GIZ Innovation Fund

Ab in die Zukunft

Starke digitale Initiativen stehen im Mittelpunkt des diesjährigen GIZ Innovation Fund. akzente präsentiert die aktuellen Preisträger und begleitet in den nächsten Monaten ihren spannenden Weg von der Idee bis zur Umsetzung.

Text
Linda Engel

Bei der Vorstellung von „emmunize“ hebt Sofia Nürnberger plötzliche eine abgegriffene Kladde in die Höhe. Darin notieren Ärzte und Schwestern in Kenia, wann sie welche Kinder impfen. „Das ist ineffektiv und zeitaufwendig“, sagt Nürnberger und lässt das schwere Teil auf den Boden knallen. Die Zuschauer in Bonn zucken kurz zusammen und lachen dann. Die Botschaft ist angekommen. Bye bye, Papierflut. Hello, digitales Zeitalter.

Sofia Nürnberger mit dem traditionellen Impfbuch aus Kenia.

Damit überzeugte „emmunize“ beim GIZ Innovation Fund 2018/19. Die Idee hinter dem Innovation Fund ist es, im großen und vielfältigen GIZ-Netzwerk innovative Ideen aufzuspüren, die die Entwicklungszusammenarbeit voranbringen können. Durch den Wettbewerb haben sich internationale Teams zusammengefunden, die aus GIZ-Mitarbeiter*innen und externen Partner*innen bestehen. Nach dem erfolgreichen Pilotwettbewerb 2017 wurden bei der zweiten Runde mehr als 100 Ideen zum Thema „Daten für Entwicklung“ eingereicht. Über eine Jury und eine GIZ-interne Online-Abstimmung wurden 2018 sechs Ideen ausgewählt, die besonders aussichtsreich waren. Sie konnten ihren Vorschlag in einem Accelerator-Programm sieben Monate weiterentwickeln und bei der finalen Präsentation in Bonn vorstellen. Dort wurden Ende Mai 2019 zwei Gewinner gekürt.

Im Traum den Impftermin verpasst

Dazu gehört „emmunize“. Die Idee dazu entstand im Schlaf. GIZ-Beraterin Sofia Nürnberger hatte davon geträumt, den nächsten Impftermin ihres kleinen Sohnes zu verpassen. Eine digitale Impferinnerung wäre toll, dachte die junge Mutter: Nicht nur für sie, sondern für alle Eltern. 2017 erhielten weltweit allein 20 Millionen Kinder unter einem Jahr keinen vollständigen Impfschutz. Das „emmunize“-Team besteht aus sieben Mitgliedern, GIZ-Experten und externe Fachleute aus den Bereichen Medizin, lokale Expertise, Kühlketten und Gesundheit sowie solare Kühlung. Das Proklima-Programm, in dem etwa Nürnberger arbeitet, beschäftigt sich unter anderem mit Kühlketten für Impfstoffe. So werden unter anderem im Rahmen der „Solarchill“-Initiative zusammen mit Partnern Solarkühlschränke in Gesundheitsstationen zur Verfügung gestellt.

Doch selbst wenn es dort gekühlten Impfstoff gibt, können Mediziner*innen nicht ausschließen, dass Eltern einen Impftermin vergessen. Das weiß Leonard Loontaye, Arzt im ländlichen Kenia und Mitglied des „emmunize“-Teams. Er fährt einmal monatlich mit einem Motorrad und einer Kühlbox mit Impfstoffen in weit abgelegene Dörfer. Doch wer behält den Überblick, wann etwa die nächste Masernimpfung ansteht? Hier kommt die Idee von „emmunize“ ins Spiel. Kinder werden durch den Arzt bei der ersten Impfung registriert. Dank der Verbindung mit den nationalen Impfplänen bekommen sie die weiteren Impfungen individuell für jedes registrierte Kind angezeigt. Innerhalb des nächsten Jahres will das Team von „emmunize“ 5.000 Kinder durch das neue Tool erreichen.

Mediziner des emmunize-Teams im Gespräch: Leonard Loontaye aus Kenia und Tatiana Görhardt, die als Kinderärztin in Offenbach arbeitet.

