cashewinitiative, die 2016 mit einem Innovationspreis der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung ausgezeichnet wurde, zielt auf den gesamten Prozess ab: von der Produktion über die Verarbeitung und die Vermarktung bis hin zum Export. „Experten beraten die Bauern unter anderem, wie sie durch verbesserte Anbau-, Ernte- und Lagermethoden ihre Erträge und somit ihr Einkommen steigern können“, erklärt Rita Weidinger von der GIZ. „Davon haben in den Teilnehmerstaaten bislang mehr als 430.000 Bauern profitiert. Viele von ihnen konnten ihr Einkommen aus Cashew auf diese Weise verdoppeln.“

Landwirtin Victoria Ataa ist eine Art Pionierin des Anbaus von Cashewnüssen in Afrika.
Landwirtin Victoria Ataa ist eine Art Pionierin des Anbaus von Cashewnüssen in Afrika.

Victoria Ataa hat an mehreren dieser Schulungen teilgenommen. Mit Erfolg: „Früher habe ich fünf bis acht Säcke Cashew geerntet, in diesem Jahr waren es 16“, erzählt sie  stolz. Sie hat jetzt nicht nur mehr Nüsse, sie verkauft sie auch zu einem höheren Preis. „Bevor wir an den Trainings teilgenommen haben, haben die Händler uns oft übers Ohr gehauen. Jetzt wissen wir, was unsere Nüsse wert sind, und lassen uns nicht mehr über den Tisch ziehen“, sagt die Witwe selbstbewusst. Während sie heute umgerechnet bis zu 90 Cent für ein Kilo ungeschälte Nüsse erhält, waren es vor zehn Jahren noch neun Cent.

Mehr Nachfrage als Angebot

Mit dem Geld konnte sie unter anderem ein neues Haus bauen, sich mehrere Kühe kaufen und ihren ältesten Sohn auf die Universität in Accra schicken. Dort studierte er Landwirtschaft, mittlerweile lehrt er in der Hauptstadt an einer Fachhochschule. So oft wie möglich besucht er seine Mutter in ihrem eine Tagesreise entfernten Dorf. Immer wieder hat der Landwirtschaftsexperte dann denselben Tipp für seine Mutter: „Mama, pflanze mehr Cashewbäume. Ihnen gehört die Zukunft.“ Ataa hat auf ihren Sohn gehört. Sie baute auch auf dem Land ihres Onkels Cashew an. Auf dem Feld empfängt sie mittlerweile oft Bauern, die von ihr wissen wollen, wie auch sie ihre Ernten steigern können. „Ich habe keine Angst vor Konkurrenz“, so Ataa. „Es gibt immer noch mehr Nachfrage als Angebot. In den Trainings habe ich viel gelernt. Jetzt gebe ich mein Wissen gerne weiter.“

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Die Setzlinge für ihr neues Feld hat sie in der Cashew-Forschungsstation im nahe gelegenen Wenchi gekauft. Dort experimentieren Arthur Robert und seine 14 Mitarbeiter in Laboren, einer Baumschule und auf 365 Hektar Versuchsfläche. Durch Kreuzung wollen sie die Cashewbäume noch ertragreicher und widerstandsfähiger gegen Dürre und Schädlinge machen. Die Fortschritte sind beeindruckend. So ist es den Wissenschaftlern ganz ohne Einsatz von Gentechnik gelungen, die durchschnittliche Ernte pro Baum von vier bis acht auf 20 bis 35 Kilo zu steigern. Robert ist überzeugt: Es gibt noch viel Luft nach oben. „Durch den Klimawandel wird es in Ghana in Zukunft wahrscheinlich weniger regnen. Für den Cashewbaum ist das jedoch kein Problem. Er kommt gut mit Trockenheit klar. Unser Ziel ist es daher, Ghana in den nächsten Jahren zu einem der internationalen Top-Produzenten zu machen.“ 

