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GIZ-Akzente-1-15-Deutsch

11akzente 1/15 H ausbesuch bei einer Pflegefamilie an der East Side. Der dunkelbraune Gelände- wagen mit den beiden Sozialarbeiterin- nen biegt in die Einfahrt des kleinen Einfami- lienhauses, die Pflegemutter wartet schon auf der Veranda. „Es geht um einen Jungen, bei dem erst die Mutter, dann die Großmutter versagte“, hatte Kelly Allen ihrer Kollegin Ing­rid Bethge während der Fahrt berichtet. „Jetzt, bei dieser Familie, scheint es ihm end- lich gut zu gehen.“ Das Wohnzimmer ist schlicht, aber ge- mütlich. Ein breites Sofa, eine antike Welt- karte an der Wand, ein Topf gelber Astern vor dem Fenster. Bethge, eine mütterliche Frau mit kurzen Locken und roter Brille, setzt sich in einen grauen Plüschsessel, beugt sich vor und beginnt zu fragen: Wie fühlt es sich an, wenn man plötzlich einen Sechsjährigen im Haus hat? Gibt es für schwierige Zeiten ein Netzwerk? Die Pflegemutter antwortet gedul- dig. Dann lacht sie plötzlich. „Sie stellen gute Fragen“, sagt sie, „und Sie haben so einen wunderschönen Akzent.“ Es ist Tag 59 in Ingrid Bethges neuem Leben in Kalamazoo, einer 75.000-Einwoh- ner-Stadt zwischen Chicago und Detroit. Drei Monate lang sammelt die deutsche Sozi- alarbeiterin im Rahmen eines Fachkräfteaus- tauschs Erfahrungen jenseits des Atlantiks. Sie absolviert ein Praktikum bei Bethany, ei- ner gemeinnützigen Organisation für Famili- enhilfe. Begleitet amerikanische Kolleginnen zu Hausbesuchen und zum Gericht. Besucht Vorlesungen an der Western Michigan Uni- versity. Wohnt bei Gastfamilien. Das Ganze erinnert an einen Schüleraustausch. Nur ist Bethge 55 Jahre alt und Führungskraft. Die gelernte Krankenschwester hatte sich nach einer Familienpause zur Sozialpäd- agogin weitergebildet. Seit sieben Jahren ar- beitet sie nun bei KarLa, einem gemeinnützi- gen Verein für Familienhilfe in Weingarten bei Karlsruhe. In Deutschland Chefin, in den USA wieder Lernende Sie ist Teamleiterin und Mitglied der Ge- schäftsführung. Das ist viel Verantwortung – aber auch viel Routine. Im vergangenen Jahr wurde Bethge unruhig. „Die Aufbruchsstim- mung der Anfangszeit war verflogen. Ich wollte KarLa nicht verlassen, doch ich brauchte etwas Neues.“ Sie bewarb sich bei dem transatlantischen Fachkräfteaustausch, den die GIZ seit 2013 im Auftrag des Bun- desfamilienministeriums organisiert. Er rich- tet sich gezielt an Sozialpädagogen mit Be- rufserfahrung. Zehn dürfen jedes Jahr zu » „Sie stellen gute Fra- gen.“ Eine Pflegemut- ter (Mitte) empfängt Ingrid Bethge (links) und ihre Kollegin Kelly Allen. Neue Methoden: Bethge lernt, wie trau- matisierte Kinder mit Tieren im Sandkasten ihre Familiensituation nachstellen können.

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