Die Jury zeichnete „emmunize“ zusätzlich mit dem Preis für die beste Lernkurve aus. Jury-Mitglied Jennifer Ahrens von der Initiative „Data Science for Social Good“ hob die Bereitschaft des Teams hervor, seine Ideen zu verändern. Denn während Sofia Nürnberger zunächst die Idee hatte, Müttern Impferinnerungen aufs Handy zu schicken, stellte sich heraus, dass viele von ihnen in ländlichen Regionen keine Mobiltelefone besitzen. Deshalb werden jetzt Gesundheitsmitarbeiter*innen in den Dörfern eingebunden, denn über sie können Eltern erreicht werden.

Afrikanische Version von Alexa, Siri und Co.

Neben „emmunize“ hat noch ein weiteres Team den Preis für das beste Produkt/Service und damit die weitere Förderung gewonnen: „Voice“. Das Team kombiniert digitale mit lokaler Expertise und adressiert mit seiner Idee das immer wichtiger werdende Thema der digitalen Spracherkennung. Schon heute werden bei Google mehr als 20 Prozent der Suchanfragen per Stimme gesteuert. Doch wenn etwa eine junge Frau im ländlichen Ruanda mit ihrem Smartphone Informationen über Malaria per Sprachbefehl abrufen will, geht dies nicht in ihrer Muttersprache Kinyarwanda. Gängige Spracherkennungssoftwares funktionieren vor allem mit den sogenannten Weltsprachen wie Englisch, Spanisch oder Chinesisch. Millionen Menschen im globalen Süden können die Vorteile dieser neuen Technologie nicht nutzen, obwohl Sprachassistenten den Zugang zu Informationen und Services massiv vereinfachen können. Für die Entwicklungszusammenarbeit liegt hier ein großes Potenzial.

Ein Teil des Gewinnerteams von Voice: Daniel Brumund von Mainlevel Consulting und GIZ-Expertinnen Lea Gimpel und Arlett Stojanovic.

„Voice“ will daher Daten lokaler Sprachen sammeln. Dabei arbeitet das Team mit der Common Voice Plattform von Mozilla zusammen. Freiwillige können Sprachaufnahmen einsprechen und Mozilla stellt diese dann öffentlich zugänglich zur Verfügung. Die Sprachdaten bleiben so nicht in der Hand einiger weniger großer Firmen, sondern werden zum öffentlichen Gut. Anfangen will das Team von „Voice“ mit Kinyarwanda, einer Sprache, die 12 Millionen Menschen in Ruanda sprechen. „Voice adressiert eine Lücke, da große Firmen erst einmal keinen Mehrwert in der Verwendung der lokalen Sprache sehen“, begründete Jury-Mitglied Jochen Quinten von der GIZ die Auszeichnung für „Voice“.

Dessen Team hat den Tag der Gemeinschaftsarbeit „Umuganda“ in Ruanda als Möglichkeit zum Sammeln der Stimmdaten identifiziert. Viele Ruander nehmen monatlich an dieser ehrenamtlichen Aktion teil. Statt die Straße zu kehren, steht nun die Mission im Vordergrund, die Sprache Kinyarwanda in das digitale Zeitalter zu übertragen, berichtet Jan Krewer, der das Projekt in Ruanda koordiniert. In den kommenden Monaten plant das „Voice“-Team gemeinsam mit einem lokalen Start-up „Digital Umuganda“ eine Serie von Veranstaltungen, bei denen junge Leute die notwendigen Sprachdaten beitragen.

Publikumspreis für Recycling-App

Den Publikumspreis des Innovation Fund hat das Recycling-Projekt „Yes, we CAN“ aus Serbien gewonnen. 400 Personen stimmten online und bei der Präsentation in Bonn für diese Idee, Recycling voranzubringen. Teil des Teams ist ein serbisches Start-up, das bereits Nutzern die Möglichkeit gibt, für jede recycelte Dose Punkte zu sammeln und diese gegen attraktive Preise einzutauschen. „Yes, we CAN“ hebt diese Innovation auf die nächste Ebene. Eine Plattform organisiert den Datenaustausch und viele leisten einen Beitrag: Entsorgungsunternehmen und die Privatwirtschaft bieten Anreize und Bürger bringen die kostbaren Wertstoffe zurück.

In den nächsten Monaten wird akzente darüber berichten, wie aus den Ideen der Gewinner neue Impulse in der Entwicklungszusammenarbeit werden.

Kontakt: Felix Krause innovationfund@giz.de

Mehr auf giz.de