Joseph Yeung drückt dem Forscher die Daumen. Der in Schanghai geborene Manager leitet den zweitgrößten Cashew verarbeitenden Betrieb in Ghana. Zu Hochzeiten arbeiten im westghanaischen Mim bis zu 1.200 Menschen für das Unternehmen, das von der Cashewinitiative beraten wurde. Mit viel Handarbeit befreien sie die süßen Kerne aus ihrer harten Schale, entfernen die dünne Haut von den Nüssen und verpacken sie für den Export. Als Yeung 2010 die Leitung des Betriebes übernahm, produzierten seine Arbeiter rund 800 Tonnen pro Jahr, mittlerweile sind es knapp 5.000. „Wir könnten hier locker 7.500 Tonnen schaffen, aber leider fehlt es manchmal an Nachschub.“ 

Die Fabrik als Station auf dem Weg zur Ausbildung

Viele der Arbeiter des Unternehmens hatten nie zuvor einen festen Job, rund drei Viertel von ihnen sind Frauen. Ernestina Adu-Gayanfuah sortiert an einem hell beleuchteten Tisch Cashewkerne nach Größe, Qualität und Farbe. Knapp einen Zentner schafft sie in einer Acht-Stunden-Schicht. „Die Bezahlung ist okay, das kostenlose Mittagessen sehr gut, außerdem haben wir 15 Tage bezahlten Urlaub pro Jahr und bekommen unseren Lohn auch, wenn wir krank sind. Trotzdem will ich hier nicht ewig Nüsse sortieren“, sagt die junge Frau, die zwölf Jahre zur Schule ging. Die 22-Jährige möchte Krankenschwester werden. Doch für die Ausbildung braucht sie Geld, und die Cashewfa­brik ist für sie die beste Möglichkeit, die Gebühren zu verdienen.

Die Cashew verarbeitende Fabrik in Mim beschäftigt bis zu 1.200 Menschen.

Möglicherweise werden bald auch Nüsse, die auf Victoria Ataas neuem Feld wachsen, durch die Finger der jungen Fabrikarbeiterin gleiten. Die resolute Bäuerin hat sich fest vorgenommen, ihre Produktion weiter zu steigern. „Früher wollte ich nicht, dass meine mittlerweile erwachsenen Kinder Bauern werden. Aber seitdem wir Cashew anbauen, habe ich nichts dagegen, dass meine Enkelkinder in meine Fußstapfen treten.“

Ansprechpartner: Rita Weidinger > rita.weidinger@giz.de

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Ghana Karte

FIT FÜR DEN WETTBEWERB

Projekt: Afrikanische Cashewinitiative
Land: Ghana
Auftraggeber: Bill-und-Melinda-Gates-Stiftung, 30 weitere Partner aus der Privatwirtschaft, Bundesministerium für wirtschaftliche
Zusammenarbeit und Entwicklung
Politischer Träger: Ghanaisches Ministerium für Ernährung und Landwirtschaft
Laufzeit: 2009 bis 2018

Von der Cashewinitiative haben bisher 430.000 Bauern in fünf Ländern profitiert: in Benin, Burkina Faso, Côte d’Ivoire, Ghana und Mosambik. In der Weiterverarbeitung sind rund 6.000 neue Jobs entstanden, davon drei Viertel für Frauen. Allein in Ghana haben mehr als 60.000 Bauern an Trainings der Cashewinitiative teilgenommen, um Nüsse von höherer Qualität zu bekommen. Fast neun von zehn Bauern wenden die neuen Kenntnisse im Alltag an. Ihr Ertrag ist von 530 Kilogramm pro Hektar im Jahr 2010 auf bis zu 958 Kilogramm im Jahr 2015 gestiegen. Fast 2.500 Arbeitsplätze wurden in Ghana geschaffen, die meisten davon für Frauen. Die Afrikanische Cashewinitiative wird auch von Unternehmen wie Intersnack, Kraft Heinz, Olam und SAP getragen. Sie übernehmen den Großteil der Kosten.
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