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GIZ-Akzente-4-15-Deutsch

akzente 4/15 21 AKZENTUIERT Dadaab ist mit geschätzten 350.000 bis 400.000 Bewoh- nern das größte Flüchtlingslager der Welt. Es existiert be- reits seit dem Jahr 1991 und war ursprünglich nur für rund 90.000 Menschen gedacht, ähnelt jedoch mittlerweile in vielem einer Großstadt – und zwar einer, in der die west- lichen Hilfsorganisationen eine Art Rundumversorgung anbieten und es für Flüchtlinge und ihre vielen dort gebo- renen Kinder wenig Anreize gibt, das Lager bald wieder zu verlassen. Doch kontrollieren nicht Helfer oder kenianische Be- hörden Dadaab, sondern mindestens in Teilen Kriminelle und Angehörige der somalischenTerrorgruppe al-Shabaab. Die Verantwortlichen in Nairobi vermuten, das Lager sei ein Einfallstor für al-Shabaab, die mit ihrem Terror auch das südliche Nachbarland heimsucht. Deshalb will die ke- nianische Regierung es schon seit längerem schließen. Diese Forderung wurde zuletzt nach dem Anschlag auf die Hochschule in Garissa im vergangenen Frühjahr wieder laut, bei dem al-Shabaab 148 Menschen tötete. Die Atten- täter sollen von Somalia über Dadaab an den Anschlagsort gelangt sein. Doch bislang ist man mit dem Schließungs- plan kaum vorangekommen. „Ein Lager zu schließen, ist weit schwieriger, als eines aufzubauen“, sagt ein ranghoher UNHCR-Mitarbeiter, der in Darfur arbeitete. „Ich habe es jahrelang versucht und nicht geschafft. Je länger ein Lager existiert, desto schwie- riger wird es.“ Die Strukturen in Flüchtlingslagern wie Dadaab sind längst eingefahren und erprobt. Sie mögen dem Einzelnen helfen, verstetigen aber die Verhältnisse, die eigentlich als Provisorium gedacht waren. Bei einer Schlie- ßung müsste zudem überlegt werden, wo Hunderttau- sende Flüchtlinge überhaupt hinkönnten. Lager sind ein weltweites Problem. Das bekommt ge- rade auch das kleine Königreich Jordanien zu spüren, das mittlerweile mehr als 650.000 syrische Flüchtlinge im Land hat – zusätzlich zu den rund zwei Millionen Palästi- nensern, „Flüchtlingen“, die dort seit Jahrzehnten leben und heute etwa ein Drittel der Gesamtbevölkerung Jorda- niens ausmachen. Allein Zaatari, 2012 gegründet, ist zu einer Art Stadt angewachsen, in der mittlerweile rund 80.000 Flüchtlinge aus Syrien leben – die Hälfte davon Kinder. Die jorda- nische Regierung möchte, dass Zaatari ein Provisorium bleibt, und doch verwandeln sich die Zelte dort nach und nach in feste Unterkünfte. Die Behörden fürchten zudem, dass Kämpfer aller Seiten und Agenten des Assad-Regimes in das Lager eindringen könnten. Auch Trinkwasser ist ein Problem: Die ohnehin geringen Wasservorräte reichen kaum aus für die Versorgung der Flüchtlinge. Jordanien zählt zu den wasserärmsten Staaten der Erde. Wenn in so einem Gebiet dauerhaft mehr Menschen leben, als natür- lich zu versorgen sind, entstehen ewige Abhängigkeits- strukturen – wie in Dadaab, das ebenfalls in einem Tro- ckengebiet liegt. Angesichts dieser Umstände brauchen die Flüchtlinge dort und anderswo eine neue Bleibe. Doch kann man Flüchtlinge in sichere Länder zwingen, in die sie nicht wol- len? Die Entwicklung zeigt in die andere Richtung: Nach Angaben des UNHCR sind im vergangenen Jahr lediglich 127.000 Flüchtlinge weltweit aus Lagern in ihre Heimat zurückgekehrt. Das ist der niedrigste Wert seit 31 Jahren. Auch die Aufnahmestaaten, die häufig selbst Ent- wicklungsländer sind, benötigen die Hilfe der internatio- nalen Gemeinschaft – allein schon, um sie davor zu ­bewahren, selbst zu einem Krisenherd zu werden. Der überforderte Libanon hat den Flüchtlingshilfswerken verboten, neue Flüchtlinge zu registrieren, und erlaubt ohnehin keine offiziellen Flüchtlingslager mehr. Die Er- fahrungen aus dem Bürgerkrieg zwischen 1975 und 1990, in dem sich viele bewaffnete Gruppen in den un­ überschaubaren Palästinenserlagern schadlos hielten, hängen dort immer noch nach. Und berechtigterweise wird auch die Frage gestellt, warum sich etwa die reichen arabischen Golfstaaten wie Saudi-Arabien nicht an der Aufnahme von Flüchtlingen beteiligen. » fotoS:GettyImages/MANDELNGAN(S.20),FOREIGNANDCOMMONWEALTHOFFICE(S.21) Dadaab: eigentlich ein Flüchtlingslager, inzwischen eine regelrechte Großstadt in der kenianischen Wüste Ein Film über das Leben in Zaatari, einem der größten Flüchtlingslager Jordaniens. Dort gibt es sogar eine Hauptstraße mit Läden und Ständen, genannt „Champs-Élysées“. www.youtube.com/embed/ NKafLeEnYtM (nur auf Englisch verfügbar) „Meiner Erfahrung nach wünschen sich die meisten Flücht- linge nichts sehn- licher, als nach Hause zu gehen.“ ANGELINA JOLIE, Schauspielerin und UNHCR-Sondergesandte akzente 4/1521

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