Erklärt

Handlungsspielräume aufzeigen

Die Welt fordert unser Land auf, mehr internationale Verantwortung zu übernehmen. Was heißt das für die GIZ?

Im Frühjahr 2018 ist die dritte Erhebung der GIZ über Deutschlands Bild in der Welt erschienen. Mit noch mehr Vehemenz als in den zwei Befragungen zuvor schreibt das Ausland Deutschland darin eine wichtige Führungsrolle in der internationalen Politik zu. Hatte es in der ersten Studie im Jahr 2012 noch aufmunternd geheißen: „Zieht die größeren Schuhe an“, so ist diese Aufforderung inzwischen einem Drängen gewichen. Neu ist, dass diese Erwartung mit dem Verweis auf die Schwäche anderer Akteure begründet wird.

CHRISTOPH BEIER ist Vorstandsmitglied der GIZ und hat alle drei Studien begleitet. christoph.beier@giz.de

  CHRISTOPH BEIER 

ist Vorstandsmitglied der GIZ und hat alle drei Studien begleitet.
christoph.beier@giz.de

Für uns als Bundesunternehmen, das die Regierung in der internationalen Zusammenarbeit weltweit praktisch unterstützt, ist klar: Die systematische Auseinandersetzung mit Erwartungen, Befürchtungen und Rollenzuschreibungen ist wichtig. Die Spiegelung der Eigen- mit der Fremdwahrnehmung gibt uns Hinweise auf mögliche „blinde Flecken“. Daraus ergeben sich Möglichkeiten zum Diskurs und schließlich neue Handlungsspielräume, die wir unseren Auftraggebern aufzeigen. Die Wahrnehmungen unserer Partner in 120 Ländern weltweit können in den Politikdialog einfließen und Einfluss auf deutsche und europäische Politik nehmen. Wenn sich Deutschlands Rolle in der Welt verändert, verschieben sich möglicherweise auch die Vorgaben, Schwerpunkte und Herangehensweisen unserer Arbeit.

Sich selbst hinterfragen

Ein Beispiel: Wenn das duale System und damit die Rolle Deutschlands in der beruflichen Bildung in weiten Teilen der Welt eine hohe Wertschätzung genießt, dann wird dies von den Partnern auch zukünftig mit hoher Wahrscheinlichkeit nachgefragt. Wenn wir bisweilen stärker als Macher denn als aufmerksame Zuhörer wahrgenommen werden, dann gilt es zu fragen, ob wir mit diesem uns zugeschriebenen Auftreten die politischen Zielsetzungen der Bundesregierung erreichen oder unser Verhalten weiterentwickeln können. Bezogen auf die politische Führungsrolle, die Deutschland im europä­ischen Verbund attestiert wird, heißt das für uns als GIZ, zu schauen, wo wir die Bundesregierung beim Einnehmen dieser Rolle in der internationalen Zusammenarbeit bestmöglich unterstützen können.

Schon heute gilt für unsere Arbeit: Die Krise wird immer mehr zum Normalfall. Etwa 1,5 Milliarden Menschen leben in Gegenden, die von Konflikten, Gewalt und Unsicherheit geprägt sind, in Ländern wie Afghanistan, Mali oder Syrien und seinen Anrainern. Das entspricht etwa einem Fünftel der Weltbevölkerung. Wenn die Bundesregierung im Koalitionsvertrag den vernetzten Ansatz von Außen-, Sicherheits-, Entwicklungs- und Menschenrechtspolitik betont, dann werden auch wir  diese Verzahnung im Blick behalten. Verantwortung heißt, Präsenz zu zeigen – auch in schwierigen Zeiten.

Agenda 2030 und Klimaabkommen als Richtlinien

Verantwortung heißt für uns als Bundesunternehmen auch, die globalen Agenden zu beachten und zu befördern, denen sich Deutschland verpflichtet hat. Etwa die Agenda 2030 mit ihren 17 Nachhaltigkeitszielen oder das Abkommen von Paris zur Begrenzung des Klimawandels. Deren Zielen durch unsere tägliche Arbeit in aller Welt näher zu kommen, ist ein bedeutsamer Teil von Deutschlands internationaler Verantwortung.

Den Rahmen für unsere Arbeit als GIZ schafft die Politik – wir tragen dazu bei, diese Politik in möglichst effizientes und effektives Handeln zu übersetzen. Manchmal kann das auch bedeuten, in die Rolle eines „Rückübersetzers“ zu schlüpfen. Nichts anderes als eine Reflexion von außen nach innen ist die Deutschlandstudie. Wir hoffen sehr, dass die Ergebnisse der neuen Studie zu einer „verantwortungsvollen“ Debatte über Deutschlands internationale Rolle beitragen. Der hohe Bedarf dafür ist angesichts der Weltlage offensichtlich. —

aus akzente 2/18