Interview

Asien braucht Vielfalt

Bambang Susantano, Vizepräsident bei der Asiatischen Entwicklungsbank, über Ungleichheit in der Region

Häufig wird gesagt, Vielfalt sei eine entscheidende Voraussetzung für Innovation und Entwicklung. Stimmen Sie dieser Aussage zu?
Vielfalt ist in der Tat eine zentrale Voraussetzung für die Innovationen, die Asien – und andere Regionen – für Wachstum und weitere Entwicklung brauchen. Nur wenn wir sicherstellen, dass die Stimmen aller Interessensvertreter gehört und die Armen in Entscheidungsprozesse einbezogen werden, können wir die besten Lösungen für einige unserer größten Herausforderungen finden, seien es Klimawandel, große Infrastrukturprojekte oder Regierungsführung.

Sie können also einen Unterschied zwischen Volkswirtschaften feststellen, in denen viele verschiedene Gruppen vertreten sind, und solchen, bei denen das nicht der Fall ist?
Ja, das können wir. Der Standardindikator für das Wohlstandsniveau eines Landes ist das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf. Damit lassen sich die Lebensstandards verschiedener Volkswirtschaften vergleichen. Um bestehende Ungleichheiten zu messen, führen die sich entwickelnden unserer Mitgliedsländer regelmäßig repräsentative Haushaltsumfragen durch. Diese liefern beispielsweise detaillierte Informationen zum Einkommen. Mit Hilfe dieser Daten lässt sich erfassen, wie groß die Ungleichheit in einer Gesellschaft ist.

Wie stark unterscheiden sich heute die Volkswirtschaften in der Region, die Ihre Bank repräsentiert?
Trotz des großen Wachstums, das unsere Region in den vergangenen Jahren erlebt hat, bleibt die Ungleichheit zwischen und innerhalb der Volkswirtschaften ein Grund zur Sorge. Das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf geht in den Ländern Asiens und der Pazifikregion stark auseinander. Die Bandbreite reicht von so wenig wie 1,774 Dollar bis zu 82.763 Dollar.

Was müsste getan werden, um die Situation zu verbessern?
Die Lösung wäre, in allen Ökonomien ein anhaltendes Wachstum in Gang zu bringen. Voraussetzung dafür sind das richtige politische Umfeld, eine gute Infrastruktur und Investitionen in Bildung und Gesundheit. Beim ökonomischen Wachstum ist auf ökologische Nachhaltigkeit zu achten.

Ist das auch die Lösung für die Ungleichheit innerhalb der Länder?
Eine jüngere ADB-Studie zeigt, dass sich die Einkommensunterschiede in einigen Ökonomien der Region in den 2000er Jahren im Vergleich zu den 1990ern vergrößert haben. Doch diese Zahlen sind nicht so negativ, wie es auf den ersten Blick scheint, denn die Faktoren, die für die steigende Ungleichheit verantwortlich sind, sind häufig die gleichen, die das ökonomische Wachstum antreiben. Dazu gehören technologischer Wandel, Globalisierung und marktorientierte Reformen. Die genaue Mischung politischer Strategien ist sehr sorgfältig abzuwägen und wird von Land zu Land verschieden sein. Aber einige allgemeingültige Prinzipien lassen sich nennen: Erstens sollte das Wachstumskonzept mit der Schaffung produktiver und gut bezahlter Arbeitsplätze einhergehen. Dazu ist es entscheidend, die Produktivität der Landwirtschaft – in der viele ärmere Menschen der Region arbeiten – zu steigern und Arbeitsmöglichkeiten in Wirtschaftssektoren mit höherer Produktivität zu schaffen, etwa in der modernen, arbeitsintensiven Fertigung und im Dienstleistungsbereich. Das erfordert eine Politik, die Investitionen, Offenheit für Handel und eine gute Infrastruktur fördert. Zweitens müssen die Länder in ihr Humankapital investieren. Bildung und Ausbildung der Bevölkerung sind zentral, aber auch eine grundlegende Gesundheitsversorgung und Sanitärsysteme. Schließlich müssen die Länder besser darauf vorbereitet sein, mit plötzlichen Erschütterungen umzugehen, seien es ökonomische oder natürliche „Schocks“. Das erfordert die Entwicklung umsetzbarer und effektiver Sozialsysteme sowie den Aufbau von Infrastruktur und Städten, die dem Klimawandel gewachsen sind.

Was genau tut die ADB, um mit ihren Projekten und Programmen Vielfalt zu fördern?
In der Langzeitstrategie der ADB „Strategy 2020“ sind zur Förderung des Wandels Partnerschaften mit internationalen Entwicklungs- und Zivilgesellschaftsorganisationen, Nichtregierungsorganisationen und anderen vorgesehen. Die Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft, der Jugend und anderen Akteuren ermöglicht es uns, Herausforderungen anzugehen, innovative Ansätze einzuführen und Vielfalt zu fördern, um inklusives Wachstum zu erreichen. Durch die Einbeziehung einer großen Bandbreite von Gruppen in unsere Projekte können wir verschiedene Meinungen berücksichtigen und gestalten dementsprechend unsere Arbeit. Das ist entscheidend für den Erfolg aller Projekte, ob groß oder klein.